Heimatschutz 2.0 – Der Jenaer Nazi Ralph Oertel zwischen dem früheren NSU-Umfeld und der Identitären Bewegung

Heimatschutz 2.0 – Der Jenaer Nazi Ralph Oertel zwischen dem früheren NSU-Umfeld und der Identitären Bewegung

Um die faschistische Burschenschaft Normannia zu Jena war es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Einer ihrer Protagonisten, Ralph Oertel aus Jena, war jedoch alles andere als untätig: Er baute Kontakte zur Identitären Bewegung auf, fuhr auf Rechtsrock-Konzerte, illustrierte Bücher für die rechten Verlage Jungeuropa und Antaios, reiste mit militanten Kahlaer Nazis zum Aufmarsch nach Chemnitz und trainiert zwischendurch Kampfsport beim Unversitätssportverein Jena. Dass er den Kontakt mit dem mutmaßlichen NSU-Helfer André Kapke hält, noch Ende 2017 Ralf Wohlleben die Treue demonstrierte und gleichzeitig die rechten Netzwerke von Kubitscheks Schnellroda und den Identitären in Halle pflegt, ist dabei weder ein Widerspruch noch ein Bruch mit der Ideologie, die ihn schon in den Neunzigern mit dem Thüringer Heimatschutz verband: Es ist einfach nur konsequent und zeitgemäß, wenn das Ziel bleibt, völkischen Rassismus und NS-Ideologie wirksam zu propagieren.
Das antifaschistische Rechercheportal Jena-Saale-Holzland-Kreis hat einen genaueren Blick auf Oertels politische Biographie und jüngere Aktivitäten geworfen. Diese erzählt viel über Strategien der Jenaer Nazis, die sich schon damals in Burschenschaften und der NPD organisierten und heute ohne inhaltliche und organisatorische Abstriche in den Netzwerken von AfD, Identitären und recher Publizistik mitmischen.

1999-2017: Thüringer Heimatschutz und  Burschenschaft Normannia
Thüringer Heimatschutz und Burschenschaft Normannia

Ralph Oertel ist seit den späten Neunzigern ein fester Bestandteil der Jenaer Naziszene. Schon zu Zeiten des Thüringer Heimatschutzes (THS), also der Entstehung des sogenanten Nationalsozialister Untergrund (NSU), zählte der damals junge Ralph Oertel zur “Scheitelfraktion” in der Szene. Damit bezeichneten Nazis selber jenen Teil der Szene, der weniger Subkultur und mehr NS-Ideologie und feste Organisierung forderte. Anfang der 2000er Jahre war Oertel auch lokalen Clubbetreibenden in Jena kein Unbekannter, firmierte er doch mit anderen Jenaer Nazis unter dem Namen “Full time Alkis” und sorgte regelmäßig für Zwischenfälle in und um die Clubs.

Ralph Oertel – Full time Alkis

Der verurteilte NSU-Helfer Carsten Schultze berichtete auch von Oertels damaliger Beteiligung an zwei Übergriffen: Zusammen mit anderen THS-Aktivisten, darunter Ronny Artmann, André Kapke und Christian Kapke, Dirk Metzig, Steffen Richter, Maximilian Lemke, Ralf Wohlleben und Tino Brandt, war Oertel am 10.10.1998 an einem Angriff auf die Junge Gemeinde (JG) Stadtmitte beteiligt. Im selben Zeitraum fiel er auch auf, als er mit Carsten Schultze durch den Kaufland in Lobeda-West lief und eine von ihm als jüdisch identifizierte Person antisemitisch anpöbelte.
Als Ralf Wohlleben 1999 den Aufbau der NPD gegen das befürchtete Verbot des Thüringer Heimatschutzes (THS) forcierte, zählte Oertel zu einem regelmäßigen Teilnehmer der JN/-NPD-Veranstaltungen, wie z.B. bei einer Reihe von Infoständen im Jahr 1999.

