In Eisenberg eröffnet kommenden Samstag (10.12.2022) das Tattoostudio „Königsblut“ im Steinweg 21 im Stadtzentrum. Hinter der Neueröffnung steht der bundesweit bekannte Neonazi David Köckert, der bereits in Zeulenroda ein Tattoostudio betreibt. Köckerts politische Biographie begann im Umfeld des Thüringer Heimatschutzes zur Entstehungszeit des NSU und setzt sich bis in die Gegenwart fort. Er betrieb schon vor zwanzig Jahren einen Neonaziladen im Vogtland und führte eine Kameradschaft an, die für Brandanschläge auf Geflüchtete verantwortlich war. In den letzten zehn Jahren machte sich Köckert als Anführer der rassistischen Aufmarschserie „Thügida“ einen Namen. 2018 kam Köckert in Haft, weil er einen seiner Mitarbeiter verprügelte und Neonazis zu Angriffen und Brandanschlägen gegen einen Tattoo-Konkurrenten angestiftet haben soll. Mit der Eröffnung eines zweiten Standbeins in Eisenberg wird der Neonazi seine Geschäfte mit nationalsozialistischer Symbolik und seine militanten Netzwerke auf den Saale-Holzland-Kreis ausweiten.
1990er: Köckert im Umfeld von Blood&Honour
David Köckert wurde 1979 in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) geboren und wuchs in den Neunziger Jahren im ostthüringischen Greiz auf. Er machte seine Lehre in Altenburg und lernte über dortige Kontakte Kader des Thüringer Heimatschutzes kennen. Im Januar 1998 marschierte Köckert beim rechten Großaufmarsch in Dresden mit, wo auch das spätere NSU-Trio vier Wochen vor seinem Untertauchen das letzte Mal öffentlich auftrat. 1999 beteiligte sich Köckert an einem Aufmarsch von NPD und Thüringer Heimatschutz in Gera. Dabei trug er ein T-Shirt mit dem Namen „Ian Stuart Donaldson“. Donaldson war Frontmann der Rechtsrockband „Skrewdriver“ und Gründer des militanten Netzwerks „Blood & Honour“. Köckert selber stand zu jener Zeit mit dem Anführer von „Blood & Honour Thüringen“, Marcel Degner aus Gera in Kontakt. Degners Gruppe organisierte für den NSU Spendengelder aus Konzerteinnahmen.
In Greiz baute Köckert die Kameradschaft „Braune Teufel“ auf. Ab 2001 ist er als Organisator von Rechtsrockkonzerten im thüringischen Vogtland bekannt. Zu dieser Zeit warfen Neonazis aus den Kreisen der „Braunen Teufel“ Molotow-Cocktails auf ein Geflüchtetenheim. Köckert betrieb den Szeneladen „Ragnarök“ in Reichenbach, der 2003 von der Polizei durchsucht wurde. Die Polizei fand dabei verschiedenste verbotene Tonträger und Gegenstände, darunter eine Hitlerbüste. Köckert hatte zu dieser Zeit eine Bewährungsstrafe von drei Jahren, weil er u.a. mit seiner Kameradschaft zuvor ein Video voller Nazisymbolik und Hitlergrüße veröffentlicht hatte. Mit seinem Laden zog Köckert in der Folge ins ebenfalls im Vogtland gelegene Mylau um, wo er ihn bis Ende der 2000er Jahre betrieb.
2010er: Rassistische Hetze und NS-Verherrlichung in Vollzeit
Als 2013 im sächsischen Schneeberg der NPD-Kader Stefan Hartung (heute „Freie Sachsen“) zeitweise großen Erfolg mit rassistischen Fackelmärschen gegen Geflüchtete hatte, begann auch David Köckert in Greiz ähnliche Aufmärsche abzuhalten. Ab 2015 tat Köckert sich als Landesorganisationsleiter der NPD hervor. Er organisierte eine Vielzahl an Kundgebungen und begann, offen gegen die bisherige NPD-Landesführung aus Eisenach aufzubegehren. Mitte 2016 zog sich Köckert dann schon wieder aus dem NPD-Landesverband zurück und konzentrierte all seine Zeit auf wöchentliche Thügida-Aufmärsche in Thüringen und Sachsen. Unter Inkaufnahme seiner Firmeninsolvenz und verschiedenster Strafverfahren wegen Volksverhetzung setzte Köckert diesen Aktivismus bis 2018 fort.
