Artenschutz für Rechtsaußen: Welche Burschen die CDU für besonders schützenswert hält

Die Germanen und AfD-Landes- und Lokalpolitiker Torben Braga (3.v.l.) und Tim Beutler (Hintergrund) mit weiteren Burschenschaftlern beim Soldatengedenken am Volkstrauertag 2015 auf dem Landgrafen. (Foto: Facebook)

Am 17.09.2020 debattierte der Jenaer Stadtrat auf Antrag von der CDU zum Thema “Sicherheit und Akzeptanz von Verbindungsstudenten in Jena”. Auslöser der Debatte war ein offener Brief vom 19.02.2020 verfasst von den Jenaischen Burschenschaften Armina, Germania und Teutonia. Im August legte die Burschenschaft Teutonia, Mitglied im Burschen-Verband Süddeutsches Kartell, mit einem persönlichen Brief an den Oberbürgermeister nochmal nach. Sie sorgten sich um ihre Sicherheit, im Speziellen für ihre bundesweite Zusammenkunft von Verbindungen des Süddeutschen Kartells in Jena am 03.10.2020. Im Rahmen der Stadtratssitzung kamen dann auch Vertreter von Rechtsaußen-Burschenschaften selbst zu Wort. Doch für wen fordert die CDU mit ihren Sidekicks FDP und AfD da Solidarität und warnt gar vor gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gegen Burschenschafter?

Dass Burschenschaften wichtige Stützpunkte der AfD, der Identitären und der früheren Aktivisten von NPD und Thüringer Heimatschutz sind, wird seit Langem durch antifaschistische Recherchen immer wieder belegt. In der Recherche vom 23.8.2020 haben wir bereits über die beiden extrem rechten Jenaer Burschenschaften Normannia und Alte Burschenschaft auf dem Burgkeller Jena berichtet. Dass die anderen drei Jenaer Burschenschaften Teutonia, Arminia und Germania, auf deren Bedürfnisse die Stadtratsdebatte zurückgeht, nicht minder problematisch sind, wollen wir in dieser Recherche untermauern.

Teutonia (Am Steiger)

Die Burschenschaft Teutonia, ansässig “Am Steiger” in Jena-West, versucht sich schon länger mit mäßigem Erfolg nach außen als liberal und modern darzustellen. Doch in den 1980er-Jahren trug sie noch Beschlüsse der Deutschen Burschenschaft (DB) mit, in denen die Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis fortgesetzt und eine vermeintliche Reinhaltung des deutschen Volkskörpers als oberstes Ziel formuliert wurde.
Am 20.04.1999 feierten die Teutonen eine inoffizielle Hitler-Geburtstagsparty (vgl. Infoladen Jena). Erst Ende der 2000er Jahre verließen sie den extrem rechten Dachverband der DB. Eine deutliche Abgrenzung von ihren rechtsnationalen Jenaer Artgenossen, die u.a. eng mit der völkischen Thüringer AfD verwoben sind, lässt die Teutonia allerdings weiterhin vermissen. So verwundert es nicht, dass eine kurze Internetrecherche Kontakte alter Herren der Teutonia ins neonazistische Milieu zutage fördert: Peer Giemsch, der für das Web-Impressum trägt des Altherrenvereins der Teutonia die Verantwortung trägt, gehört auch zur einschägigen Freund*innenliste von Michael Stingl, einem alten Herren der Neonazi-Burschenschaft Normannia zu Jena.
Ähnlich wie der mittlerweile in Karlsruhe wohnende Giemsch hat sich der bei Heilbronn ansässige Normanne Stingl nach seiner aktiven Burschenzeit im nordöstlichen Baden niedergelassen.