Ralf Wohlleben und Tino Brandt 1999 bei NPD-Kundgebugn in Jena

Ralph Oertel 1999 bei NPD-Kundgebung in Jena

Als die Burschenschaft Jenensia, in der Oertel und Kameraden zunächst noch organisiert waren, 1999 den faschistischen Autor und NPD-Funktionär Peter Dehoust nach Jena einlud, wurde der THS für den Saalschutz engagiert. Nach den darauffolgenden Auseinandersetzungen rund um die Jenensia war Oertel an der Gründung der Burschenschaft Normannia im Dezember 1999 beteiligt. Oertel studierte an der FSU Jena Philosophie und Kunstgeschichte und veranstaltete zusammen mit anderen Burschenschaftern wie u.a. Christian Kapke, Michael Stinge, Marco Reese, Martin Liebeskind oder Dirk Metzig völkische Liederabende in ihren Räumlichkeiten in der “Wilhelmsburg” (Schleidenstraße/Ecke Magdelstieg). Eine Verbindungsperson zwischen der Normannia und dem THS bzw. später JN/NPD war zu jener Zeit Nicole Schneiders, Ralf Wohllebens spätere Verteidigerin im NSU-Prozess. Ralph Oertel und Martin Liebeskind nahmen als Vertreter der Normannia am zeitweise bundesweit bedeutsamen Gedenkmarsch für gefallene Wehrmachtssoldaten in Halbe teil, wo sie im Jahr 2004 exponiert als Kranzträger auftraten.

Martin Liebeskind und Ralph Oertel beim Nazigedenken 2004 in Halbe

Martin Liebeskind und Ralph Oertel beim Nazigedenken 2004 in Halbe

Rückzug von Jena nach Kahla

Um die Normannia wurde es in den späten 2000er-Jahren merklich ruhiger. Mit der Schließung des Braunen Hauses, wo die Burschenschaft Normannia jahrelang ihren Sitz hatte, verschoben sich die Aktivitäten von Ralph Oertel und seinen Naziburschen weg von Jena. Die Normannia veranstaltete unregelmäßig Lesungen mit Wehrmachts- oder SS-Veteranen in Kahla, bei denen auch André Kapke sich hin und wieder blicken lässt. So z.B. am 17.07.2017. Oertel soll auch an der Renovierung des Nazi-Hausprojektes “Burg 19” in Kahla beteiligt gewesen sein und 2013 zeitweilig dort gewohnt haben. Auch als Rechnungsempfänger für die Burg 19 trat Oertel zwischenzeitlich auf. Für die Ersteigerung des Hauses im Jahr 2011 sind Oertels Kameraden Rick Wedow und Martin Schild verantwortlich. Zu beiden pflegt Oertel heute noch engen Kontakt. Wedow, Normannia-Mitglied und früherer NPDler, lebt immer noch in Jena. Er betreibt an seiner Wohnadresse in der Unterdorfstr. 10a eine Teppich-Reinigung und versucht sich seit 2018 im Immobiliengeschäft. Wedow ist auch in jüngerer Zeit noch zusammen mit seiner Frau Doreen zu Normannia-Zusammenkünften in Kahla anzutreffen.
Martin Schild ist seinerseits ein Karlsruher Freund von Nicole Schneiders (laut Eigenaussage), der früheren NPDlerin aus Jena und Verteidigerin von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess, die mittlerweile wieder in Baden-Württemberg lebt und alte Nazi-Netzwerke pflegt. Schild ist ein früheres Mitglied des “Nationalen Widerstand Karlsruhe”, für dessen öffentliche Verwendung der Parole “Ruhm und Ehre der Waffen-SS” er mit drei weiteren Nazis zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt wurde. Er war zwischenzeitlich auch bei der Normannia Jena aktiv. Als 2011 zu Hitlers Geburtstag der heutige AfD-Politiker Thomas Gruber aus Karlsruhe Neonazis zu Wehrsportübungen einlädt, ist neben Mitgliedern der Normannia Heidelberg auch Martin Schild mit von der Partie. Auf einer geleakten Telefonliste der Kameradschaft Karlsruhe, die Martin Schild gehörte, finden sich u.a. die Kontakte von Rick Wedow, Ralf Wohlleben und Nicole Schneiders (https://naziskahla.wordpress.com/1-2/burg19/#aufbau).

