Offener Antisemitismus bei der AfD in Gera

Am vergangenen Freitag (16.10.2020) rief der AfD-Stadtverband Gera zu einer Kundgebung vor dem Kultur- und Kongresszentrum in Gera auf. Als Redner waren die Landtagsabgeordneten Dieter Laudenbach und Wolfgang Lauerwald sowie die Bundestagsabgeordneten Robby Schlund und Stephan Brandner angekündigt. Neben diesen AfD-Vertretern wurde auch der Zeulenrodaer Antisemit Frank Haußner als Redner für die Veranstaltung angekündigt. Antisemitismus ist in der AfD nichts Neues. Vor allem im Thüringer Landesverband unter der Führung von Björn Höcke ist dieser fester Bestandteil der faschistischen Ideologie der Partei. Jedoch wurden die antisemitischen Elemente in der Vergangenheit auf öffentlichen Veranstaltungen noch mehr oder weniger versteckt geäußert. Am vergangenen Freitag wurde nun einem offen auftretenden Antisemiten und Reichsbürger von der AfD Gera eine Bühne geboten und seinem Antisemitismus starker Applaus gespendet, auch von Seiten der AfD-Abgeordneten.

MdL Wolfgang Lauerwald (links), Frank Haußner (Mitte) und MdB Stephan Brandner (rechts) auf der Bühne der AfD-Kundgebung am 16.10.2020 in Gera (Bild: Rechercheportal Jena-SHK)

Am selben Tag: Berichte zur Beschäftigung eines altgedienten NPD-Kaders beim AfD-Landtagsabgeordneten Laudenbach

Peter Pichl (links) mit Nico Metze (Mitte) und David Buresch (rechts) als Organisator beim „Rock für Deutschland“ 2011 in Gera (Bild: Recherche Gera)

Im Vorfeld der AfD-Kundgebung erschien am Freitag bei Spiegel Online ein Artikel, der öffentlich machte, dass der Geraer Neonazi Peter Pichl Wahlkreisbüromitarbeiter des Geraer Landtagsabgeordneten Dieter Laudenbach ist. Pichl war Mitglied der NPD in Gera, war in die Organisation der Rechtsrockveranstaltungsreihe „Rock für Deutschland“ eingebunden und nahm Anfang der 2000er Jahre an Aufmärschen des „Thüringer Heimatschutz“ teil, aus dem der NSU hervorging. Das obige Bild zeigt Pichl noch 2011 mit zwei Vertrauten des nur wenige Monate darauf verhafteten NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben. Pichls Arbeitgeber Dieter Laudenbach ging in seiner Rede auf der AfD-Kundgebung auf diese neuen Veröffentlichungen ein und betonte, dass er den Neonazi Pichl nur aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten als Mitarbeiter eingestellt habe. Pichl war auch auf der Kundgebung anwesend und in Gespräche mit verschiedenen Mitgliedern des AfD-Stadtverbands Gera vertieft, darunter auch mit dem Bundestagsabgeordneten Robby Schlund. Dies belegt, dass er tief in den Stadtverband eingebunden ist und seine Anstellung bei Laudenbach nicht nur auf ein persönliches Kennverhältnis mit dem Landtagsabgeordneten zurückzuführen ist.

MdB Robby Schlund und Neonazi Peter Pichl im Gespräch am 16.10.2020 in Gera (Bild: Rechercheportal Jena-SHK)

Redner Frank Haußner: Antisemitische Hetze und Reichsbürger-Erzählungen

MdL Wolfgang Lauerwald (links) und Frank Haußner (rechts) bei der AfD-Kundgebung am 16.10.2020 in Gera (Bild: Rechercheportal Jena-SHK)

Nach der Rede von Wolfgang Lauerwald kündigte dieser den Zeulenrodaer Frank Haußner als nächsten Redner an. Haußner begann seine Rede mit der rhetorischen Frage an das Publikum: „Wollen wir Klartext reden?“ Was Haußner unter „Klartext“ versteht, wurde schnell deutlich. Sein Redebeitrag war geprägt von offenem Antisemitismus und völkischem Nationalismus. Aussagen wie:

