Rechte Netzwerker an der Uni Jena (Teil 1): Der reaktionäre Korporierte Stefan Gerber im Universitätsarchiv

Stefan Gerber (l.) 2015 bei der "Semesterantrittskneipe" der Salana Jenensis (Foto: Facebook)

Stefan Gerber (l.) 2015 bei der „Semesterantrittskneipe“ der Salana Jenensis (Foto: Facebook)

Am 31.10.2022 wird in der Rathausdiele über die Zukunft des Burschenschaftsdenkmals am Uni-Hauptgebäude diskutiert. Auf einem Podium dazu soll neben dem Arminia-Burschenschafter Heiko Ziemer (CDU) auch der Jenaer Historiker und Dozent Stefan Gerber vom Universitätsarchiv sitzen. Was in der Ankündigung verschwiegen wird: Gerber ist selber Alter Herr der katholischen Studentenverbindung Salana Jenensis. Gerber ist bundesweit in korporierten Netzwerken aktiv, publizierte zusammen mit rechtsradikalen Militärs und referierte bei der Bayreuther Burschenschaft Thessalia, deren Geschichte neonazistischer Mitglieder zurück ins nächste NSU-Umfeld reicht. Geber ist zudem Mitglied des rechtskonservativen Netzwerkes Wissenschaftsfreiheit, das gegen eine vermeintliche „Cancel Culture“ und „Political Correctness“ eintritt. Interne Dokumente, die dieser Plattform zugespielt wurden, belegen außerdem Gerbers zutiefst rechte Gesinnung. Trotz all dem gibt Gerber Geschichtsseminare an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wird von JenaKultur für ein Podium eingeladen.

Katholische Studentenverbindung Salana-Jenensis

Die Etage der Salana am Markt 8 (Foto: Facebook)

Die Etage der Salana am Markt 8 (Foto: Facebook)

Die „Katholische Deutsche Studentenverbindung (KDStV) Salana Jenensis“ ist eher unscheinbar: Ihre Räumlichkeiten liegen in einem Obergeschoss am Marktplatz 8, gleich neben dem Stadtmuseum sowie in der Käthe-Kollwitz-Straße 11. Von sich selbst schreiben sie, dass sie statt einem richtigen Verbindungshaus ihren Weinberg am Jenaer Hausberg als „Domizil“ haben. Die Salaner sind Katholiken und in keinem der größeren korporierten (katholischen) Dachverbände Mitglied. Wenn sie nicht gerade ihre jährliche Floßtour auf der Saale machen, sind sie kaum wahrnehmbar. Die Salana ist Mitglied der „Rudelsburger Allianz“, in der sich ein gutes Dutzend Verbindungen zusammenschlossen, die sich vor der Wende in der DDR gegründet hatten. Zu dieser Allianz zählt auch die Salamandria Dresden, deren Verbindungshaus der dortigen rechten Szene von „EinProzent“, über den „Jungeuropa Verlag“, die „Identitäre Bewegung“ und der AfD regelmäßig Räume bot. Die Salamandria Dresden ist außerdem Mitglied im Waffenring Halle-Leipzig. In diesem Fechtverbund vernetzen sich Rechtsaußen-Burschenschaften in Ostdeutschland, darunter auch die offen neonazistische Burschenschaft Normannia zu Jena.

Schild der Gaststätte "Burgblick" in Saaleck, in der neben den Studentenverbindungen wiederholt auch die NPD zu Gast ist

Schild der Gaststätte „Burgblick“ in Saaleck, in der neben den Studentenverbindungen wiederholt auch die NPD zu Gast ist

Jedes Jahr an Pfingsten veranstaltet die Rudelsburger Allianz ihren „Allianzkommers“ auf der Rudelsburg in Saaleck. Am Fuße der Rudelsburg hat die Rudelsburger Allianz als ihr „Allianzlokal“ die Gaststätte „Burgblick“, die auch schon mehrfach der NPD Raum bot, darunter auch für einen Vortrag der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck im Januar 2015.