Ralph Oertel gehört genau in dieses Netzwerk aus dem früheren Thüringer Heimatschutz, aus dessen Personal sich NSU-Unterstützer, Führungskader der Jenaer NPD und die Burschenschafter der Normannia speisten.
So verwundert es auch nicht, dass Oertel im Dezember 2017 zusammen mit André Kapke, der weiterhin im Verdacht steht, Teil des NSU-Netzwerks gewesen zu sein, den NSU-Prozess im Münchner Oberlandesgericht besuchte. Dort grüßten die beiden ihren Kameraden Ralf Wohlleben von der Zuschauertribüne aus, um später mit seiner Verteidigerin Nicole Schneiders zum Mittagessen zu gehen und sich danach herzlich per Umarmung von ihr zu verabschieden.

Zusammenarbeit mit Identitären und AfD, Besuch beim Rechtsrock in Themar

Anfang September 2016 vermeldete die Normannia auf Facebook, dass „einige Normannen in den letzten Tagen in Mecklenburg-Vorpommern beim Wahlkampf geholfen haben“. Im selben Zeitraum teilte die Normannia auf Facebook vermehrt Beiträge der rassistischen Bewegung “EinProzent”, die zur neurechten Infrastruktur im Netz von Identitärer Bewegung (IB), Götz KubitscheksInstitut für Staatspolitik” (IfS) und AfD gehört, und von Björn Höcke (AfD). Somit unterstützten offenbar die Nazis von der Normannia die Mecklenburger AfD beim Plakate aufhängen. Oertel nutzt dieselben Netzwerke, um über den Sprecher der Deutschen Burschenschaft, Philipp Stein, Führungsperson von “EinProzent”, Aufträge als Illustrator für rechte Literatur bei Steins Jungeuropa-Verlag und Götz Kubitscheks Antaios-Verlag zu kriegen. Sein Label dafür ist “Art-Or”. Als Illustrator war er neben anderen Ausstellern beim neurechten “Kongress der Verteidiger Europas” (KVE) im März 2017 bei Linz vertreten, wo vor allem Identitäre aus Deutschland und Österreich mit FPÖ-Politikern zusammentrafen. Dort trat der “unangepasste Kunstschaffende aus Thüringen” (Ankündigung auf Kongress-Seite), Ralph Oertel, unter dem Pseudonym “Art-Or” auch als Sprecher auf, der seine völkischen Vorstellungen von Kunst präsentierte.

Ralph Oertel arbeitet für Jungeuropa Verlag

Im Juni 2017 vermeldete die Burschenschaft Normannia auch ihre Präsenz beim Aufmarsch der Identitären in Berlin und postete eigene Fotos aus der Demo. Während sie von vier dort gewesenen Mitgliedern prahlten, waren es zwei bekannte Gesichter, die in verschiedenen Momenten der blockierten Demo im Zweiergespann zu sehen waren: Ralph Oertel und der Kahlaer Neonazi und ehemaliges NPD-Kreistagsmitglied im Saale-Holzland-Kreis, Hendrik Radtke (naziskahla.wordpress.com/1-2/personen/).

Ralph Oertel (2.v.l.) und Hendrik Radtke (4.v.l.) auf IB-Demo Berlin am 17.06.2017

Im Juli 2017 sollte Oertel auf Einladung der Burschenschaft Thuringia in der Braunschweiger Uni auftreten und dort für ein von ihm illustriertes Buch über einen rechten französischen Putschisten werben. Zusammen mit ihm war auch der Nazi-Künstler “Wolf PMS” eingeladen, der u.a. T-Shirts für “Kampf der Nibelungen” gestaltet, ein internationales Netzwerk von Nazi-Kampfsportlern, das Combat 18 nahesteht. Gleichzeitig ist Wolf PMS als Künstler für die Identitäre Bewegung (IB) aktiv und nahm neben Oertel am KVE in Linz teil. Die Veranstaltung in Braunschweig fand nach antifaschistischer Intervention dann in den Räumlichkeiten der Burschenschaft statt. Im selben Monat nahm Oertel mit weiteren Jenaer Neonazis, so z.B. den beiden Busfahrern Holger Merck und seinem Kollegen, als auch Mirko Grumpmann am “Rock gegen Überfremdung” im südthüringischen Themar teil.