Peer Giemsch, alter Herr der Jenaer Teutonia, zusammen mit der NPD-Aktivistin und Wohlleben-Anwältin Nicole Schneiders in der Facebook-Freundesliste des Neonazi-Burschen Michael Stingl. (Screenshot: Facebook)

Zum Jenaer Teutonen Giemsch gesellt sich in der Freundesliste auch die ehemalige Jenaer NPD-Politikerin Nicole Schneiders, die ihren Kameraden Ralf Wohlleben im NSU-Prozess verteidigte.
Bezeichnende Weise unterschrieb Peer Giemsch dann auch im Namen der Teutonia, den in der Einleitung erwähnten, offenen Brief.

Arminia (Camsdorfer Ufer)

Die Burschen der Arminia 2018 mit ihren AfD-Funktionären Robert Mochrie (oben 5.v.l.) und Lucas Saalfrank (unten mittig). (Foto: Facebook)

Die Burschenschaft Arminia konnte nach der Wende 1994 das Haus der Grünen Tanne am Camsdorfer Ufer wieder in burschenschaftlichen Beschlag nehmen. Sie wollte damit an den Gründungsmythos der Urbuschenschaft anschließen, die sich im Haus 1815 vollzogen hatte.
Im Mai 1999 fielen Arminia-Mitglieder mit Nazi-Pöbelein auf, als sie nach ihrer Veranstaltung “Zukunft durch Tradition” Gäste mit “Kanakenhuren” und “Ihr gehört in der Saale ertränkt!” beschimpften (vgl. Infoladen).
Das Arminia-Haus wurde in jüngerer Zeit zu einem der wenigen zuverlässigen Veranstaltungsorte für die Jenaer AfD, die seit ihrer Gründung Probleme bei der Raumsuche hatte.
Auch Arminia-Mitglieder selbst sind zu Parteiaktivisten der AfD geworden. So trat Lucas Saalfrank nach einem gescheiterten Debüt in der Union im Landkreis Sonneberg zu den Kommunalwahlen 2019 für die AfD an.
Robert Mochrie war stellvertretender Vorsitzender der Thüringer Jungen Alternative (JA). Beide waren außerdem an der gescheiterten Gründung eines Burschenschafterverbands innrhalb der AfD beteiligt.
Dass die Arminia ein wichtiger Stützpunkt und Rekrutierungsort der faschistischen Thüringer AfD ist, zeigte sich außerdem an der Einladung des Geraer AfD-Bundestagsabgeordneten und notorischen Hetzers Stephan Brandner im Juni 2018.

Lucas Saalfrank und Stephan Brandner bei der Burschenschaft Arminia im Juni 2018 (Foto: Facebook)

Im Jahr 2001 wurde antifaschistischen Gruppen die Kontaktliste des badischen Neonazis Martin Schild zugespielt. Schild war Aktivist der Kameradschaft Karlsruhe (siehe Autonome Antifa Freiburg) und zeitweise in der Neonazi-Burschenschaft Normannia zu Jena aktiv. Heute vertreibt der mit dem Jenaer Neonazi und Burschenschafter Ralph Oertel befreundete Schild unter dem Pseudonym WOR-Arts, das als Neonazi-Künstlerkollektiv weit in der extremen Rechten vernetzt ist, glorifizierende Zeichnungen von Soldaten der Wehrmacht und Waffen-SS. In Schilds geleakter Kontaktliste finden sich Rechtsextreme aus verschiedenen Spektren und Regionen, darunter auch auch ein “Kosovo-Krause”, den Schild der Arminia Jena zuordnet.

Die Arminia Jena in der Kontaktliste des badischen Neonazis Martin Schild. (Bild: Linksunten-Indymedia)

Wie Burschenschafter immer wieder als politischer Kitt zwischen rechten Millieus fungieren, lässt sich am Beispiel des Jenaer CDU-Politiker Heiko Ziemer belegen, der selbst Arminia-Mitglied ist. Außerdem ist er zusammen mit seinem Parteikollegen Bastian Stein noch Mitglied in der Reservistenkameradschaft Jena. Die maßgeblich für die Ausrichtung des Gedenkens 2018 am Jenaer Blinkerdenkmal verantwortlich war, an der auch Burschen der Germania prominent teilnahmen.