Stefan Gerber als Referent bei Neonazi-Burschenschaft

Porträtbild von Stefan Gerber

Stefan Gerber

Außerhalb Jenas ist mit Stefan Gerber ein Alter Herr der Salana bundesweit in Korporiertenkreisen sehr präsent und tritt regelmäßig überregional als Referent auf. Als Mitglied der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung (GfbG) arbeitet er mit Korporierten aller Couleur zusammen, auch mit solchen, deren Verstrickung ins Neonazi-Milieu bestens bekannt sind. So referierte Gerber am 30.01.2021 in einer Online-Veranstaltung zum 150. Jahrestag der Gründung des Deutschen Reichs vor der Burschenschaft Thessalia Prag zu Bayreuth. In der Thessalia waren in der Vergangenheit namhafte NPD-Kader Mitglied, was immer wieder zu öffentlicher Kritik führte. Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 wurde außerdem bekannt, dass mit Mario Brehme aus Rudolstadt ein enger Vertrauter des NSU-Kerntrios und Führungskader des Thüringer Heimatschutzes (THS) jahrelang Thessalia-Mitglied war und in deren Verbindungshaus wohnte. Auch Ronny Schlenzig aus Schwarza, ebenfalls ehemals militanter Aktivist des THS, war lange Thessalia-Mitglied. Zur Veranstaltung mit Stefan Gerber hatte die Thessalia außerdem ausdrücklich die Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf eingeladen. Die Markomannen, die überwiegend in Passau leben, waren in den letzten Jahren vor allem dadurch aufgefallen, an der Entstehung der bayerischen Identitären Bewegung mitgewirkt zu haben. Zu diesen Kreisen zählte auch Tobias Lipski, der später Sprecher der Markomannia wurde. Lipski hatte es zu bundesweiter Aufmerksamkeit gebracht, weil deutsche Sicherheitsbehörden ihn verdächtigten, mit entwendeten Bundeswehrwaffen ein Attentat auf Ursula von der Leyern geplant zu haben. Lipski ist inzwischen zur Neonazi-Burschenschaft Danubia München gewechselt. Erst im Oktober 2022 kam er zum Bundeskongress der Jungen Alternative nach Apolda.

Der Jenaer Stefan Gerber pflegt auch selber Kontakte zu rechtsradikalen Militärs: Im Sammelband „Soldatentum im Rechtsstaat“ veröffentlichte Gerber den Beitrag „Selbstblockaden“. Herausgeber des Bandes waren die Offiziere Martin Böcker, Larsen Kempf und Felix Springer. Springer hatte infolge des Bekanntwerdens seiner Teilnahme an einem Aufmarsch der Identitären Bewegung die Bundeswehr verlassen. Böcker war bereits Sprecher beim rechtsradikalen ThinkTank „Studienzentrum Weikersheim“.

Sein Bekenntnis zu diesen rechten Netzwerken demonstriert Stefan Gerber im Alltag, wenn er mit einem Beutel des neofaschistischen Antaios-Verlags oder in Kleidung der rechtsradikalen Marke „Peripetie“, der Identitären Bewegung, für die auch Björn Höcke wirbt, zwischen seinem Wohnort in Jena-West und dem Stadtzentrum verkehrt. Beide Produkte erhält man nur auf einschlägigen Veranstaltungen oder in den Online-Versänden des Verlags aus Schnellroda oder der rechten Kleidungsmarke.

An der Universität Jena hält Gerber neben seiner Tätigkeit als Universitätsarchivar geschichtliche Seminare als Privatdozent. In diesem Semester (Wintersemester 2022/23) hält er das Landesgeschichtliche Kolloquium und das Seminar „Kolonialbewegung und Kolonialkritik im Deutschen Kaiserreich“. Dass er seine rechte Ideologie nicht in diese Veranstaltungen einfließen lässt, ist nur schwer vorstellbar.

Zugespielte Dokumente belegen Gerbers rechte Ideologie

Stefan Gerber (1.v.r.) beim korporierten Trinken im Januar 2020 (Foto: Facebook)

Stefan Gerber (1.v.r.) beim korporierten Trinken im Januar 2020 (Foto: Facebook)

Aus internen Dokumenten, die dieser Plattform zugespielt wurden, geht hervor, dass Gerber innerhalb seiner Studentenverbindung auch immer wieder mit rechtsradikalen Positionen auffällt. So verteidigte Gerber, Mitglied im Vorstand der katholischen Gemeinde St. Johannes Baptist, 2014 in der Diskussion mit liberaleren Korporierten seine Homofeindlichkeit mit christlich-fundamentalistischen Positionen:

„Und da, auch das muss ich auf die Gefahr hin einmal mehr als Betonkopf zu gelten, bekennen, halte ich schon mit der Kirche am biblischen Zeugnis fest, dass die praktizierte Homosexualität, der homosexuelle Geschlechtsverkehr, der Schöpfungsordnung zuwiderläuft. Sich dafür zu entscheiden, ist „Sünde“, also ein Mangel an Liebe zu Gott, der, wie Schrift und Tradition festhalten, dies nicht vom Menschen will. (…) Die katholische Kirche, die seit 20 Jahrhunderten mit dem Menschen befasst ist, kennt, anderes als es heute oft behauptet wird, alle Spielarten menschlicher Sexualität und ihre Abgründe nur zu genau: Sie rechnet damit, dass ihrer Bitte nicht Folge geleistet wird; sie sieht es. Aber das ist noch kein Grund, nach dem biblischen Zeugnis und der Tradition des christlichen Menschenbildes auf die Ablehnung praktizierter Homosexualität zu verzichten. Dass es immer ein schweres Kreuz ist, einer solchen Bitte nachzukommen – und was wissen denn wir, wie viele Männer und Frauen das tun – wird niemand bestreiten.“

Gerber verfasst in internen Dokumenten regelmäßig ideologische Pamphlete, in denen er wiederholt zu Vergleichen greift, die heutige linke Positionen mit dem historischen Faschismus und Nationalsozialismus gleichsetzen. Über den frisch gewählten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow schrieb Gerber Ende 2014:

