Ein Potpourri brauner Netzwerke: Die AfD Gera-Saale-Holzland-Kreis

Foto der Spitze einer AfD Demonstration. Am Fronttransparent mit dem Text "Unser Land, unsere Heimat. Du mein Thüringen" laufen Denny Jankowski, Jörg Henke, Wiebke Muhsal und Stephan Brandner. Im Hintergrund laufen mehr Menschen. Zwei Personen tragen Wirmer-Fahnen.

Gera, 19.2.2016 (v.l.n.r.): Die AfD Jena-Gera-SHK mit Denny Jankowski, Tim Beutler (Hintergrund m. gelber Weste), Jörg Henke, Wiebke Muhsal, Thomas Rudy und Stephan Brandner; 2. Reihe mit schwarzer Jacke und Wirmer-Flagge: ex-Sprecher des „Thüringer Heimatschutz“ Jörg Krautheim (Foto: Facebook)

Die AfD Jena-Gera-Saale-Holzland-Kreis hatte von Anfang an schwache Strukturen und keine Basis im Landkreis. Trotz der Mitgründung des ersten Thüringer Landesverbandes durch den in Seitenroda bei Kahla ansässigen Matthias Wohlfarth ist der Kreisverband eine kleine Ansammlung von eher mäßig vernetzten kommunalen FunktionärInnen geblieben. Wahlerfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen beruhten weniger auf der lokalen Verankerung als auf der generell zugunsten der AfD tendierenden politischen Stimmung. Nichtsdestotrotz gehören einige der kommunalen MandatsträgerInnen und KandidatInnen zu den extrem rechten außerparteilichen Bewegungen in Kreis und Land. Von deutschnationalen Burschenschaftern, Reichsbürgern, Autoren völkischer Verlage, Teilnehmern der Neonaziaufmärsche „Thügida“ bis hin zu Bündnispartnern von Kameradschaften und „Turonen“ ist alles dabei. Anlässlich der Kommunalwahlen werfen wir einen Blick in die blau-braunen Ecken der Täler und Hügel zwischen Jena und Gera. Weiterlesen

#ehrenlos – Ostthüringer Neonazis beim Wehrmachts- und SS-Gedenken in Budapest

Sebastian Dahl (1.v.r.) beim „Tag der Ehre“ in Budapest am 9.2.2019 (Foto: Recherchenetzwerk Berlin)

Zum „Tag der Ehre“ pilgern seit Jahren Dutzende deutsche Neonazis am zweiten Februarwochenende nach Budapest. Das Gedenken an den aussichtslosen Ausbruchsversuch deutscher und ungarischer Nazis aus dem von sowjetischen Truppen umzingelten Budapest im Februar 1945 stellt das jährlich größte Vernetzungstreffen europäischer Neonazis dar. Neben der Möglichkeit, ungestraft SS-Symbole tragen zu dürfen, sind Rechtsrockkonzerte und eine Wanderung auf den Spuren ihrer historischen Vorbilder ein Anziehungspunkt für die gesamte radikale Rechte. Auch aus Ostthüringen fahren seit Jahren Neonazigruppen nach Budapest. Darunter sind militante Kampfsportler, Aktivisten des verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerks, bekannte Shoa-Leugner, Neonazi-Burschenschafter mit Vergangenheit im „Thüringer Heimatschutz“, Rechtsrock-Musiker – und Björn Höckes heutiger Fotograf. Unter Mitwirkung eines Apoldaer Rechtsrockers wurde außerdem zu diesem Jahr ein ganzes Themenalbum zum „Ausbruch“ 1945 produziert. Kürzlich begann in Budapest der Prozess gegen Antifaschist*innen, denen Angriffe auf Neonazis beim Gedenken 2023 vorgeworfen werden. Der Darstellung ungarischer Offizieller zufolge handelt es sich beim „Ausbruch“ um ein touristisches Event historisch interessierter SportlerInnen. Dementsprechend sind auch Rechte aus dem Fidesz-Umfeld in die Organisation eingebunden und die Neonazi-Veranstaltung erhält staatliche Förderung. Dieser Verharmlosung und Geschichtsverdrehung wollen wir mit einem Überblick zur Beteiligung militanter Ostthüringer Nazis deutlich widersprechen. Weiterlesen

Das braune Haus von Uhlstädt: Normannia-Nazis übernehmen Gasthof „Zum Goldenen Roß“

Foto des Gasthaus "Goldenes Roß" in Uhlstädt. Es ist ein größeres gelbes Haus mit Terrase und Parkplatz an einer Straße zu sehen.