Seit 2018: Gewalt gegen Tattoo-Konkurrenten und Untersuchungshaft
David Köckert betrieb 2017 noch ein Tattoostudio in Kirchberg. Im Streit über Köckerts Anteil an den Profiten trennte sich Köckerts Geschäftspartner vom gemeinsamen Geschäft und eröffnete gegen dessen Willen einen eigenen Laden in Köckerts ehemaligem Wohnort Mylau. Nachdem sich der ehemalige Partner damit gegenüber Köckerts Drohungen unbeeindruckt zeigte, zeigte sich Köckerts massives Gewaltpotenzial. Laut Aussage eines früheren Shopmanagers soll Köckert die beiden Neonazis Felix Staps (Gera) und René Wolfram (Cronschwitz) gegen Bezahlung zu Einschüchterungsaktionen angestiftet haben.
Die Planungen dafür fanden auch im Tattoostudio Königsblut in Zeulenroda statt, in das Köckert zwischenzeitlich eingestiegen war. Erst wurden im März 2018 die Scheiben des Mylauer Studios eingeschlagen. Im Juni wurde dann der Transporter des Inhabers in Brand gesetzt. Als dritten Schlag sollten einem der Mitarbeiter die Finger gebrochen werden.
Diese beiden Angriffe fanden jedoch nicht mehr statt. Köckert bezichtigte im September 2018 seinen Shopmanager, im Zeulenrodaer Tattoostudio Drogen verkauft zu haben und verprügelte ihn im Beisein René Wolframs mit einem Schlagring. Außerdem nahm Köckert das Handy seines Mitarbeiters an sich und löschte so gut wie alle Daten. In der Folge ging der Angegriffene zur Polizei und machte umfassende Aussagen gegen Köckert, Wolfram und Staps. Im Oktober 2018 kam es zu Durchsuchungen bei Köckert und er landete in Untersuchungshaft. Als dieser Beschluss zwischenzeitlich aufgehoben wurde, versuchte Köckert umgehend, mögliche Zeug*innen einzuschüchtern. Dadurch wurde aufs Neue Untersuchungshaft angeordnet. Im Februar 2019 wurden Köckerts Räumlichkeiten ein weiteres Mal durchsucht. Dieses Mal wurde ihm vorgeworfen, mit seinen Thügida-Kameraden Alexander Kurth aus Leipzig und Jens Wilke aus Göttingen eine bewaffnete Gruppe gegründet zu haben. Diese Ermittlungen wurden jedoch eingestellt. Im Mai 2019 wurden Köckert und René Wolfram wegen gefährlicher Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt. Köckert kam auf freien Fuß, während Wolfram wegen eines Raubüberfalls auf einen Pizzaboten in Untersuchungshaft blieb. Der Brandanschlag auf den Transporter von Köckert ehemaligem Geschäftspartner wurde Anfang 2021 verhandelt. Trotz der umfassenden Aussagen von Köckerts früherem Shopmanager, demgegenüber sich Köckerts Mitangeklagte Wolfram und Staps zu dem Brandanschlag bekannt hatten, wurden alle wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.
Geschäftsmodell NS-Symbolik und Vernetzung in Rechtsrockszene
Wenngleich David Köckert nach dem Ende der Thügida-Kampagne 2018 und den Haftaufenthalten 2018-2019 öffentlich seltener wahrzunehmen war, kann bei Weitem nicht von politischer Inaktivität gesprochen werden. Sein Markenkern als Tätowierer sind nationalsozialistische Symboliken. Er selber trägt u.a. Hitlers Geburtstag auf den Fingern, den Schriftzug „Antisemit“ auf dem Nasenflügel, „Rassist“ auf dem Hals, „Liebe deine Rasse“ auf dem Hinterkopf und ein Hakenkreuz auf dem Handgelenk tätowiert. Genau diese Art von Tattoos bewirbt er auch auf der Seite von Königsblut. Dasselbe gilt für die „Tattoohetzer“-Kleidung, die er vertreibt. Es geht hier einzig darum, ohne Umschweife NS-Symboliken abzubilden und zu Geld zu machen. Köckert ist jedoch auch über seine AnhängerInnenschaft im Vogtland hinaus in der Naziszene weiterhin gut vernetzt. Im Juli 2020 spielte das neonazistische Liedermacher-Duo „Zeitnah“ aus dem Raum Gotha, bestehend aus Dominik Walter und Tommy Brandau, im Königsblut-Studio. Dominik Walter trat gleich im Oktober 2020 ein weiteres Mal bei Köckert auf. Der bundesweit bekannteste Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke, selbst im Vogtland wohnhaft, verkehrt genauso in Köckerts Zeulenrodaer Studio. Rennicke soll noch mehr als die Ideologie mit Köckert verbunden haben: Laut Aussagen von Köckerts ehemaligem Mitarbeiter soll Köckert versucht haben, ihn und René Wolfram im Auftrag von Frank Rennicke zu einem Raubüberfall auf einen Versicherungsmakler in Baden-Württemberg anzustiften. Rennicke wollte an diesem Rache nehmen. Und als im Herbst 2022 der ehemalige „Landser“-Frontmann Michael Regener alias „Lunikoff“ in Berlin ein Jubiläum feierte, reiste auch David Köckert aus Ostthüringen an.