Ralph Oertel (2.v.l.), Holger Merck und Kollege in Themar am 07.05.2017

Über 6000 Nazis folgten dem Aufruf von Tommy Frenck, wobei es am Abend, von der Polizei ungeahndet, zu zahlreichen Hitlergrüßen im Veranstaltungszelt kam Video-Link. Bei Spiegel TV ist auch Oertel mit seinen Kameraden in Themar zu sehen

Link zum Video (Min. 2:44 – 2:49 mittig, mit schwarzer Kapuzenjacke und Scheitel): www.youtube.com/watch?v=_DEIaQe36Qw.

Normannen greifen Geflüchtete an

Als die Normannia sich am 14.04.2018 in Kahla traf, überraschte es nicht, dass sie sich den Dartladen in der Margaretenstraße als Treffpunkt wählten. Diese provisorisch eingerichtete Kneipe befindet unter der Wohnung von Sebastian Dahl. Dieser wurde infolge eines Brandanschlags auf alternative Jugendliche im Jahr 2005 zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen versuchten Mordes verurteilt und zog nach seiner Entlassung aus Brandenburg nach Kahla. Dahl ist heute ein international vernetzter Blood&Honour-Kader und Kämpfer beim neonazistischen “Kampf der Nibelungen’. Der Dartladen wird von Dahl mitbetrieben. Anstatt an ihrem Burschenschaftssitz in der 30m weiter gelegenen Burg 19 zu feiern, wählten die Normannen den Dartladen unter Dahls Wohnung. Am selben Abend kam es zu einem Übergriff auf zwei junge afghanische Geflüchtete durch die Burschenschafter. Die Rechten verfolgten die Jugendlichen nach einem ersten Angriff auf sie bis in ihre Unterkunft. Als die Polizei später die Personalien der Burschenschafter im Dartladen aufnehmen wollte, kam es zu mehrfachen Beleidigungen aus der betrunkenen Männerrunde. Obgleich es noch keine öffentliche Verhandlung in der Sache gab, kann davon ausgegangen werden, dass das Dreiergespann Ralph Oertel, Hendrik Radtke und Nico Schneider beteiligt war, dass den festen Kern der weitgehend inaktiven Normannia bildet und auch auf deren Fotos immer wieder zu sehen ist. Auch Rick Wedow wird immer wieder in Kahla gesichtet und nimmt in der Regel an den Zusammenkünften teil. Und zusammen mit Radtke und Oertel ist auch Johannes Bertels, früherer Bewohner der Burg 19 und ehemaliges NPD-Kreistagsmitglied, immer wieder in Kahla anzutreffen. Wer von den altbekannten Normannen und deren Kameraden beteiligt war, wird erst eine öffentliche Hauptverhandlung in der Causa zeigen. Allerdings dürfte die vakant gewordene Akte des in Ungnade gefallenen Geraer Rechtsaußen-Staatsanwalts Martin Zschächner, dem seine gesamten Verfahren aus dem Bereich der sog. Politisch motivierten Kriminalität entzogen worden sein sollen, einer baldigen Aufklärung und Erledigung im Wege stehen.

Die Parallelstrategie von Oertel und der Normannia setzte sich 2018 fort, als am 13.05.2018 ein SS-Veteran zu einem Vortrag über “die HJ, Reichsarbeitsdienst und die Endkämpfe im Osten” nach Kahla eingeladen wurde. Das Vorwort sprach der Merseburger “Künstler” Uwe Nolte, der erst einen Monat zuvor, am 16.04.2018 als Redner im Zentrum der IB Halle aufgetreten war.