Der neueste Stützpunkt der alten Garde Jenaer Neonazis: Das „Goldene Roß“ in Uhlstädt

Längere Zeit war es auffällig ruhig um die Kahlaer Neonazis aus der Burg 19. Sowohl die dort ansässige Burschenschaft „Normannia zu Jena“ als auch deren kurzzeitiges Querfrontprojekt „Aufbruch und Erneuerung“ waren nach politischen Misserfolgen und antifaschistischen Recherchen kaum noch zu sehen. Doch die betreffenden Nazis, die sich überwiegend seit den Zeiten des „Thüringer Heimatschutz“ Ende der 1990er kennen, haben ohne Aufsehen ihr neuestes Projekt in trockene Tücher gebracht: Sie übernahmen Ende 2020 die Pension im Gasthof „Zum Goldenen Roß“ in Uhlstädt-Kirchhasel. Formell geführt wird der Veranstaltungsraum mit den dazugehörigen sechs Gästezimmern von Nico Schneider, den wir an anderer Stelle als „politischen Ziehsohn“ von NSU-Helfer Ralf Wohlleben bezeichnet hatten. Ein Blick in Firmengründungen im Zusammenhang mit dem Betrieb des Gasthofes offenbart, dass auch Ralph Oertel und Rick Wedow, beide jahrzehntelange Wegbegleiter Ralf Wohllebens und Gründungsmitglieder der „Normannia“, an dem Uhlstädter Projekt beteiligt sind. Der Gasthof wird somit den weit verzweigten Neonazi-Netzwerken sowohl Raum für Veranstaltungen bieten, als auch Gelder in deren Kassen spülen. Weiterlesen

Alle Jahre wieder: Neonazi-Nachwuchs in Kahla

Robin Franke (Glatze, Trainingsanzug) Benny Franke (4.v.r. m. Pony), Ian Bütow (Glatze, 3.v.r.) und Marcel Waschek (1.v.r.) beim Montagaufmarsch in Kahla am 26.9.2022 (Foto: OTZ)

Robin Franke (Glatze, Trainingsanzug) Benny Franke (4.v.r. m. Pony), Ian Bütow (Glatze, 3.v.r.) und Marcel Waschek (1.v.r.) beim Montagaufmarsch in Kahla am 26.9.2022 (Foto: OTZ)

Seit 2022 bildet sich in Kahla eine neue Clique an Neonazi-Jugendlichen heraus, die zunehmend mit Kleidung und Rechtsrock aus Szene-Versänden auffällt und mehrfach an rechten Aufmärschen teilnahm. Um Kahlas rechte Szene wurde es seit Jahren kontinuierlich ruhiger. Die letzte vergleichbare rechte Jugendstruktur stellte zwischen 2016-2018 der selbsternannte „Jungsturm Kahla“ um Antonio Szaszko dar. Die aktuell aktive Clique bildet den einzigen Nachwuchs, den die alteingesessene örtliche Naziszene zu bieten hat. Mit Ian Bütow ist das durchaus wörtlich gemeint, da dessen Eltern Katja und Marcel Bütow seit ca. 15 Jahren im Mittelpunkt Kahlaer Neonazistrukturen stehen. Die heranwachsenden Rechten haben bereits erste Kontakte zu älteren Neonazis aus anderen Städten geknüpft, die wiederholt zu Besuch in Kahla sind. Weiterlesen

Katja Bütow (Kahla): Wochentags im Dienste der Kirche, feiertags Naziversammlung im Kleingarten

Links: Katja Bütow (1.v.r.) und Evelyn Kruppe mit dem Kahlaer Pfarrer und dem Team der Diakonie Sozialstation Kahla; rechts: Katja (3.v.r.) und Marcel Bütow (4.v.r.) bei der Erntedank-Feier vom III. Weg in ihrem Kleingarten an der Saale im Oktober 2018

Links: Katja Bütow (1.v.r.) und Evelyn Kruppe mit dem Kahlaer Pfarrer und dem Team der Diakonie Sozialstation Kahla; rechts: Katja (3.v.r.) und Marcel Bütow (4.v.r.) bei der Erntedank-Feier vom III. Weg in ihrem Kleingarten an der Saale im Oktober 2018; René Schaller 1.v.l.

