Finales Update: Loco Artista komplett geräumt – Ende gut, alles gut?

Kurz nachdem wir zur Wiedereröffnung des Neonazi-Tattostudios Loco Artista am 8. Juni in Jena über dessen Hintergründe informiert hatten, hatte eine der zwei TätowiererInnen, „Resi Ink“, bereits ihren Rückzug erklärt. Ihr Partner Jeffrey Weißenborn alias „EiskaltInk“ wollte unter Berufung auf die vermeintlich große Unterstützung seiner Instagram-Follower*innen trotz antifaschistischer Proteste am Standort Jena-Süd festhalten. Unseren Recherchen nach scheint er jedoch kurz darauf, den Mietvertrag seinerseits gekündigt zu haben. Dass es für ihn in Jena nicht gut lief, zeigte sich bereits an den permanenten Rabatt-Angeboten und freien Terminen, die er auf Instagram bewarb. Ende Juni kündigte sich dann bereits ein Ende auf Raten an – nicht ohne zuvor nochmal seine politische Haltung klarzumachen.

Jeffrey Weißenborn am 27.06.2020 auf Instagram.

Jeffrey Weißenborn am 29.06.2020 auf Instagram.

Jeffrey Weißenborn auf Instagram am 30.06.2020.

Nachdem Weißenborn noch vor Monatsende den Mietvertrag gekündigt und das frisch eröffnete Studio in der Schleidenstraße 25 geräumt hatte, postete er bereits am 01.07.2020 Bilder aus seinem neuen Studio in der Stauffenbergstraße 30 in Erfurt. Er ist somit an den Ort zurückgekehrt, wo er auch seine Laufbahn als Tätowierer in Nazikreisen (Link zum Text) begonnen hatte.

Einsehen? Fehlanzeige.

Das BetreiberInnen-Paar reagierte in den sozialen Medien Facebook und Instagram auf die Veröffentlichungen. Die Strategie war jedoch dieselbe, wie sie seit Langem von extrem Rechten bekannt ist: Nazis wollen sie nicht sein, auf die durchweg gut belegten Hintergründe und Netzwerke reagieren sie nicht und gleichzeitig löschen sie still Kommentare von befreundeten Nazis und einige Likes bei extrem rechten Facebookseiten. Desweiteren seien die Kontakte und Veranstaltungsbesuche zehn Jahre her und von (Nazi-)FreundInnen distanzieren käme nicht in Frage. Bei Jeffrey Weißenborn sei in Sachen “lange her” exemplarisch darauf verwiesen, dass er im April 2018 mit dem Erfurter Studio “Bloodline” auf dem Neonazi-Festival “Schild & Schwert” in Ostritz war und die BesucherInnen tätowierte. Das Festival wurde von der Führungsfigur der NPD und rechtsterroristischen Strukturen in Deutschland, dem Höcke-Vertrauten Thorsten Heise aus Nordwestthüringen, organisiert. Während im Verlauf des Festivals Weißenborns Chef, Björn Siegling, dem antisemitischen Hetzer Nikolai Nerling ein Interview gab, ist Weißenborn im Hintergrund bei der Arbeit zu sehen:

Ostritz 2018: Jeffrey Weißenborn (in rot) im Hintergrund bei der Arbeit; im Vordergrund: Björn Siegling von “Bloodline” im Interview mit dem Antisemiten Nikolai Nerling.

“Resi Ink” illustrierte die Abwehr jeglicher Kritik mit einem eindeutigen Instagram-Post. Das Foto ist von demselben Shooting mit dem Apoldaer Nazi-Netzwerker André Groth, auf das wir bereits im letzten Beitrag hingewiesen hatten.

Oben: Theresa Szymocha alias “Resi Ink”, mittig André Groth; Resi Ink am 26.06.2020 auf Instagram.

Die Botschaft ist unmissverständlich. Während “Resi Ink” also in langen Instagram-Posts ihre eigene Vergangenheit im Drogen-Milieu kritisch reflektiert, wird in Sachen extremer Rechter keinerlei Reflektion deutlich. Daraus ziehen wir den Schluss, dass das Studio von “Resi Ink” auch in Zukunft ein Treffpunkt für Neonazis sein wird. Um zukünftigen Vermieter*innen die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrags zu erleichtern, veröffentlichen wir hiermit ihren Klarnamen: Theresa Szymocha. Bis zu ihrer Babypause arbeitet sie noch in der Auenstraße 34 in Erfurt, wo sie einen Raum in einem Beauty-Studio mietet.

Ausblick

Der Rückzug von Loco Artista aus Jena ist ein deutlicher Erfolg antifaschistischer Organisierung. Jeder Raum, der Neonazis mit selbstorganisierten Mitteln streitig gemacht werden kann, ist ein sicherer Raum und einer, in dem mehr Möglichkeiten für den Kampf um ein besseres Leben für alle fern menschenverachtender Ideologie besteht. Allerdings ist die Rückkehr nach Erfurt ein klares Zeichen dafür, dass es in Thüringen kaum Orte gibt, an denen Neonazis Probleme zu befürchten haben. Alleine in Ostthüringen gibt es eine Reihe von Tattoostudios, die von Neonazis betrieben werden. Das nächste dürfte mit “Stichpunkt Tattoo” in Apolda liegen. Weitere entsprechende Studios in der Region werden wir auch in Zukunft im Auge haben. In Erfurt hingegen scheinen sich die rechten TätowiererInnen langfristig zu etablieren, ohne dabei gegenseitige Konkurrenz darzustellen oder gesellschaftliche Ausgrenzung zu erfahren. Darum schließen wir mit einem Appell an alle, die die Entwicklungen um Loco Artista verfolgt oder aktiv befördert haben: Die Aktionen gegen Loco Artista im Jenaer Südviertel waren nur der Anfang. Es darf nicht nur darum gehen, eine Jenaer Wohlfühlzone zu verteidigen. Informiert euch bei lokalen antifaschistischen Initiativen (Links zu anderen Strukturen), wo andernorts Neonazis Treff- und Stützpunkte betreiben. Unterstützt Kampagnen und Aktionen in Orten außerhalb Jenas und solidarisiert euch mit den Betroffenen rechter Drohungen, Beleidigungen, Angriffen und Mordanschlägen!