Justizwunder Martin Brehme (Eisenberg): Rechter Schläger wegen Rechtsfehlern zwei Jahre früher zurück in der Szene

(v.l.n.r.) Martin Brehme, Sidney Sambale, Steffen Thiel beim Naziaufmarsch in Dresden am 13.02.2021 (Foto: Recherche Nord)

Wir hatten bereits 2018 in unserer Artikelreihe zu rechten Schlägern einen Text über Martin Brehme aus Eisenberg veröffentlicht, da er wiederholt durch brutale Angriffe aufgefallen war. Aufgrund einer Vielzahl von Körperverletzungen und anderen Delikten musste Brehme im Herbst 2017 eine Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten antreten, die er ohne vorzeitige Entlassung bis zum 28.11.2019 in der JVA Hohenleuben absaß. Bei seinem früheren Arbeitgeber, dem Eisenberger Gerüstbau, fand er umgehend wieder Arbeit. Gleichzeitig war er bald schon wieder mit Neonazi-Kadern und bei Aufmärschen zu sehen. Als im Februar 2020 seine Beteiligung an den Neonazi-Angriffen in Connewitz am 11.01.2016 verhandelt wurde, offenbarte sich, dass seine vorige Haftstrafe vom Amtsgericht Jena fehlerhaft berechnet worden war. Aufgrund dieses Fehlers konnte in Leipzig eine Bewährungsstrafe ausgesprochen werden. Hätte das Amtsgericht Jena im Jahr 2017 korrekt geurteilt, dann hätte Brehme zwangsläufig in der Connewitz-Verhandlung eine gut zweijährige Verlängerung seiner Haftstrafe bis Ende 2021 erhalten.

Aus dem Knast zurück in die Naziszene

Eines der ersten Bilder, die Martin Brehme nach seiner Haftentlassung postete, war von einem Treffen mit dem Ronneburger Neonazi Daniel Steinmüller. Steinmüller ist nicht nur langjähriger Neonaziaktivist und Hooligan aus dem Raum Gera, sondern auch Aktivist des rechtsterroristischen Combat18-Netzwerks, das Anfang 2020 in Deutschland verboten wurde (siehe EXIF-Recherche). Außerdem war Steinmüller auch bei Der III. Weg aktiv (siehe unsere Recherche). In einem Pullover der Apoldaer Rechtsrockband 12 Golden Years demonstrierte Brehme somit just drei Wochen nach Haftentlassung, wo er weitermachen will.

Martin Brehme (r.) und Combat 18-Aktivist Daniel Steinmüller drei Wochen nach Brehmes Haftentlassung am 18.12.2019.

Am 15.02.2020 beteiligte sich Brehme mit einer Ostthüringer Reisegruppe am neonazistischen Gedenkmarsch in Dresden. Hier lief mit, was bundesweit Rang und Namen in der Naziszene hat: Von NPD-Kadern über Rechtsrockunternehmer, militante Bruderschaften aus Brandenburg oder Sachsen, Kameradschaften und Gäste aus Frankreich und Ungarn. Nicht zu vergessen: mitten drin auch der Geraer AfD-Stadtrat Eike Voigtsberger. Martin Brehme war mit einem befreundeten Paar aus Eisenberg angereist, alle drei waren in der Vergangenheit bei der Thügida-Gliederung “Wir lieben Ostthüringen” aktiv. Zusammen mit Brehmes häufigem Begleiter aus Cronschwitz bei Gera, René Wolfram, liefen sie hinter dem Banner der Südthüringer Neonazistin Angela Schaller.

Naziaufmarsch Dresden 15.02.2020: hinten mittig Martin Brehme, inks davon Christian Klar (weiße Mütze) und René Wolfram, rechts das Thügida-Paar aus Eisenberg. (Foto: Recherchenetzwerk Berlin)

Auch am 13.02.2021 fuhr Brehme nach Dresden zum revisionistischen Gedenkmarsch nach Dresden. Dieses Mal begleiteten ihn Sidney Sambale aus Droyßig und der NPD-Politiker Steffen Thiel aus Zeitz. Gemeinsam mit Sambale fährt Martin Brehme schon seit ca. zehn Jahren bundesweit auf Aufmärsche, wobei beide lange den Stil der Autonomen Nationalisten mit Sonnebrille und Kapuze pflegten.