Als der damalige Pfarrer Matthias Schubert für eine SPIEGEL-Reportage 2018 auf den Nazi-Aktivismus seiner Diakonie-Mitarbeiterin Katja Bütow angesprochen wurde, wiegelte er ab: „Sie hat sich distanziert von der rechten Szene, sie ist nicht mehr aktiv, das war ihr alles sehr unangenehm.“ Die Distanzierung von der rechten Szene war schon damals eine Lüge. Fünf Jahre später lässt sich resümieren: Katja Bütow, die ein Hakenkreuz auf die Schulter tätowiert trägt, kann auf mindestens 15 Jahre Aktivismus in militanten rechten Strukturen zurückblicken. Sie engagierte sich für die NPD und später für den III. Weg. Außerdem betrieb sie Spendensammlungen für den NSU-Helfer Ralf Wohlleben. Was bisher nirgends Erwähnung fand: Ihr Kleingarten an der Saale dient für völkische Fackelrituale und Liederabende mit dem Blood&Honour-Musiker Tobias Winter. Im Herbst 2022 beteiligte sie sich mit ihrem jugendlichen Sohn an einem AfD-Aufmarsch in Erfurt und im Februar 2023 marschierte sie an der Seite ihres Mannes Marcel Bütow mit schwarzer Flagge im bundesweiten Großaufmarsch der Naziszene durch Dresden. Zeit für einen erneuten Blick nach Kahla.

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„Aufbruch und Erneuerung“ – Neues Projekt der Burschenschaft Normannia veranstaltet Treffen am 08.05.2021 in Uhlstädt

Gruppenfoto zum Volkstrauertag am 15.11.2020: Normannia-Mitglieder Ralph Oertel (1.v.l.), Philipp Duparré (2.v.l.) und Hendrik Radtke (3.v.l.), Identitären-Mitglied Marcel Waschek (5.v.r.)

Seit einem Jahr tritt in der Gegend um Kahla eine neue Neonazigruppe unter dem Namen „Aufbruch und Erneuerung“ in Erscheinung. Mit Hetzflyern gegen das queere Festival „Kahla Courage“ oder Aufrufen zur Denunziation von vermeintlichen Drogendealer:innen bedient die Gruppe genauso klassisch rechte Themen wie mit schwarz-weiß-rot dekorierten Gedenkkränzen zum Volkstrauertag. Gleichzeitig ist sie um ein kritisches Profil bemüht, indem sie sich in Blogbeiträgen von bestimmten rechten Strömungen distanziert und immer wieder linke Diskurse aufgreift, um sie von rechts zu besetzen. In der letzten Zeit suchte die Gruppe verstärkt Anschluss an die Corona-Proteste im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und darüber hinaus. Eine inhaltliche und örtliche Nähe zur Neonazi-Burschenschaft Normannia drängt sich nahezu auf, zumal letztere ihre Aktivitäten nach außen im selben Zeitraum praktisch einstellte. Bislang war „Aufbruch und Erneuerung“ um Anonymität ihrer Mitglieder bemüht. Recherchen zeigen nun, dass es sich um einen Schulterschluss zwischen Normannia-Burschen, NPD-Politikern und Aktivisten der Identitären Bewegung und EinProzent handelt. Als Veranstaltungsort ihrer Vorträge und Treffen wich “Aufbruch und Erneuerung” statt auf die eigene Immobilie Burg 19 in Kahla wiederholt auf das Gasthaus „Zum Goldenen Ross“ in Uhlstädt aus. Dort soll am morgigen Samstag, dem 8.5.2021, um 18 Uhr eine Diskussionsveranstaltung zu Sahra Wagenknechts neuem Buch „Die Selbstgerechten“ stattfinden. Treffpunkt von „Aufbruch und Erneuerung“ ist um 17:30 Uhr am Uhlstädter Bahnhof.

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NS-Ideologie und Fechtduelle: Überregionales Treffen extrem rechter Burschenschaften in Jena-Maua am 22.08.2020

Mitglieder der Burschenschaften HLB Germania Halle (schwarze Mütze, 1.v.r. Moritz Busam), Normannia Jena (2.v.r. mit Rucksack Philipp Duparré, 4.v.r. mit Tasche Alexander Vetter), Alte Burschenschaft auf dem Burgkeller Jena (3.v.r., ohne Mütze, Alexander Jünger), Rugia Greifswald (5.v.r., rote Mütze) bei der Begrüßung vor dem Goldenen Schiff am 22.08.2020 (Foto: Rechercheportal Jena-SHK)