Zuletzt trat David Köckert am 13.11.2022 in Erscheinung, als die Polizei ein unangemeldetes Neonazi-Konzert in Gera auflöste. Nach dem Gedenken zum Volkstrauertag auf dem Geraer Ostfriedhof hatten die Neonazis sich für Auftritte von Frank Rennicke und Robert Stange alias „Julmond“ im historischen Bahnbetriebswerk eingemietet. Als die Polizei das Konzert unterbrach, hielten David Köckert und der Hallenser Neonazi Sven Liebich im Saal Protestreden.
Köckerts Verbindungen nach Eisenberg
In Zeiten von Thügida war Eisenberg für David Köckert einer der wichtigsten Pfeiler der rassistischen Aufmarschserie. Hier gründete sich die Lokalgruppe „Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“, die 2015/2016 zahlreiche Organisationstreffen, Kundgebungen und Aufmärsche in Eisenberg und Umgebung abhielt. Federführend waren dabei der rechte Schläger Martin Brehme, die Wohlleben-Vertraute Jacqueline Teichert (Hermsdorf) und der Eisenberger Thomas Kratsch. Auch Nico Ebbinghaus gehörte dazu, der dem NSU-Helfer Ralf Wohlleben 1998 sein Handy zur Verfügung stellte, damit dieser an Abhöreinrichtungen vorbei mit dem untergetauchten NSU-Kerntrio telefonieren konnte. Ebbinghaus nahm an Thügida-Aufmärschen in Eisenberg und Jena teil. Ebbinghaus ist heute regelmäßig im viertnamesischen Restaurant anzutreffen, das bis 2015 im Eisenberger Steinweg 21 war und danach ein paar Meter in Richtung Markt umzog.
Für die Eröffnung von Köckerts neuem Tattoostudio dieses Jahr scheinen diese alten Kontakte jedoch keine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Zwischenzeitlich hat Köckert neue Kontakte in die Eisenberger Naziszene geknüpft. Ab dem Frühjahr 2021 kam der Eisenberger Neonazi Maik Querengässer als Lehrling in Köckerts „Königsblut“-Tattoostudio nach Zeulenroda.
Querengässer hatte sich im selben Jahr der Neonazi-Splitterpartei „Neue Stärke“ angeschlossen und war für die Neonazis auch bei einer Kundgebung in Gera am 11.12.2021 als Redner aufgetreten. Auch beim gescheiterten Versuch eines Aufmarschs in Gera am 26.3.2022 war Querengässer in Parteikleidung beteiligt. Passend zu Köckert und Königsblut Tattoo trägt Querengässer den Schriftzug „2yt4u“ auf der Stirn – das Kürzel für „Too white for you“ (dt. „zu weiß für dich“).
André Machill – ein westfälischer Neonazi als Köckerts Mann in Eisenberg
Im Laufe des Jahres 2022 erschien unter dem Pseudonym „Farbschmiede Tattoo“ immer wieder André Machill aus dem nordrhein-westfälischen Lünen bei Königsblut in Zeulenroda. Machill betrieb selber lange das „Farbschmiede“ Tattoostudio in Lünen. Antifaschist*innen ist er jedoch vor allem als ein seit mindestens 2010 überregional aktiver Neonazi bekannt, der bundesweit Aufmärsche besucht. Mit Beginn der Corona-Pandemie trat Machill zudem als Organisator von Pandemieleugner*innen-Aktionen in Erscheinung. Machill kündigte dieses Jahr an, sein eigenes Studio zu schließen und zunehmend in Ostthüringen für Tätowier-Aufträge zur Verfügung zu stehen. Erst Mitte November kamen David Köckert und André Machill gemeinsam für die Renovierung des neuen Studios im Steinweg nach Eisenberg. Machill warb zuletzt auch im Netz für Tattootermine in Eisenberg ab Mitte Dezember. Köckert scheint nicht Machills einziger Neonazikontakt in Thüringen zu sein. Am 1. Mai 2022 in Erfurt beteiligte sich Machill mit seinem Dortmunder Neonazi-Kameraden Christian Heidel an einem Aufmarsch der „Neuen Stärke“ in Erfurt.
