Szene-Models, Kameradschafterinnen und rechte Geschäftsfrauen: Loco Artista Neueröffnung in Apolda

Zukünftiges Loco Artista Studio in der Käthe-Kollwitz-Str. 3 in Apolda (Foto: Rechercheportal Jena-SHK)

Was in Jena nicht gelang, soll nun in Apolda verwirklicht werden. Unter dem Namen Loco Artista gab es bereits bis 2018 ein von Neonazis betriebenes Tattooostudio in Jena. Die Wiedereröffnung mit den neuen EigentümerInnen, Jeffrey Weißenborn und Theresa Szymocha, wurde aufgrund von Veröffentlichungen zu deren neonazistischen Kontakten und darauffolgender Proteste im Sommer 2020 verhindert (frühere Artikel dazu 1, 2, 3, OTZ). Jeffrey Weißenborn hat mittlerweile in der Stauffenbergallee 30 in Erfurt ein neues Studio. Seine Partnerin Theresa Szymocha kündigte nun an, in Kürze mit Weißenborns Schwester, Jaimie Weißenborn, in Apolda ein weiteres Loco Artista Studio zu eröffnen. Wir legen nun weitere Belege für Szymochas Einbindung in die organisierte Kameradschaftsszene in Apolda vor. Auch ihre Geschäftspartnerin Jaimie Weißenborn ist keine Unbekannte hinsichtlich ihrer Verbindungen zu Neonazis: Sie gehört nicht nur zu einem Freundeskreis weit vernetzter örtlicher Neonazis, sondern trat, genau wie Theresa Szymocha, schon als Model für den Apoldaer Neonazi-Versandhandel Nordrausch auf. Zudem eröffnet das Studio im Wohnhaus einer altbekannten Rechten. Die Neueröffnung des Tattoostudios erweitert somit das Netzwerk der extrem rechten Szene um ein weiteres Objekt in Apolda.

Theresa Szymocha – ehemalige Kameradschafterin und Rechtsrock-Anhängerin

Nachdem die in Isserstedt wohnhafte Theresa „Resi“ Szymocha in Reaktion auf die ersten antifaschistischen Veröffentlichungen zu Loco Artista Jena noch meinte, sie wolle sich nicht „für ihre Freunde rechtfertigen“, lässt sich belegen, dass sie selber Neonazi-Aktivistin war: Sie gehörte zur Kameradschaft Apolda, deren Banner sie am 14.02.2009 beim Naziaufmarsch in Dresden mittrug (siehe Bild im Artikel zu ihren Freunden von 12 Golden Years). Zwei Jahre später fuhr Szymocha mit dem Kameradschafter Enrico Küntzel (siehe Artikel zum Übergriff am Volkstrauertag 15.11.2020) und Mandy Paukner zum Rock für Deutschland nach Gera. Ein Rechtsrock-Event maßgeblich aus NPD-Strukturen organisiert.

Theresa Szymocha (mittig mit Sonnenbrille und Jeans) und Mandy Paukner (halblinks mit Sonnenbrille und rotem Becher) beim Rock für Deutschland in Gera am 06.08.2011. (Foto: Antifa Recherche Gera)

Bei der Gelegenheit zeigte Szymocha auch ein „Schwarze Sonne“-Tattoo auf ihrem Rücken. Ein in der Neonazi-Szene beliebtes Motiv, gilt es doch als Ersatz für das verbotene Hakenkreuz und stellt die ideologische Beziehung zur SS im Nationalsozialismus her. Bis Sommer 2020 prangt dieses Motiv noch zwischen ihren Schulterblättern, auch wenn zahlreiche ältere Tattoos mittlerweile überstochen sind.

Mandy Paukner, Enrico Küntzel und Theresa Szymocha (siehe schwarze Sonne) beim Rock für Deutschland in Gera am 06.08.2011. (Foto: Antifa Recherche Gera)

Ihre Geraer Begleiterin von 2011, Mandy Paukner, wohnt heute in der Käthe-Kollwitz-Str. 3. Direkt über dem neuen Standort von Loco Artista Apolda. Paukner, die schon in den 2000er Jahren zum Umfeld der Kameradschaft gehörte, fuhr noch im August 2016 mit Tobias Göpfert (siehe Artikel zum Übergriff am Volkstrauertag 15.11.2020) zum „Rock gegen Überfremdung“ in die Neonazi-Scheune in Kirchheim. Das damalige Konzert wurde von der militanten Bruderschaft Turonen / Garde 20 organisiert.