Während am vergangenen Samstag bundesweit tausende Menschen dem sechs Monate zurückliegenden rassistischen Anschlag in Hanau und seinen neun Todesopfern (Link zur Initiative 19. Februar) gedachten, fand in Jena-Maua im Gasthaus „Goldenes Schiff“ ein überregionales Treffen extrem rechter Burschenschaften statt. Ausrichter waren die Burschenschaften Normannia zu Jena und Alte Burschenschaft auf dem Burgkeller Jena. Neben den beiden gastgebenden Jenaer Burschenschaften, deren Mitglieder zum Fechtkampf antraten, nahmen Mitglieder der Burschenschaften Saxo-Silesia Freiburg, Halle-Leobener Germania, Rugia Greifswald, Germania Leipzig, Arminia Leipzig und Dresdensia Leipzig teil. Die Burschenschaften gehören dem Zusammenschluss Waffenring Halle-Leipzig an (Broschüre des Stura Dresden). Es reisten über 40 Personen aus mehreren Bundesländern an. Mehrere der Burschenschaften sind einschlägig aus dem Neonazi-Milieu, aus den Netzwerken der Identitären Bewegung und aus bewaffneten und neofaschistischen Prepper-Netzwerken bekannt. Das Goldene Schiff in Jena-Maua wurde somit einmal mehr zum Treffpunkt der extremen Rechten, nachdem sich das Lokal bereits zum festen Stützpunkt der AfD Jena-Saale-Holzland-Kreis etabliert hatte. Pikantes Detail: Der rechte Treffpunkt ist gleichzeitig das Wahllokal für den Bezirk Jena-Maua und bei der letzten Landtagswahl erzielte die AfD dort ein Top-Ergebnis.

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Christian Heilmann – Von Wohlleben über die Normannia bis zur Identitären Bewegung

Christian Heilmann ist ein weiteres Mitglied der extrem rechten „Burschenschaft Normannia zu Jena“. Der Ausgangspunkt seiner politischen Entwicklung sind die Neonazi-Netzwerke zwischen Jena und Kahla, die ihn zu JN-Veranstaltugen, zu Aufmärschen der „Identitären Bewegung“, der AfD, von „EinProzent“ und „PEGIDA“ führen. Dabei hält er stehts den Kontakt zu militanten Kameraden und altgedienten Rechtsterroristen.

Christian Heilmann mit dem Wimpel der Normannia bei einer Wanderung zur Wartburg im Sommer 2019.

Politisierung durch Ralf Wohllebens NPD und die Thüringer Kameradschaftsszene

Christian Heilmann, 29 Jahre alt, stammt aus Jena, wo er in der Nähe des Friedensberges im Jena-Süd wohnte. Heilmann war bis zur Verhaftung des NSU-Helfers Wohlleben eine von dessen Jenaer Kontaktpersonen. Als die Normannia 2009 aus dem braunen Haus in Jena-Altlobeda nach Kahla in die Burg 19 verzog, knüpfte auch Heilmann politisch und sozial an die dortigen Strukturen an. Mit Tobias Winter aus dem Landkreis Sömmerda, seinem heutigen Normannia-Kamerad Martin Schieck und Mitgliedern der Erfurter Kameradschaftsszene um Enrico Biczysko oder Martin Gärtlein nahm Christian Heilmann beispielweise an einem Zeitzeugengespräch teil. In jener Zeit war er bereits Fan des National Socialist Black Metal (NSBM), wie er mit Aufnähern und Pullovern von „Burzum“ oder „Absurd“ kundtat, die er auch heute noch verehrt. Die Sänger dieser Bands haben ihren Kultstatus in der NSBM-Szene jeweils mit Morden erlangt.

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Heimatschutz 2.0 – Der Jenaer Nazi Ralph Oertel zwischen dem früheren NSU-Umfeld und der Identitären Bewegung

Heimatschutz 2.0 – Der Jenaer Nazi Ralph Oertel zwischen dem früheren NSU-Umfeld und der Identitären Bewegung

Um die faschistische Burschenschaft Normannia zu Jena war es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Einer ihrer Protagonisten, Ralph Oertel aus Jena, war jedoch alles andere als untätig: Er baute Kontakte zur Identitären Bewegung auf, fuhr auf Rechtsrock-Konzerte, illustrierte Bücher für die rechten Verlage Jungeuropa und Antaios, reiste mit militanten Kahlaer Nazis zum Aufmarsch nach Chemnitz und trainiert zwischendurch Kampfsport beim Unversitätssportverein Jena. Dass er den Kontakt mit dem mutmaßlichen NSU-Helfer André Kapke hält, noch Ende 2017 Ralf Wohlleben die Treue demonstrierte und gleichzeitig die rechten Netzwerke von Kubitscheks Schnellroda und den Identitären in Halle pflegt, ist dabei weder ein Widerspruch noch ein Bruch mit der Ideologie, die ihn schon in den Neunzigern mit dem Thüringer Heimatschutz verband: Es ist einfach nur konsequent und zeitgemäß, wenn das Ziel bleibt, völkischen Rassismus und NS-Ideologie wirksam zu propagieren.
Das antifaschistische Rechercheportal Jena-Saale-Holzland-Kreis hat einen genaueren Blick auf Oertels politische Biographie und jüngere Aktivitäten geworfen. Diese erzählt viel über Strategien der Jenaer Nazis, die sich schon damals in Burschenschaften und der NPD organisierten und heute ohne inhaltliche und organisatorische Abstriche in den Netzwerken von AfD, Identitären und recher Publizistik mitmischen.

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