Als der damalige Pfarrer Matthias Schubert für eine SPIEGEL-Reportage 2018 auf den Nazi-Aktivismus seiner Diakonie-Mitarbeiterin Katja Bütow angesprochen wurde, wiegelte er ab: „Sie hat sich distanziert von der rechten Szene, sie ist nicht mehr aktiv, das war ihr alles sehr unangenehm.“ Die Distanzierung von der rechten Szene war schon damals eine Lüge. Fünf Jahre später lässt sich resümieren: Katja Bütow, die ein Hakenkreuz auf die Schulter tätowiert trägt, kann auf mindestens 15 Jahre Aktivismus in militanten rechten Strukturen zurückblicken. Sie engagierte sich für die NPD und später für den III. Weg. Außerdem betrieb sie Spendensammlungen für den NSU-Helfer Ralf Wohlleben. Was bisher nirgends Erwähnung fand: Ihr Kleingarten an der Saale dient für völkische Fackelrituale und Liederabende mit dem Blood&Honour-Musiker Tobias Winter. Im Herbst 2022 beteiligte sie sich mit ihrem jugendlichen Sohn an einem AfD-Aufmarsch in Erfurt und im Februar 2023 marschierte sie an der Seite ihres Mannes Marcel Bütow mit schwarzer Flagge im bundesweiten Großaufmarsch der Naziszene durch Dresden. Zeit für einen erneuten Blick nach Kahla.
Wohlleben-Solidarität, NPD, III. Weg, Rechtsrock
Katja Bütow betrieb zusammen mit der Kameradschaft „Freies Netz (FN) Kahla“ die Solidaritätskampagne für den Ende 2011 inhaftierten NSU-Helfer Ralf Wohlleben. In diesem Rahmen verkauften Bütow und KameradInnen 2012 und 2013 auf dem Rechtsrockfestival „Rock für Deutschland“ in Gera Bratwürste. Außerdem organisierte die Gruppe zusammen mit dem „Freien Netz Saalfeld“ im Juni 2013 das von Wohlleben ursprünglich gegründete Rechtsrockfestival „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Kahla. Die Veranstaltung diente primär der Spendensammlung für Wohlleben. Bei allen drei Veranstaltungen stand Katja Bütow hinter der improvisierten Theke des Solidaritätsstandes und war zudem in Kahla Ordnerin.
Im September 2013 war Bütow eine der wenigen TeilnehmerInnen der NPD-Wahlkampfkundgebung 2013 in Jena-Lobeda. Hier waren neben dem Hetzredner Udo Pastörs aus Schwerin vor allem NPD-Kader aus Erfurt und Eisenach angereist. Im Folgejahr kandidierte ihr Mann Marcel Bütow für die NPD bei der Stadtratswahl in Kahla. Im Jahr 2016 trat Bütow als Aktivistin der militanten Splitterpartei „Der III. Weg“ auf. Sie verteilte Flugblätter und unterstützte die Partei bei einem Infostand in Gera. Im III. Weg hatten sich zwischenzeitlich ihre früheren KameradInnen vom FN Kahla organisiert, namentlich Franzy Schulz, Robert Köcher und Nico Metze. Auch die bundesweiten Solidaritätsstrukturen für die NSU-Helfer waren zu jener Zeit im III. Weg verwurzelt.
Im Juli 2017 fuhren Katja und Marcel Bütow mit einer Kahlaer Reisegruppe zum Rechtsrockfestival nach Themar. Zu ihren BegleiterInnen zählte u.a. Franzy Schulz, die in ihrer Parteijacke vom III. Weg erschien. Katja Bütow gab sich mit Sonnenbrille, Kapuze und Schal sichtlich Mühe, unerkannt zu bleiben.