Loco Artista Apolda und der Neonazi-Versand Nordrausch

Jaimie Weißenborn (mittig) alias Bellezza Ink, Jeffrey Weißenborn alias Eiskaltink510 und Theresa Szymocha alias Resi_in.k vor dem Erfurter Studio. (Bild: Facebook)

Nachdem die Neueröffnung im Jenaer Südviertel gescheitert war, hatte Jeffrey Weißenborn alsbald in der Erfurter Krämpfervorstadt ein neues Studio mit einem Partner eröffnet. Über den Sommer 2020 ging dort seine Schwester Jaimie in die Tätowiererinnen-Lehre, seit deren Ende sie unter dem Künstlerinnennamen Bellezza Ink auftritt. Zusammen mit Theresa Szymocha eröffnet Jaimie Weißenborn nun in Apolda ein zweites Loco Artista Tattoo-Studio in der zentral gelegenen Käthe-Kollwitz-Str. 3. Wie ihr Bruder ist auch Jaimie Weißenborn eng mit der Apoldaer Naziszene verbunden. So trat sie mehrfach als Model für Fabian Kellermanns Nordrausch-Versand auf. Mal waren es Kleider der Thor Steinar-Auskopplung Erik And Sons, eine Kleidungsmarke, die schon Spendengelder für die inzwischen verbotene Hilfsgemeinschaft für Nationale Gefangene (HNG) sammelte. Ein anderes Mal modelte sie in Kleidung von Label 23, das als Kleidungsmarke zu den militanten Netzwerken Cottbusser Neonazis und Kampfsportler gehört.

Jaimie Weißenborn beim Tätowieren in Erfurt und als Model des neonazistischen Nordrausch-Versands. (Fotos: Instagram und Nordrausch)

Wie Fotos belegen, ist Weißenborn auch privat mit dem Nordrausch-Betreiber Fabian Kellermann befreundet. Auf Instagram-Fotos von 2017 ist sie mit Kellermann, dem rechten Apoldaer Tätowierer Mitch Volkmann und dem Neonazi Andy Körner (siehe Artikel zu Volkmanns und Körners Reisen zu Neonazis in den USA) und der Freundin des Oberroßlaer Neonazis Florian Werner (zu Werners Kontakten in die US-Rechtsrock- und Hammerskin-Szene), Katrin Hirsche zu sehen:

Jaimie Weißenborn (links oben) mit Katrin Hirsche, Fabian Kellermann (rechts oben), Mitch Volkmann und Andy Körner 2017 (links unten). (Bild: Instagram)

Auch Theresa Szymocha modelte in früheren Jahren für den Nordrausch-Versand von

Theresa Szymocha als Model des Neonazi-Versands Nordrausch. (Fotos: Facebook und Nordrausch)

Fabian Kellermann, wie Bilder belegen. Ihre Tattoos am rechten Arm hat sie über die Jahre nicht verändert. Das Tattoo einer roten Fliege im Halsbereich vom Nordrausch-Bild ist auf dem Foto vom „Rock für Deutschland Gera“ (s.o.) schon zu sehen.

Als Nordrausch-Betreiber Fabian Kellermann Ende 2020 auf Facebook sein neuestes T-Shirt Motiv „Nordrausch NS Streetwear“ (= National Socialist Streetwear) postete, stand mit Heidi Lorber eine Freundin von Szymocha Modell.

Heidi Lorber als Model für das neue NS-Shirt von Nordrausch Apolda. (Foto: Facebook)

Lorber gehörte u.a. zu Theresa Szymochas FreundInnen, die an einem Fotoshooting mit dem Apoldaer Neonazi-Kader André Groth teilnahmen. In einer früheren Veröffentlichung wurde diese Beziehung bereits erwähnt. Heidi Lorber bezog zuletzt im Juni 2020 eindeutig Position, als sie ein unter weißen RassistInnen beliebtes Sharepic auf Facebook übernahm: White Lives Matter. Damit stellten weiße RassistInnen und Neonazis weltweit der von Black Lives Matter getragenen Bewegung für gesellschaftliche Gleichberechtigung ihren Kampf für eine weiße Vorherrschaft entgegen.

