#ehrenlos – Ostthüringer Neonazis beim Wehrmachts- und SS-Gedenken in Budapest

Sebastian Dahl (1.v.r.) beim „Tag der Ehre“ in Budapest am 9.2.2019 (Foto: Recherchenetzwerk Berlin)

Zum „Tag der Ehre“ pilgern seit Jahren Dutzende deutsche Neonazis am zweiten Februarwochenende nach Budapest. Das Gedenken an den aussichtslosen Ausbruchsversuch deutscher und ungarischer Nazis aus dem von sowjetischen Truppen umzingelten Budapest im Februar 1945 stellt das jährlich größte Vernetzungstreffen europäischer Neonazis dar. Neben der Möglichkeit, ungestraft SS-Symbole tragen zu dürfen, sind Rechtsrockkonzerte und eine Wanderung auf den Spuren ihrer historischen Vorbilder ein Anziehungspunkt für die gesamte radikale Rechte. Auch aus Ostthüringen fahren seit Jahren Neonazigruppen nach Budapest. Darunter sind militante Kampfsportler, Aktivisten des verbotenen „Blood&Honour“-Netzwerks, bekannte Shoa-Leugner, Neonazi-Burschenschafter mit Vergangenheit im „Thüringer Heimatschutz“, Rechtsrock-Musiker – und Björn Höckes heutiger Fotograf. Unter Mitwirkung eines Apoldaer Rechtsrockers wurde außerdem zu diesem Jahr ein ganzes Themenalbum zum „Ausbruch“ 1945 produziert. Kürzlich begann in Budapest der Prozess gegen Antifaschist*innen, denen Angriffe auf Neonazis beim Gedenken 2023 vorgeworfen werden. Der Darstellung ungarischer Offizieller zufolge handelt es sich beim „Ausbruch“ um ein touristisches Event historisch interessierter SportlerInnen. Dementsprechend sind auch Rechte aus dem Fidesz-Umfeld in die Organisation eingebunden und die Neonazi-Veranstaltung erhält staatliche Förderung. Dieser Verharmlosung und Geschichtsverdrehung wollen wir mit einem Überblick zur Beteiligung militanter Ostthüringer Nazis deutlich widersprechen. Weiterlesen

Jenaer Kontinuitäten und fehlende Konsequenzen aus dem NSU-Komplex (3): Von den Hatebrothers 88 zu Muddox Tattoo (Jena) und den Limited Booze Boys (Stadtroda)

(links) Mario Beythien (eingekreist) 1998 mit Madley-Betreiber Andreas Schultz (2.v.l.) und den Hatebrothers in Budapest; (rechts) Mario Beythien 2016 bei Muddox-Tattoo.

Wenige Meter vom Jenaer Uni-Campus entfernt liegt das Muddox-Tattoostudio im Durchgang zwischen Krautgasse und Bachstraße. Ein unverdächtiger Laden, möchte man meinen. Doch der Betreiber Mario Beythien ist nicht nur schon vor der Wende als Neonazi in Lobeda bekannt gewesen. Er zählte Ende der Neunziger auch zum Kern der “Hatebrothers 88 Kahla”, bei denen sich der NSU-Mordwaffenbeschaffer Andreas Schultz und weitere militante Skinheads versammelten. Die Gruppe war eng mit dem Blood&Honour-Netzwerk verbunden, das zur maßgeblichen Unterstützungsstruktur des NSU wurde. Beythien vertrieb selber Bekleidung unter der Marke Hatebrothers. Zeitgleich eröffnete er das Muddox-Tattoostudio in Jena-West, das später an den heutigen Standort am Campus umzog. Beythien trat noch 2009 die Rechte an der Marke Hatebrothers an den Jenaer Neonazi und Mafia-Akteur Jürgen Länger ab, der die NSU-Mordwaffe aus der Schweiz besorgt hatte. Und auch heute pflegt er noch Verbindungen zu alten Hatebrothers-Kameraden aus Stadtroda, die zur Bandbesetzung und dem Umfeld der Folkrockband Limited Booze Boys zählen. Weiterlesen

Jenaer Kontinuitäten und fehlende Konsequenzen aus dem NSU-Komplex (2): Durch ein halbes Dutzend Jenaer Hände – Wie organisierte Kriminelle und Neonaziszene die NSU-Mordwaffe beschafften

Madley – bis 2009 rechter Szeneladen in der Wagnergasse Jena (Foto: Indymedia)

Der NSU beschaffte sich im Laufe seines Bestehens eine Vielzahl an Waffen. Beim Großteil der Waffen wurde die Herkunft bis heute nicht aufgeklärt. Eine Waffe hatte jedoch eine besondere Bedeutung im NSU-Komplex, da mit ihr alle bekannten rassistischen Morde des NSU begangen wurden: Die Česká 83. Bei der Analyse des Beschaffungswegs dieser Waffe zeigt sich die enge Verflechtung von Neonazi-Szene und organisierter Kriminalität in Jena gegen Ende der 1990er Jahre.

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