Germania (Seidelstraße)

Bereits 2014 zog mit Torben Braga ein politisches Schwergewicht der extremen Rechten in das Burschenschafterhaus der Germania am Seidelparkplatz ein. Braga kommt von der Germania Marburg, in deren Haus sich Aktivisten der Identitären Bewegung, Publizisten der extremen Rechten und Neonazis die Klinke in die Hand geben. Braga war bis zu seiner Berufung ins Erfurter Büro von Björn Höcke Pressesprecher der DB und zwar noch nachdem im Dachverband nur noch jene Bünde übrig blieben, die an einem Arier-Nachweis für ihre Mitglieder festhalten wollten. In der Thüringer AfD setzte Braga seinen Kurs der Verknüpfung von außerparlamentarischen Neonazis mit der AfD fort. Er besuchte unter anderem 2016 öffentlichkeitswirksam die Neonazis von Wir lieben Meiningen.

Der Germane Torben Braga und die Bremerin Ann-Kathrin Magnitz im September 2016 mit den Neonazis von “Wir lieben Meiningen”. (Bild: Facebook)

Wir lieben Meiningen hatte in dem halben Jahr, bevor Braga sie einer öffentlichen Unterstützung würdig erachtete, Infostände auf NPD-Rechtsrockfestivals abgehalten und Thügida-Aufmärsche mitorganisiert und alles öffentlich auf Facebook dokumentiert. Auch Bilder eines “HKN KRZ”-Pullovers (eine Abkürzung für ‘Hakenkreuz’) auf einem Gruppentreffen standen bereits über ein halbes Jahr auf der Facebookseite der Gruppe, als der Germane und AfDler Braga sie im Dienste der Landtagsfraktion besuchte.

Wir lieben Meiningen-Teilnehmer mit Hakenkreuz (HKN KRZ)-Pullover im Januar 2016. (Bild: Facebook)

Seit dem Wegzug von Torben Braga nach Erfurt sind es vor allem die Jenaer Germanen Tim Beutler und Alexander Claus (siehe früheren Artikel zum AfD-Stadtverband), die ihre Burschenschaft mit der AfD zu verzahnen versuchen. Tim Beutler bekannte sich im Wahlkampf 2019 eindeutig zum völkischen Höcke-Flügel, als er mit dessen faschistoiden Schlagworten und Bedrohungsszenarien für sich warb:

„Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wichtige Kontinuitäten wie Familie, Identität und unsere Kultur erhalten bleiben und gegen die oftmals erlebte Bevormundung durch die Altparteien angehen.“

Der Germane und AfD-Kandidat Tim Beutler (mittig) mit Mitglieder von Germania und Arminia beim Soldatengedenken auf dem Landgrafen 2018 (Bild: Facebook)

Und Alexander Claus war Beisitzer im Landesvorstand der Jungen Alternative um die Höcke-Vertraute Jana Schneider, die ihre Hetze auch gern mit Einladungen zum Paintball-Training illustrierte:

Der Germane Alexander Claus (1.v.r.) mit der Thüringer Jungen Alternative 2016. (Bild: JA)

Besagte Kontaktliste des Karlsruher Neonazis Martin Schild enthält zudem auch Hinweise auf ein Jenaer Germania-Mitglied, das mit “Tute” benannt wird. Auf derselben Seite finden sich auch drei NPD-Politiker: Rick Wedow, der bis zu ihrem Zerfall um 2010 Jenaer Parteivorsitzender war und gleichzeitig Mitglied der Burschenschaft Normannia ist. Dann Patrick Wieschke, früheres Mitglied im Thüringer Heimatschutz und aufgrund eines Anschlagsversuchs auf einen Dönerladen unter Nazis als Dönerbomber gefeiert. Der bekannteste Name dürfte allerdings der des NSU-Unterstützers und Beschaffers der Mordwaffe, Ralf Wohlleben, sein.