Heidi Lorber „White Lives Matter“ (Foto: Facebook)

Strike Back Shop und Nordrausch-Versand von Fabian Kellermann

In der Ackerwand 17, zwischen Bahnhof und Altstadt von Apolda, betreibt Fabian Kellermann seit vielen Jahren den Strike Back Shop. Der Laden fungiert als lokale Niederlassung des Nordrausch-Internetversands. In den Räumlichenkeiten innerhalb des Mehrparteienhauses verkauft er Neonazi-Kleidung, CDs und Waffen. Kellermann fiel schon 2005 auf, als er mit Bands aus dem verbotenen Blood & Honour-Netzwerk und dem militanten Saalfelder Neonazi Steffen Richter bei einem aufgelösten Konzert angetroffen wurde (siehe Abschlussbericht NSU-Untersuchungssausschuss Thüringen S. 780). In derselben Gruppe wurde auch Jörg Winter aus Chemnitz festgestellt, der Uwe Mundlos Sprengstoff für dessen erste Bomben beschafft hatte. Der damals noch junge Fabian Kellermann gründete einige Jahre später den Strike Back Shop. Laut früheren Recherchen war Steffen Richter, ein Vertrauter des NSU-Helfers Ralf Wohlleben, bis mindestens 2012 am Strike Back Shop beteiligt. Der Laden ist nicht nur eine Geldquelle für den Betreiber Kellermann: Hier werden auch die CDs und Shirts der Apoldaer Rechtsrockband 12 Golden Years und des Wohlsborners Manfred Wiemer, Frontmann der Neonazi-Kultband Radikahl, verkauft und somit die örtliche Naziszene unterstützt. Kellermann nutzte den Laden außerdem für Spendensammlungen für die Thügida-Bewegung.

Fabian Kellermann im Strike Back Shop beim Zählen der Spenden für Thügida. (Bild: Facebook)

NS-Musik und Radikahl-Frontmann Manfred Wiemer beim Nordrausch-Versand.

Über Nordrausch berichtete zuletzt Thüringen Rechtsaußen, als im Zuge zunehmender Angriffe gegen Geflüchtete im Jahr 2016 Neonazi-Versandhäuser verstärkt Waffen anboten. Über Kellermanns führende Rolle bei der seit Jahren anhaltend hohen Aktivität der Apoldaer Naziszene und ihrer Vernetzung mit den Turonen und weiteren Rechtsrock-Strukturen hatten wir bereits in einem Rückblick auf das Rock gegen Überfremdung 2018 in Apolda berichtet. Mittlerweile ist Nordrausch auch zum hauptsächlichen Vertrieb von Manfred Wiemers Plattenlabel und Shirtversand GvB Produktion geworden. GvB Produktion ist nach der 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“ benannt und verwendet mit der eisernen Hand auch das ursprüngliche Symbol der damaligen SS-Einheit. Fabian Kellermann und Manfred Wiemer betreiben GvB gemeinsam, wie sich an ihrer Beteiligung an den Neonazi-Festivals im ostsächsischen Ostritz zeigt. Dort waren Kellermann und Wiemer mit einem Stand von GvB im April und November 2018 sowie im März und Juni 2019 vertreten. Auch die frühere Homepage von GvB führt mittlerweile nur noch zum Nordrausch-Versand.

Manfred Wiemer und Fabian Kellermann in GvB-Shirts beim „S&S Festival“ in Ostritz am 20.04.2018. (Foto: Recherche Nord)

Rechte Infrastruktur und braune Tinte in Apolda

Apolda ist mit der Neueröffnung von Loco Artista in der Innenstadt um einen Neonazi-Treffpunkt reicher. Im überschaubaren Stadtzentrum verfügen die Neonazis mit dem Martinsstübchen und dem benachbarten Stichpunkt Tattoo, dem Strike Back Shop / Nordrausch und zukünftig Loco Artista daher über ein gutes Netz an Treffpunkten und Einkommensmöglichkeiten für rechte Netzwerke und ihre ProtagonistInnen. Wie das Ehepaar Steinbrück (siehe früheren Artikel zu Kampfsport und Rechtsrock) ihr frisch renoviertes Mehrparteienhaus mit Büroräumen in der Ortsmitte von Niederroßla zukünftig nutzen wird, bleibt noch abzuwarten. Neben den beiden benannten Tattoo-Studios arbeitet auch Robert Hoyer (siehe Artikel zu seinen Schießtrainings und internationalen Kontakten) als Tätowierer. Auch seine Wohnung liegt unweit des neuen Loco Artista südlich der Apoldaer Innenstadt. Nach dem Rückzug von Loco Artista aus Jena war auf diesem Portal zu lesen: Allerdings ist die Rückkehr nach Erfurt ein klares Zeichen dafür, dass es in Thüringen kaum Orte gibt, an denen Neonazis Probleme zu befürchten haben. Leider scheint sich mit Apolda diese Feststellung erneut zu bestätigen. Was in einem Jenaer Wohnviertel nicht gelang, ist im Apoldaer Stadtzentrum kein Problem. Wo Antifaschist*innen vor gut zwölf Jahren noch aktiv gegen eine rechte Hegemonie in Apolda aufstanden, wächst seit Jahren ein Netz stabiler rechter Infrastruktur und Geschäfte.