Die beiden liefen zusammen mit Michel Schäfer aus Meiningen und waren beide im Gespräch mit Schäfer zu sehen. Schäfer zählte schon Ende der 1990er als festes Mitglied zu „Blood & Honour Thüringen“. Die Gruppe unterstützte das untergetauchte NSU-Kerntrio zu jener Zeit mit Geldspenden aus Konzerteinnahmen und war eng mit den sächsischen HelferInnen des Terrortrios vernetzt. Auch nach dem Verbot des militanten bundesweiten Netzwerks im Jahr 2000 blieb Schäfer der Organisation im Untergrund treu. Zusammen mit Ronny Linke und Denis Kühne aus Weimar und Sven W. aus Arnstadt organisierte Schäfer bis Mitte der 2000er regelmäßig Konzerte und klandestine Treffen mit Kameraden aus Thüringen und Franken. Dafür nutzte er auch seine Privatwohnung. Schäfer war lange Jahre öffentlich inaktiv.
Was Eisenberg erwartet: NS-Kommerz in bester Lage, Neonazi-Konzerte und brutale Gewalt gegen Konkurrenz und politische Gegner*innen
Eisenberg hat sich schon in der Vergangenheit nicht unbedingt bemüht gezeigt, es Nazis in der Stadt ungemütlich zu machen. Stadtverwaltung und Landratsamt des Saale-Holzland-Kreises haben den Aufmärschen von Köckert und KameradInnen kaum Steine in den Weg gelegt, geschweige denn sich mit Gegenprotest solidarisiert. Dass die Neonazis mit ihren seit 2015 begonnenen Fackelmärschen nicht direkt vor die damals überbelegte Erstaufnahmestelle für Geflüchtete ziehen konnten, war vor allem antirassistischem Gegenprotest zu verdanken. Eine der bekanntesten lokalen Firmen, der Eisenberger Gerüstbau, beschäftigt seit Langem bekannte Neonazis wie den brutalen Schläger und Thügida-Mitorganisator Martin Brehme. Zu deren 25-jährigen Firmenjubiläum erschienen 2016 Brehme und weitere Thügida-Aktivisten, die beim Gerüstbau arbeiten, genauso wie der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Albert Weiler und der CDU-Landtagsabgeordnete Mario Voigt. Im Jahr 2019 wurde das Eisenberger Stadtfest in „M*Fest“ (* rassistische Bezeichnung hier abgekürzt) umbenannt. Damit wird Bezug auf ein Eisenberger Märchen genommen, in dessen Mittelpunkt ein Schwarzer Sklave steht. Nach der Kritik von Seiten der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) und vieler weiterer Gruppen setzte die Stadt 2022 das Stadtfest unter demselben Namen fort. Kein Wunder, dass sich Martin Brehme und eine Gruppe Neonazis auf dem diesjährigen Stadtfest sehr wohl fühlten und nur auf der antirassistischen Gegenkundgebung nicht willkommen waren. Am Fest beteiligen sich vor allem die Gewerbetreibenden im zentral gelegenen Steinweg mit eigenen Ständen. Kommendes Jahr darf dann auch David Köckert mit seinen NS-Plattitüden seinen Beitrag leisten. Eisenberg steht aber gerade im Alltag eine weitere Verschärfung des Klimas im Stadtzentrum ins Haus. Das fängt mit Köckerts unzähligen NS-Motiven auf T-Shirts und Tattoos an, die von nun an das Schaufenster zieren könnten. Betroffene von Rassismus oder Antisemitismus dürften auf dem Weg zum Marktplatz neuerdings Umwege laufen, wenn sie sich nicht Beleidigungen oder Angriffen durch Köckert, André Machill oder deren Kundschaft aussetzen wollen. Dasselbe betrifft weitere Menschen, die von Neonazis zum Feindbild erklärt werden, darunter selbstredend auch bekennende Antifaschist*innen. Da Köckert auch immer wieder Rechtsrocker zu Gast hat, könnten sich speziell abends auch immer mal ganze Gruppen von Neonazis im Steinweg 21 treffen.
Um diese entstehende rechte Bedrohung zu bekämpfen, ist konsequentes antifaschistisches Handeln nötig. Dank der Antifaschistischen Initiative Saale-Holzland (AIS), die am Samstag ab 11 Uhr eine Kundgebung im Steinweg organisiert hat, wird die Eröffnung von Köckerts Studio nicht unwidersprochen bleiben. Damit die engagierten Antifaschist*innen aus dem Saale-Holzland-Kreis den Nazis nicht allein gegenüberstehen, ist jede Unterstützung und Öffentlichkeit aus anderen Städten wichtig.