Die Germania Jena in der Kontaktliste des badischen Neonazis Martin Schild neben Personen aus dem NSU-Komplex. (Bild: Linksunten-Indymedia)

Aufgrund des verwendeten Spitznamens lässt sich das*Germania*-Mitglied nicht verifizieren. Da jedoch neben den benannten Jenaer Mitgliedern von Germania und Arminia auf weiteren Teilen der Liste auch ein Mitglied der am Spittelplatz ansässigen Landsmannschaft Rhenania steht, spricht vieles dafür, dass der Urheber und frühere Jenaer Burschenschafter Schild tatsächlich gut mit den anderen Jenaer Burschen vernetzt ist.

Kaum Unterschiede, keine Abgrenzung

Wenn sich die Jenaer Burschenschaften über öffentliche Kritik und Vorwürfe der Rechtslastigkeit beschweren, dann fällt es angesichts einschlägiger Vorfälle in der Vergangenheit, vielfältiger Verknüpfungen und personeller Überschneidungen mit der extremen Rechten schwer, das ernst zu nehmen. Teutonia, Arminia und Germania sind keine besonders schützenswerten Vertreter einer vermeintlichen frühen Demokratiebewegung, sondern heutige Vertreter einer patriarchalen, elitären und nationalistischen Ideologie, die sie vor allem über die von Faschisten geführte Thüringer AfD politisch durchsetzen wollen.
Die Alte Burschenschaft auf dem Burgkeller und Normannia sind Teil rechtsextremer Netzwerke und verbreiten nebenbei offen NS-Propaganda auf ihren Facebookseiten. Von anderen Jenaer Burschenschaften, die sich selbst als liberal und demokratisch gerieren, werden die Neonazi-Burschen als gleichberechtigte Brüder angesehen, mit denen man sich bei Großevents wie dem Coburger Convent oder dem Burschentag in Eisenach trifft. Signale der Ab- oder gar Ausgrenzung der offen faschistischen Burschen sucht man vergebens.
Die neuerliche Initiative der CDU ist ein offensichtliches Manöver, über eine vermeintliche Gewaltdebatte die Stadtratsfraktionen hinter einer Unterstützung der Burschenschaften zu vereinen – eine Legitimierungsoffensive für die aus der Zeit gefallenen und nach rechts völlig offenen Jenaer Burschenschaften. Es gibt in Jena viel zu regelmäßige Berichte von Gewalt gegen Frauen*, von neonazistischen Graffitis, rassistischen Beleidungen und Angriffen auf Geflüchtete oder polizeilicher Verdrängung von Jugendlichen aus dem öffentlichen Raum. Warum gerade Burschenschaften und ihre Großveranstaltungen die besondere Unterstützung des Stadtrates verdient haben sollen, liegt wohl eher daran, dass CDU als auch FDP mit der AfD um die Burschenschaften als potentielle Wähler*innen und Mitglieder konkurrieren und hier ein Zeichen setzen wollten. Damit schließen sie an frühere Kooperationen an, wenn z.B. der FDPler Stefan Beyer und der CDUler und Arminia-Bursche Heiko Ziemer sich im Saal der Germania auf ein Podium mit dem Höcke-treuen Denny Jankowski (AfD) setzen und eine öffentliche Diskussion mit dem Germania-Burschen und JA-Funktionär Alexander Claus führen.

2019: Denny Jankowski (AfD), Heiko Ziemer (CDU, Arminia), Stefan Beyer (FDP) auf einem Podium der Germania mit JA-Funktionär und Germane Alexander Claus (links vorne) (Bild: Facebook)

So wächst zusammen, was zusammen gehört. CDU und FDP bedienen mit ihren Beiträgen in der Stadtratsdebatte und bei Podien das national-konservative bis extrem rechte burschenschaftliche Klientel und sind dabei längst anschlussfähig nach rechts außen.