„Ich kann auch nicht darüber sprechen, dass eine korrupte, hochkriminelle und satanische Parallelstruktur, welche ‚Der tiefe Staat‘ genannt wird, sich wie ein Krebsgeschwür über den gesamten Globus ausgebreitet hat und die Menschheit in einer digitalen neuen Weltordnung versklaven will. Denn wenn ich das alles sagen würde, hätte ich spätestens am Montag Besuch von den Schergen dieses sogenannten Rechtsstaates, der vorgibt eine freiheitliche, demokratische Grundordnung zu haben, jedoch der untergegangenen DDR immer ähnlicher wird.“

wurden vom Publikum mit großem Applaus begleitet. Auch der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald, der während der gesamten Rede an der Seite von Haußner stand, ließ es sich nicht nehmen, zu solch offensichtlich antisemitischen Aussagen zu klatschen. Im weiteren Verlauf seiner Rede stellte Haußner die BRD als nach wie vor durch die Alliierten besetzten Staat dar und begab sich damit auf die ideologische Ebene von Reichsbürgern. Die deutsche Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte betrachtet Haußner als völkisches Abstammungsrecht:

„Ich stehe vor euch als Deutscher gemäß meiner Abstammung und meinen damit verbundenen Rechten.“

Am Ende seines Redebeitrags ging Haußner noch auf die bevorstehende US-amerikanische Präsidentschaftswahl ein:

„Donald Trump hat dem Krebsgeschwür des tiefen Staates den Kampf angesagt. Deshalb wünsche ich Donald Trump alles Gute und viel Erfolg und hoffe, er wird für weitere vier Jahre als Präsident der Vereinigten Staaten wiedergewählt.“

Auch dieser offene Bezug zur antisemitischen Q-Anon-Verschwörungsideologie wurde vom Geraer AfD-Publikum mit Applaus begleitet. Lauerwald, der durch die Kundgebung moderierte, verabschiedete Frank Haußner nach dessen verschwörungsideologischen, antisemitischen Rede mit den Worten:

„Danke, lieber Frank, für deine Rede. Der Beifall hat gezeigt, dass du gut angekommen bist und den Nerv unserer Bürger getroffen hast.“

Während seiner Rede kündigte Haußner außerdem an, dass er am kommenden Montag (19.10.2020) den „Corona-Spaziergang“ der AfD in Triptis unterstützen will. Dieser wird seit einigen Monaten maßgeblich durch den Triptiser AfD-Stadtrat Oswald Gmeiner organisiert.

Von AfD-Stadtrat Oswald Gmeiner angeführter „Corona-Spaziergang“ am 04.05.2020 in Triptis (Quelle: Facebook)

Kontinuierliche Zusammenarbeit von AfD und Haußner

Die AfD Gera kann nicht behaupten, dass sie von der Ideologie ihres eingeladenen Redners nichts gewusst habe, da dieser bereits am 01.05.2020 auf einer AfD-Kundgebung in Pößneck sprach, wo auch der Geraer Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner seiner Rede lauschte. Auch hier sprach er von „dunklen Mächten“, die eine „globale Agenda“ mit Regierungen als „Marionetten und Handlangern“ verfolgen würden. Auch darüber hinaus fand bereits eine Zusammenarbeit der AfD Thüringen mit Frank Haußner und dessen Gruppe „Patrioten Ostthüringen“ statt: Björn Höcke bedankte sich in seiner Rede am 03.10.2020 in Vacha bei Frank Haußner und den “Patrioten Ostthüringen” dafür, dass diese einen schwarz-rot-goldenen Sichtschutz zwischen AfD-Kundgebung und Gegenprotest aufgebaut hatten. Dieser Sichtschutz kam auch schon bei anderen AfD-Veranstaltungen zum Einsatz, wie am 16.07.2020 in Altenburg, wo auch Haußner beim Aufbau der Stellwände beteiligt war und nach der Veranstaltung im Reisebus der AfD-Gera und -Greiz abreiste.

