Frontex Files’ am Beutenberg: Jenaer JENETRIC GmbH liefert Technik zur Geflüchtetenabwehr

Am vergangenen Freitag berichtete Jan Böhmermann in der Sendung ZDF Magazin Royale über Verstrickungen der Rüstungsindustrie mit der EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Während der Sendung veröffentlichte das ZDF Magazin Royale eine umfangreiche Sammlung interner Frontex-Dokumente, in denen diese Treffen dokumentiert wurden.

Insgesamt gab es zwischen 2017 und 2019 16 Treffen von Frontex mit diversen Unternehmen. Aus der Recherche des Böhmermann-Teams: „Externe Beobachter*innen gab es bei den Treffen nicht. Und Frontex hat die Inhalte dieser Treffen nicht öffentlich zugänglich gemacht. In den teils themenspezifischen Treffen wurden unterschiedliche Gerätschaften präsentiert, die zur Verteidigung der EU-Außengrenzen dienen sollen. Dazu gehören Handfeuerwaffen, Munition und Überwachungsgeräte wie Sensoren, Drohnen, Kameras und Server für die Speicherung von biometrischen Daten.“

Mit dabei ist auch die Jenaer Firma JENETRIC GmbH, die ihren Sitz in der Moritz-von-Rohr Straße 1a, direkt neben dem Campus der Ernst-Abbe-Hochschule, hat. Das Unternehmen wurde 2014 gegründet und ist spezialisiert auf die Herstellung von Fingerabdruckscannern. Diese bewirbt es unter anderem für die Verwendung zur Grenzkontrolle. Dabei verwendet JENETRIC den zynischen Slogan „Enjoy biometrics to guarantee national security.“ für das Marketing ihrer Produkte. Insgesamt sind drei Frontex-Konferenzen in den Jahren 2018 und 2019 dokumentiert, an denen JENETRIC teilgenommen hat und Vorträge zur Bewerbung ihrer Technologie für den Einsatz in der EU-Abschottungspolitik hielt.

JENETRIC stellt nach eigenen Angaben den „weltweit modernsten Zehnfingerscanner“ her, der 2019 von der Bundespolizei zur Ausstattung der Grenzkontrolle im Rahmen der zukünftigen Einführung des Einreise-/Ausreisesystems (EES) ausgewählt wurde. Die Firma macht sich mit ihren Produkten zur Komplizin der unmenschlichen Politik der EU an ihren Außengrenzen. Menschen müssen sich zu Fuß oder in Booten auf den Weg in die EU machen, weil die EU-Richtlinie 2001/51/EG es ihnen unmöglich macht, EU-Länder per Flugzeug oder Schiff zu erreichen. Jüngst wurde durch journalistische Recherchen bekannt, was NGOs schon seit Jahren dokumentieren, wie Frontex in illegale Pushbacks auf See oder auch an Land verwickelt ist – und JENETRIC wirbt auf seiner Homepage unter anderem: „Mit unseren Produkten wird die Biometrie Teil des Alltags der Menschen und macht so die Welt sicherer, demokratischer und menschlicher.“

Sitz der JENETRIC GmbH im Technologie- und Innovationspark Jena. (Bild: Rechercheportal Jena-SHK)

Biometrische Technologien wie Fingerabdruckscanner sind für Frontex eine Schlüsseltechnologie zur Erfüllung ihres abzulehenden Arbeitsauftrages. Mit ihrer Hilfe werden an den EU-Außengrenzen die unveränderlichen Fingerabdrücke von Migrant:innen registriert und in zentralen Datenbanken abgelegt, um im Anschluss deren Bewegungsfreiheit einzuschränken. Einmal in einer solchen Datenbank registriert, können Abschiebebehörden EU-weit feststellen, über welches Land eine Person in die EU eingereist ist. Mittels dieser Information werden Abschiebungen über die menschenverachtende „Sichere Drittstaatenregelung“ oder sogenannte Rückführungen im Rahmen des Dublin-Abkommens durchführen.

Frontex steht für die inhumane EU-Abschottungspolitik. Als europaische Agentur entzieht sich Frontex in seinen Aktivitäten weitestgehend parlamentarischer Kontrolle und Verantwortlichkeit, dies eröffnet Möglichkeiten für illegale Pushbacks, Willkür und Gewalthandlungen. Die technische Aufrüstung der Außengrenzen zwingt Menschen, die ein Leben in Sicherheit suchen, immer gefährtlichere Fluchtrouten zu nutzen. Diese europäische Praxis ist verantwortlich für den Tod von unzähligen Menschen im Mittelmeer, das menschenunwürdige Leben bei eisigen Temperaturen in Grenzgebieten zwischen EU-Ländern oder unter katastophalen Zustände in den Lagern auf griechischen Inseln.

Unternehmen wie JENETRIC unterstützen diese Politik aktiv und profitieren finanziell von ihr. Wir fordern daher die Aufkündigung bestehender Kooperationen mit Frontex und das öffentliche Bekenntnis zur Ablehung des europäischen Grenzregimes.