Fehler des Jenaer Amtsgerichts erspart Martin Brehme zwei weitere Jahre Haft

Am 26.02.2020 musste sich Martin Brehme wegen seiner Beteiligung an den Naziangriffen in Leipzig-Connewitz am 11.01.2016 verantworten. In diesem Termin ging es trotz der umfangreichen Anklageschrift mit bezifferten Sachschäden von über 100.000 € mindestens ebenso lange um Brehmes Vorstrafenregister wie um die Anklage selbst. Entsprechend der eingeübten Routine am Leipziger Amtsgericht gab es eine Absprache zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht, dass es im Gegenzug für ein Geständnis eine Bewährungsstrafe unter zwei Jahren geben würde. Das vom Verteidiger vorgetragene Geständnis lautete: “Der Anklagevorwurf ist zutreffend. Herr Brehme war dort anwesend. Er gibt seine Teilnahme zu.” Normalerweise erfordern Verfahrensabsprachen ein tatsächliches Geständnis der Angeklagten. Dass Brehme “dort anwesend war” belegt alleine seine Festnahme durch die Polizei inmitten der 208 Neonazi-Hooligans, von der es zudem öffentlich zugängliche Fotos gibt.

Martin Brehme nach der Festnahme am 11.01.2016 in der Auerbachstraße in Leipzig-Connewitz. (Foto: le1101.noblogs.org)

Da die Leipziger Amtsrichter*innen jedoch so einfach wie möglich die zahlreichen Connewitz-Akten vom Tisch haben wollen, wurde eine Choreografie einstudiert, die völlig unabhängig vom einzelnen Tatbeitrag oder den persönlichen Voraussetzungen allen faschistischen Angeklagten eine Bewährungsstrafe garantiert. Wie absurd das bisweilen anmutet, illustriert der Fall Brehme: Das Bundeszentralregister umfasste zum Zeitpunkt der Verhandlung 15 Einträge von den Amtsgerichten Stadtroda, Jena und Gera. Der Ende 1989 geborene Martin Brehme stand zwischen 2005 und 2018 wegen rund 15 Körperverletzungen, Diebstahl, Beleidigung, Verstoß gegen das Waffengesetz, Sachbeschädigung, Nötigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheit am Steuer vor Gericht. Er wurde zwischen 2009 und 2015 bereits viermal zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Haftstrafe erhielt er letztlich in einer Gesamtstrafenbildung vom Amtsgericht Jena. Hier wurden u.a. Angriffe verurteilt, bei denen Brehme zwei Menschen die Nase gebrochen, einem eine Platzwunde am Kiefer zugefügt und einen bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt hatte, sodass der Betroffene bis heute an Schmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten leidet. Der Leipziger Staatsanwalt machte jedoch auf ein pikantes Detail aufmerksam: Die Gesamtstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten, die das Amtsgericht Jena aus mehreren vorangegangenen Verurteilungen und einer neuen Anklage gebildet hatte, war zu kurz berechnet. Der Staatsanwalt dazu:

Hätte das Amtsgericht Jena am 25. Juli 2018 eine korrekte Gesamtstrafe gebildet, dann wären aus 2 Jahren, 8 Monaten und nochmal 8 Monaten nicht 2 Jahre und 2 Monate Gesamtstrafe geworden, sondern deutlich mehr. Dann wäre Ihre Haftstrafe jetzt noch nicht vollstreckt und es würde hier eigentlich nicht unter 2 Jahre geben.

Nur Strafen bis maximal zwei Jahre können zur Bewährung ausgesetzt werden. Ohne den Fehler des Jenaer Amtsgerichts hätte Brehme zum Zeitpunkt der Connewitz-Verhandlung noch in Haft gesessen. In dem Fall hätte das Amtsgericht Leipzig zwangsläufig eine Verlängerung der Haftstrafe beschließen müssen und keine Bewährung geben können. Der Richter kommentierte diesen Umstand in seiner Urteilsbegründung:

Sie haben Glück gehabt, dass da in Jena die Gesamtstrafenbildung schiefgegangen ist. Wäre das richtig gelaufen, dann wären das hier rund 4 Jahre geworden.