Kleingarten als Nazitreff
Die Bütows haben einen Garten an der Saale, unterhalb des Dohlensteins. Hier bieten sie nicht nur unpolitischen Treffen mit FreundInnen Raum, sondern auch explizit neonazistischen Veranstaltungen. Der Garten liegt am Ende der Straße Am Anger hinter einem Firmengelände. Es gibt keine Nachbar*innen, nur der Saale-Radweg führt unmittelbar am Tor vorbei. Im Oktober 2018 lud der III. Weg Ostthüringen zu einem „Erntedankfest“ nach Kahla ein. Die Neonazis aus Erfurt, Kahla und Gera versammelten sich in Parteikleidung im Garten der Bütows, wo sie herzlich mit Speis und Trank empfangen wurden. Nico Metze hielt eine Rede vor versammelter Runde. Aus Gera kam René Schaller, der im Netz für Solidarität für den NSU-Helfer André Eminger warb und in Bütows Garten ein Shirt der „Gefangenenhilfe“ trug (siehe rechtes Titelbild 1.v.l.), die Wohlleben und Eminger unterstützte. Zur Sommersonnenwende 2019 versammelten sich ca. 30 Nazis mitsamt ihrer Kinder in Bütows Garten um die Feuerstelle, um die herum brennende Runen staffiert wurden. Dabei wurde auch eine sog. Sieg-Rune aufgestellt, die im Nationalsozialismus von Hitlerjugend und SS als Abzeichen genutzt wurde. Unter den anwesenden Nazis waren Mitorganisator*innen der Thügida-Aufmärsche und Sebastian Dahl, der damals noch der Nazi-Gruppierung „Turonen“ angehörte, die gleichzeitig zur organisierten Kriminalität zählte.
In ähnlicher Konstellation wiederholt sich dieses Ritual jährlich. So spielte auch am 21.6.2022 Tobias Winter alias „Bienenmann“ in Bütows Garten am Feuer. Winter ist Aktivist des in Deutschland verbotenen Netzwerks „Blood & Honour“, auf dessen Konzerten im Ausland er regelmäßig auftritt. Er spielte in den vergangenen Jahren in England, Schweden, Ungarn und Bulgarien auf Veranstaltungen des militanten Netzwerks. In Deutschland spielte „Blood & Honour“ vor allem in Sachsen eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung des NSU-Trios im Untergrund. Winter wirbt auch aktuell fleißig im Netz für die Unterstützung des zur Reststrafe in Sachsen-Anhalt inhaftierten Ralf Wohlleben.
Die nächste Generation Bütows steht in den Startlöchern
Marcel Bütow trägt gern Shirts der unter Neonazis legendären Rechtsrockband „Skrewdriver“, deren Sänger Ian Stuart Donaldson auch das bis heute existierende militante Netzwerk „Blood & Honour“ mitgründete. Schon das Autokennzeichen der Bütows dürfte mit SHK-IS-888 auf die Anfangsbuchstaben von Ian Stuart verweisen. Den ansonsten im Saale-Holzland selten anzutreffenden britischen Vornamen Ian gaben die Bütows ihrem heute 17-jährigen Sohn. Der begann im Herbst 2022 mit ersten Teilnahmen an rechten Aufmärschen: Am 21.9.2022 lief Ian Bütow zusammen mit seiner Mutter Katja, dem früheren Identitären-Aktivisten und heutigem Gastautor von rechten Publikationen „Compact“, „Blaue Narzisse“ oder „Junge Freiheit“, Marcel Waschek, sowie dem langjährigen Neonazi-Kader Ralph Oertel bei einer AfD-Demo in Erfurt mit. Ian Bütow trug dabei eine Jacke der Neonazimarke „Thor Steinar“. Eine knappe Woche später nahm er zusammen mit seiner Schwester Sophie an der Kahlaer Montagsdemo teil – bekleidet mit einem Pullover mit rassistischer Hetze gegen Geflüchtete, der nur in einschlägigen Neonaziläden oder -Versandhäusern erhältlich ist. Ians Kumpel Benny Franke trug einen ebenso einschlägigen Pullover mit dem Aufdruck „Sonnenstudio 88“. Im Sommer 2023 postierten sich mehrere augenscheinlich junge Neonazis mit einer Flagge mit schwarzer Sonne und Pullovern von „Landser“ vor einem antifaschistischen Gegenprotest gegen einen AfD-Infostand in Kahla. Hierbei ist von einer Beteiligung dieser jungen Neonazis auszugehen. Und im Netz feiert Ian Bütow die aufgrund ihrer aggressiven antisemitischen und rassistischen Texte als kriminelle Vereinigung zerschlagene Rechtsrockband „Landser“.