Uwe Nolte bei IB Halle 16.04.2018

13.05.2018 Veteranenlesung Kahla Normannia, rechts Uwe Nolte

Am 01.09.2018 fanden in Chemnitz mehrere extrem rechte Versammlungen statt, an denen auch Nazis aus Jena und Kahla teilnahmen. Auch Oertel besuchte erneut an der Seite seiner Kahlaer Kameraden Hendrik Radtke, Danny Ludwig, Patrick Nitsch und David Buresch die Demonstration von “Pro Chemnitz”, PEGIDA und den “Trauermarsch” der AfD.

Ralph Oertel (1.v.r.) neben Hendrik Radtke (3.v.l.) und Denny Ludwig (1.v.l.) am 01.09.2018 in Chemnitz

David Buresch und Hendrik Radtke (rechts) am 01.09.2018 in Chemnitz

David Buresch und Patrick Nitsch (rechts) am 01.09.2018 in Chemnitz

Aus der Demonstration heraus kam es zu Angriffen auf Gegendemonstrierende und Journalist*innen. Oertels Kahlaer Begleiter sind mitnichten Unbekannte: 2016 trat Danny Ludwig als Mitglied der “Anti-Antifa-Ostthüringen” auf, der auch Felix Reck, Max Warstat und Sebastian Hoffmann angehörten
(https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2016/07/14/rock-gegen-ueberfremdung-saalfelder-messerstecher-organisiert-openair-konzert-mit-kriminellen-neonazis/).
Denselben Namen gab sich Mitte der Neunziger jene Nazistruktur, aus der der THS hervorging. David Buresch ist ein Freund von Ralf Wohlleben und hielt mit ihm nach dessen Verhaftung Briefkontakt. Buresch wurde außerdem bereits für einen geplanten Sprengstoffanschlag auf einen Bus in Saalfeld verurteilt (https://thueringenrechtsaussen.wordpress.com/2014/05/24/david-buresch-kahla-npd/) Patrick Nitsch wiederum ist für den Brandanschlag auf den Kahlaer Demokratieladen zu drei Jahren Haft verurteilt worden, die er derzeit absitzt.

In Chemnitz trat für alle sichtbar der breite Schulterschluss von parlamentarisch organisierter extremer Rechter, intellektueller nationalistischer Burschenschaft und militanter Kameradschaftsszene zu Tage. Ralph Oertel verkörperte an diesem Tag mit seiner militanten Kahlaer Reisegruppe genau dies buchstäblich.

Doch auch seine Einbindung in interne Strukturen der Identitären wurden 2018 sichtbarer: Am 1. Dezember 2018 veranstalteten die Identitären in Halle einen “Patriotischen Weihnachtsmarkt” im Hof ihres mit Unterstützung von „EinProzent“ und der AfD aufgebauten Hausprojekts in der Adam-Kuckhoff-Straße. Die Vorbereitungen für den Markt unterstützte Ralph Oertel, indem er in seinem Auto mit Thorsten Goerke zusammen Materialien aus verschiedenen Orten in Halle zum IB-Haus fuhr. Thorsten Goerke stammt selber aus dem Milieu des NS-Rocks in Magdeburg, war zeitweise in Halle als Burschenschafter und NPDler aktiv und wohnt nach einer Zwischenstation nahe Wismar nun wieder in Halle. Er fungierte in Mecklenburg als Bindeglied zwischen IB und AfD (https://www.endstation-rechts.de/news/afd-plakatierung-mit-unterstuetzung-der-identitaeren-bewegung.html. Ob es auch schon 2016 Goerke war, der die Normannia nach Mecklenburg-Vorpommern zur Unterstützung der AfD einlud, lässt sich nicht belegen. Die beim IB-Weihnachtsmarkt zutage getretene Zusammenarbeit von Oertel und Goerke legt dies allerdings nahe.