„Das Programm der Landesregierung gegen politischen Extremismus wird im neuen Koalitionsvertrag auf Rechtsextremismus eingeschränkt; die spätpubertären Hetzer und Kleinkriminellen aus der „autonomen“ Szene, die „rotlackierten Faschisten“, die den Rechtstaat verhöhnen und beschädigen wo sie nur können, gibt es in Thüringen per Erlass der neuen Landesregierung künftig nicht mehr.“

Bei einem „Festkommers“ der Salana anlässlich des Jahrestages des Mauerfalls hielt Stefan Gerber vor seiner Verbindung einen Vortrag, in dem er versuchte, entlang des Freiheitsbegriffs eine Linie von 1989 zu 2015 zu ziehen. Seine These, geht steil gen rechts oben: Wo 1989 Freiheit durch das Einreißen der Mauer verwirklicht wurde, wird sie im Jahr 2015 verteidigt, indem Grenzen gegen Geflüchtete aus den Kriegsgebieten Syrien und Afghanistan hochgezogen werden:

„Freiheit braucht Grenzen. Geben wir uns diese Freiheit und diese Begrenzung (eigentlich ist der Kommers doch ein ganz gutes Symbol dafür). Der Augenblick, in dem dies alles wieder neu sagbar wurde, in dem man es gemeinsam ins Wort heben könnte, ist für Viele seit einem einseitigen Akt der politischen „Entgrenzung“ unseres Staates im Jahre 2015 ein neues „89er-Erlebnis“ geworden, hinter das sie nicht zurückgehen werden.“

Und als Gerber 2019 laut eigener Darstellung auf einem nächtlichen Heimweg die Salanenmütze weggenommen wurde, vereinigte er seine patriarchale Ideologie, seine Homofeindlichkeit und die NS-Relativierung in seinem Hass auf die vermeintlich linken Verantwortlichen:

„Diese so selbstgewiss-dümmlichen Jünglinge, die für die „richtige“ Sache eintreten, wie einst Ernst Röhms SA-Schwuchteln. Diese „tapferen“ Jünglinge, die schon nach der Antidiskriminierungs-Beauftragten schreien, wenn man ihre nicht vorhandene Orthographie kritisiert. Diese feigen und schwanzlosen Parvenus, die nichts anderes können, als Männern die Mützen vom Kopf zu reißen.“

Jenakultur lädt zur Diskussion über Burschenschaftsdenkmal mit Teilnahme von zwei rechten Korporierten

Das Burschenschaftsdenkmal am Universitätshauptgebäude vor seiner dauerhaften Verhüllung

Das Burschenschaftsdenkmal am Universitätshauptgebäude vor seiner dauerhaften Verhüllung

Jenakultur hat sich dafür entschieden, am Montag zur Diskussion über den Verbleib des Burschenschaftsdenkmals gleich zwei rechte Korporierte als Sprecher einzuladen. Im Falle von Stefan Gerber wurde zudem in der Ankündigung der OTZ auf dessen Einordnung als alter Herr der Salana verzichtet und stattdessen die Neutralität vermittelnde Bezeichnung „Historiker“ gewählt. Dabei ist Gerber ein rechte Ideologe und Aktivist für eine möglichst glorifizierende Geschichtesschreibung der Burschenschaften. Mit Heiko Ziemer sitzt außerdem ein Alter Herr der Arminia auf dem Podium, die mit ihrem Räumlichkeiten in der „Grünen Tanne“ und ihrer Aktivitas den wichtigsten Stützpunkt der AfD in Jena darstellt. Nicht nur zählen zu den aktiven Arminia-Burschen mehrere Parteiaktivisten der AfD. In ihren Räumen hielt die Partei zudem interne Sitzungen und Hetzveranstaltungen mit dem Geraer Bundestagsabgeordneten und Höcke-Vertrauten Stephan Brandner ab. Peter Kaupp, ebenfalls Alter Herr der Arminia, ist zudem ein Kollege Stefan Gerbers in den rechten Netzwerken der burschenschaftlichen Geschichtsschreiber. Es ist damit zu rechnen, dass zur Diskussion in die Rathausdiele zahlreiche Mitglieder der Jenaer Burschenschaften kommen werden. Wie tief diese in vielen Fällen in rechtsradikale Netzwerke verstrickt sind, wurde erst kürzlich in einer langen Recherche zur „Alten Burschenschaft auf dem Burgkeller“ dargelegt.

Darüber hinaus kann auch davon ausgegangen werden, dass Burschenschafter aus anderen Städten an der Veranstaltung teilnehmen werden, da die „Allgemeine Deutsche Burschenschaft“ (ADB) an diesem Wochenende ihren Burschentag im Fair Resort Hotel in Jena Lobeda abhält.

Siehe auch Teil 2 zu rechten Netzwerkern an der Uni Jena: Datenwissenschaftler Lars Kühne auf Mission für die Hetzer von Compact und Identitären