Hakenkreuz und Pflegedienstleitung in der Diakonie
Auf Katja Bütows „Doppelleben“ wurde bereits 2014 in einer ausführlichen Veröffentlichung hingewiesen. Als der SPIEGEL 2018 den damaligen Kahlaer Pfarrer Matthias Schubert auf seine Mitarbeiterin Katja Bütow ansprach, sagte er: Sie hat sich distanziert von der rechten Szene, sie ist nicht mehr aktiv, das war ihr alles sehr unangenehm. Natürlich kann ich niemandem ins Herz gucken. Aber ich habe auch keine arbeitsrechtliche Handhabe, solange sie ihren Job gut macht. In diesem Fall reicht ein Blick auf ihre Schulter: Bütow trägt dort ein Hakenkreuz tätowiert. Auf ihrem Dienstfoto scheint zudem ein weiteres Tattoo aus dem Kragen, was sie auf dem Brustkorb trägt: „Die Halben hol‘ der Teufel“ – ein Zitat der Figur eines fanatischen Flakhelfers aus dem Roman „Die Abenteuer des Werner Holt“. In Gänze lautet das Zitat: „Die Halben hol‘ der Teufel! Wir stehen zum Führer!“. Nur wenige Monate nach Schuberts Erklärung zu Bütows „Szeneausstieg“ veranstalteten die Bütows das Erntedankfest vom III. Weg in ihrem Kleingarten an der Saale.
Nun wäre eine Neonazi-Biographie an sich für die Ostthüringer Kleinstadt Kahla keinen eigenen Text wert. Anhand langjähriger Recherchen kann festgehalten werden, dass von den über 6000 Einwohner*innen Kahlas in den letzten zehn Jahren bereits ca. 80 Personen an Neonaziveranstaltungen teilnahmen, Kleidung oder Rechtsrock bei einschlägigen Versänden bestellten oder im Netz NS-Ideologie verbreiteten. Katja Bütow tut sich dabei jedoch seit Jahren als eine gut vernetzte Anführerin der Szene hervor, die Gelder beschafft oder Räume für Veranstaltungen stellt. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass die evangelische Kirche als oberste Dienstherrin von Katja Bütow deren Stellung in der Diakonie-Sozialstation überdenkt. Im Leitbild der Diakonie Mitteldeutschland heißt es u.a.: „Wir beziehen klare Position für Demokratie und Vielfalt in der Gesellschaft. Wir setzen uns für die Akzeptanz jedes Menschen ein und arbeiten Diskriminierung entgegen.“ Die derzeitige Kahlaer Pfarrerin wurde im August zusammen mit dem für Kahla zuständigen Kirchenkreis Eisenberg und dem Regionalbischof ausführlich über Katja Bütows langjährige Neonazi-Aktivitäten informiert. In einer Mail an unser Portal teilte die Kirche mit, dass sie Kenntnis dieser Aktivitäten habe, und derlei Ideologie und Taten „deutlich verurteilen“. Zum Fortbestand oder der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wollte sich die Kirche uns gegenüber nicht äußern.
Bütow ist dabei nicht mal die einzige bekannte Rechte in der Diakonie: Ihre Kollegin Evelyn Kruppe zählt ebenso zur rechten Szene. Sie organisierte die ersten Kahlaer Montagsdemos unter Beteiligung der Naziszene mit und ist mit dem Mitgründer des Thüringer Heimatschutzes, Maximilian Lemke, und mit Franzy Schulz gut befreundet. Lemke tritt als „Liedermacher Max“ und Schulz als „Varghona“ auf Neonazi-Konzerten auf. Darunter waren auch Konzerte bei dem militanten Netzwerk „Blood & Honour“ und bei dem ebenso militanten und jüngst verbotenen Netzwerk der „Hammerskins“.
Die anhaltende Einbindung von Katja Bütow in der rechten Szene festzustellen, ist gerade in einer Kleinstadt wie Kahla kein Kunststück. Angesichts des Mangels an Arbeitskräften im Pflegebereich ist es durchaus nachzuvollziehen, dass die Diakonie ihre Dienste nicht durch Arbeitskräfteabbau gefährden will. Aber wie viel ist gewonnen, wenn man wider besseren Wissens einer gut organisierten und ideologischen Faschistin, die sich für den NSU-Mordhelfer Wohlleben stark machte und Aktivisten von „Blood & Honour“ eine Bühne bietet, eine weiße Weste attestiert? Ganz davon abgesehen, dass in den Händen einer Katja Bütow persönliche Daten der Klient*innen und vor allem die Klient*innen selbst alles andere als gut aufgehoben sind. Wo Katja Bütow 2023 steht, bewies sie erst im Februar, als sie an der Seite ihres Mannes mit schwarzer Fahne im bundesweit größten jährlichen Neonaziaufmarsch durch Dresden marschierte.