Ohne Justizfehler hätte Brehme eine Haftstrafe bis Ende 2021 absitzen müssen. Stattdessen ist er schon Ende November 2019 freigekommen und konnte gleich dort anknüpfen, wo er vor Haftantritt aufgehört hatte: In militanten Neonazinetzwerken.

Der Eisenberger Gerüstbau: Zuverlässiger Arbeitgeber für Nazis und Antisemiten

Martin Brehme nutzt seine Arbeit beim Gerüstbau für rassistische Propaganda. (Facebook 07.06.2020)

Martin Brehme ist gelernter Gerüstbauer und arbeitete bis zu seiner Haftstrafe bereits seit Jahren für den Eisenberger Gerüstbau. Unmittelbar nach seiner Haftentlassung Ende November 2019 konnte er dort wieder anfangen. Brehme ist als neonazistischer Aktivist beim Gerüstbau nicht alleine. Auf Bildern der 25-Jahre-Feier des Betriebs, zu der auch der Landrat des Saale-Holzland-Kreises und CDU-Landtagsabgeordnete kamen, saß Brehme in der ersten Reihe. Darauf hatten wir bereits in der ersten Veröffentlichung zu ihm hingewiesen. Was damals allerdings unrwähnt blieb: Neben Brehme saß ein weiterer Aktivist des Thügida-Ablegers Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis:

Martin Brehme und weiterer Thügida-Aktivist bei der 25-Jahre-Feier des Eisenberger Gerüstbaus am 03.06.2016.

Zu einem internen Treffen der Thügida-AktivistInnen genau zwei Monate zuvor kamen Brehme und sein Kamerad im selben Outfit:

Martin Brehme und sein Kollege vom Gerüstbau beim Vernetzungstreffen von Thügida am 03.04.2016.

Die Gruppe organisierte u.a. die Fackelmärsche in Jena anlässlich von Hitlers Geburtstag am 20.04., Rudolf Hess’ Todestag am 17.08. und der Reichspogromnacht am 09.11.2016. Einige maßgebliche AktivistInnen der Gruppe waren schon lange in der Naziszene aktiv, darunter Jacqueline Teichert aus Hermsdorf, die auf dem Gruppenbild vor Martin Brehme in der ersten Reihe steht (schwarze Jacke). Teichert ist eine Vertraute von NSU-Helfer Ralf Wohlleben und war mit ihm im Freien Netz Jena aktiv. Links neben Brehme steht auf dem Bild Markus Dettler (weiße Kapuzenjacke) aus Gera, der auf rechten Aktionen bereits die Fahnen der antisemitischen Europäischen Aktion oder der NS-Kleinstpartei Der III. Weg trug. Und auf dem Gruppenbild rechts neben Martin Brehme lehnt an der Wand Robert Köcher aus Kahla, der aus den Strukturen des Freien Netz Kahla kommt, dessen damalige Mitglieder in der Vergangenheit mehrfach als Brandtstifter aufgefallen sind und das für Solidaritätsaktionen für Ralf Wohlleben verantwortlich zeichnet.

Damit repräsentierten 2016 Brehme und sein Kameraden zwei Thügida-Aktivisten den Gerüstbau beim Jubiläum. Brehme nutzt darüber hinaus auch seine Arbeit auf dem Gerüst für neonazistische Propaganda. So trug er am Tag der Black Lives Matter-Demo in Jena, dem 25.06.2020, beim Gerüstaufbau gegenüber der Jenaer Stadtkirche ein T-Shirt mit der Aufschrift “Mord verjährt nicht”. Dieses Shirt kommt aus der Kampagne von Neonazis, die einen Verschwörungsmythos zu den Todesumständen von NS-Kriegsverbrecher Rudolf Hess verbreiten. Martin Brehme war selber am 19.08.2017 beim Rudolf-Hess-Marsch in Berlin mitgelaufen, wo diese T-Shirts am Lautsprecherwagen verkauft wurden. Auf Facebook zeigt er sich mit besagtem Shirt:

Martin Brehme im T-Shirt der neonazistischen Kampagne für den NS-Kriegsverbrecher Rudolf Hess. (Quelle: Facebook)

Die Unternehmensführung scheint privaten, wie auch im Dienst getätigten extrem rechten Gesinnungsbekundungen bisher gleichgültig und ignorant gegenüberzustehen. Somit ein Arbeitgeber, wie er Neonazis und Antisemiten gefällt.