Frank Haußner (rechts) beim Aufbau eines Sichtschutzes für die AfD-Kundgebung am 16.07.2020 in Altenburg (Bild: Pixelarchiv)

Frank Haußner (2.v.l.) bei der Abreise am 16.07.2020 mit dem Reisebus der AfD-Gera und -Greiz (Bild: Pixelarchiv)

Frank Haußner tritt nicht nur als Redner auf AfD-Veranstaltungen in Erscheinung. Der Zeulenrodaer Dachdecker sitzt außerdem als „sachkundiger Bürger“ im technischen Ausschuss der Stadt Zeulenroda-Triebes. Daneben nahm er auch am Trauermarsch für den verstorbenen Neonazi und Hooligan Thomas Haller am 18.03.2019 in Chemnitz für die „Patrioten Ostthüringen“ teil. Hier lief er zwischen ehemaligen Blood & Honour-Kadern oder dem bekanntesten deutschen Rechtsrocker, Michael „Lunikoff“ Regener. In seiner Rede vom 01.05.2020 in Pößneck sprach Haußner davon, dass er auch am 20.04.2020 zu einer Demonstration in Chemnitz war und dort zusammen mit seiner Gruppe eingekesselt worden sei und Anzeigen und Platzverweise erhalten habe. Dabei handelte es sich um einen Aufmarsch von „Pro Chemnitz“. Diese extrem rechte Struktur war maßgeblich in die Organisation der extrem rechten Massenmobilisierung Ende August bis Anfang September 2018 nach Chemnitz eingebunden. Bei diesen Aufmärschen kam es zu Ausschreitungen und Hetzjagden durch die teilnehmenden Neonazis.

Frank Haußner (1.v.r.) beim Trauermarsch für den Neonazi und Hooligan Thomas Haller am 18.03.2019 in Chemnitz (Foto: Pixelarchiv)

AfD in Gera bietet das politische Vorfeld für Attentate wie dem von Halle

Dass gerade in Gera offenem Antisemitismus eine Bühne geboten wurde, verwundert nicht, wenn man sich das Personal des Stadtverbands anschaut: Dieter Laudenbach verbindet eine politische Freundschaft mit dem Neonazi Peter Pichl, Eike Voigtsberger marschiert auf eindeutig neonazistischen Aufmärschen wie am 15.02.2020 in Dresden mit und der neue Stadtratsvorsitzende der AfD in Gera, Reinhardt Etzrodt, nahm auch schon 2015 an der Seite von Neonazis und Rechtsterroristen an einem THÜGIDA-Aufmarsch teil (siehe früherer Artikel). Besorgniserregend ist dabei weniger die strukturelle Einheit von Geraer AfD und Naziszene. Diese ist nur konsequent, da die AfD vielerorts schlicht die Nachfolge der faschistischen NPD antritt, nur leider mit weit größerem Erfolg. Die fehlende öffentliche Kritik und ausbleibende Abgrenzung anderer politischer Parteien und Akteur*innen ist das größte Problem. Wenn mit Beifall von Bundestagsabgeordneten ein Hetzer wie Haußner von „Krebsgeschwüren“ und geheimen Regierungen fabulieren kann und danach mit denselben AfD-Repräsentanten in Ausschüssen zusammengearbeitet oder ihnen von der Presse gleichwertig Raum geboten wird, wähnen sich neonazistische Attentäter wie der von Halle als Avantgarde eines vermeintlichen Volkswillens.

Frank Haußner am 01.05.2020 als Redner bei AfD-Kundgebung in Pößneck (Bild: Rechercheportal Jena-SHK)

Auf Anfrage von antifaschistischen Gruppen, Wissenschaft oder Presse stellen wir gern ein Transkript der gesamten Rede von Frank Haußner zur Verfügung. Wir verzichten allerdings auf einen Upload hier oder Verweis auf Youtube-Kanäle, wo die Rede zu finden ist, weil wir weder Nazipropaganda in Gänze reproduzieren, noch Nazi-Youtuber bewerben wollen.