Frühjahr 2019: Angestrebte Auflösung der Normannia und erneut Kapke bei Wehrmachtslesung

Die Führungsköpfe der Normannia schienen im Frühjahr 2019 die Auflösung der Burschenschaft angestrebt zu haben, wie aus einer antifaschistischen Veröffentlichung hervorging (de.indymedia.org/node/29238). Ob es zu diesem Schritt noch kam, nachdem das angesetzte Treffen veröffentlicht worden war, ist bislang unbekannt. Trotzdem fand am 11.05.2019 in ihren Kahlaer Räumlichkeiten erneut eine Lesung mit einem Wehrmachtsveteran, Gerd Schultze-Rhonhof, der im zweiten Weltkrieg Generalmajor war, statt. Wie sein zeitgleich zwischen Burg 19 und Dartladen geparkter VW-Bus (blau, Kennzeichen: AP — EZ- 85) und später folgender Instagram-Post belegten, nahm wiederum der mutmaßliche NSU-Unterstützer und Freund von Oertel, André Kapke, an der Lesung teil. Der an dem Tag geladene Referent und Burschenschafter Rhonhof hat eine lange Karriere in der extremen Rechten und veröffentlicht mittlerweile zusammen mit Kubitschek Bücher in dessen Antaios-Verlag (https://bkramer.noblogs.org/gerd-schultze-rhonhof/).

Oertel in Jena

Ralph Oertel wohnt in der Stauffenbergstraße 21 in Jena Lobeda-West, auf der Rückseite des Kauflands. In der Stauffenbergstraße parkt meistens auch sein Auto, ein weißer Mercedes Vito, Kennzeichen J-OB-276. Unter seiner Wohnadresse ist er auch als Tätowierer registriert: http://tattooro.de/impressum-datenschutz/. Wieviel seiner Tätigkeiten als Referent in Österreich, Grafiker für Antaios und Tätowierer in seiner Küche er dem Finanzamt meldet, müssen andere klären. Oertel ist seit mehr als einem Jahrzehnt aktiver Kampfsportler beim Jiu-Jitsu des Unisportvereins USV Jena.

Resümee

Ralph Oertel hat eine sehr geradlinige und mittlerweile über zwanzigjährige Biographie als organisierter Neonazi. Genauso lange ist er nun schon mit dem mutmaßlichen NSU-Unterstützer André Kapke befreundet, trifft diesen auf Wehrmachts- und SS-Veteranenlesungen seiner Normannia und teilt mit ihm weiterhin die faschistische Ideologie. Als Jugendlicher noch mit Kahlrasur neben Tino Brandt und Ralf Wohlleben bei NPD-Aktionen in Jena, demonstrierte er zuletzt im Dezember 2017 dem NSU-Helfer Wohlleben die Treue. Die von ihm gleichsam angestrebte Auflösung der Normannia und sein Einstieg bei der Identitären Bewegung ist keinesfalls als Bruch oder Abkehr von der NS-Ideologie einzuordnen. Die Ziele, die heute von der Identitären Bewegung verfolgt werden, nämlich völkischer Rassismus und der Kampf gegen alles, was sie als “links” ausmachen, waren schon in den 1990ern die zentralen Motive des Thüringer Heimatschutzes. Mit den Identitären und ihren Netzwerken rund um das IfS von Götz Kubitschek, „EinProzent“ und den „Jungeuropa Verlag“ von Philipp Stein und den Verbindungsleuten zur AfD bzw. FPÖ haben sich für Oertels unveränderte NS-Ideologie völlig neue Räume erschlossen. Das Konzept der Burschenschaft und die Verdrängung der Normannia aus der Universitätsstadt Jena ins provinzielle Kahla bieten weit weniger Reichweite und Mobilisierungsfähigkeit als die Nazi-Hipster der IB und ihre völkischen Netzwerke. Gleichzeitig kann Oertel vermutlich auch einen Teil seines Einkommens über diese Kreise generieren. Die Gewaltbereitschaft seiner Kreise hat seit den 1990ern niemals abgenommen, wie sich an seinem Kameradenkreis an Kahlaer Kampfsportlern und Brandstiftern genauso zeigt, wie an den Normannia-Mitgliedern, die aus ihrer Feier heraus aus rassistischen Gründen Jugendliche angreifen.

Ralph Oertels Aktivismus ist ein Brückenschlag vom NSU-Umfeld zu den Identitären und der restlichen sog. Neuen Rechten.