Patrioten Ostthüringen – Zwischen AfD, Reichsbürgern und Artgemeinschaft

Frank Haußner und Christian Bärthel bei einer Corona-Demo im Dezember 2020 in Zeulenroda. (Screenshot: Youtube)

Seit Beginn der Coronapandemie erlebt die extrem rechte Gruppe “Patrioten Ostthüringen” Aufwind. Ihr Sprecher Frank Haußner tritt auf zahlreichen extrem rechten, verschwörungsideologischen Veranstaltungen als Redner auf, bei denen er seine antisemitische Reichsbürgerideologie verbreitet. Seit Oktober 2020 organisiert Haußner auch selbst Aufmärsche in Zeulenroda, bei denen verschiedene Spektren der extremen Rechten von der AfD, über “Der III. Weg” bis hin zu Führungspersonen der völkischen Artgemeinschaft vertreten sind. Neben Haußners eindeutiger ideologischer Ausrichtung fällt die Einbindung von weiteren Mitgliedern der “Patrioten Ostthüringen” in bundesweite Holocaustleugner:innen- und Neonazinetzwerke auf. Die Gruppe dient als Bindeglied zwischen der AfD als parlamentarischem Arm und außerparlamentarischen Neonazistrukturen, die bis ins Unterstützer:innenumfeld des NSU reichen.

Identitäre Bewegung und PEGIDA

Die spektrenübergreifende Scharnierfunktion der “Patrioten Ostthüringen” und ihrer Mitglieder lässt sich an mehreren Anlässen konkret zeigen.
Im Januar 2019 luden die “Patrioten Ostthüringen” zu einem Neujahrstreffen ein. Anhand eines eigens produzierten Films kommentierte der Zeulenrodaer Dachdecker Frank Haußner einen Rückblick auf extrem rechte Proteste im Vorjahr. An dem Treffen nahmen nach Eigenangaben 50 Personen teil, unter denen u.a. Mitglieder der AfD und der Identitären Bewegung (IB) waren. Obwohl die AfD offiziell eine Unvereinbarkeitsklausel mit der IB hat, bieten sich auf solchen Treffen beste Vernetzungsmöglichkeiten.

Post des AfD Mitglieds Ute Waltz zum Neujahrstreffen der “Patrioten Ostthüringen” bei dem Frank Haußner als Redner auftrat. (Screenshot: Facebook)

Im Sommer 2018 reiste Frank Haußner gemeinsam mit einer Gruppe von Mitgliedern der Identitären Bewegung Thüringen nach Dresden zur IB Veranstaltung “Europa Nostra”. An der Veranstaltung nahmen die führenden Kader der Identitären Bewegung Deutschland und Österreich teil. Daneben waren auch Mitglieder des PEGIDA-Organisationsteams wie Siegfried Däbritz anwesend, außerdem weitere Projekte aus dem neu-rechten Spektrum, so etwa “Ein Prozent” oder der Verlag Antaios von Götz Kubitschek und Elke “Kositza” Schenke. Haußner nutzte die Veranstaltung, um sich mit der PEGIDA-Führungsperson Däbritz auszutauschen und zu vernetzen.

Frank Haußner im Gespräch mit Siegfried Däbritz am 25.08.2018 in Dresden.

Seine Vernetzung zu Strukturen der Identitären Bewegung setzte Haußner auch im darauffolgenden Jahr fort. Am 16.03.2019 veranstalteten mehrere extrem rechte Verlage eine eigene Buchmesse in den Räumlichkeiten des Hallenser IB-Ablegers “Kontrakultur Halle”, die zu diesem Zeitpunkt noch eine Immobilie in der Adam-Kuckhoff-Straße besaß. Unter dem Veranstaltungstitel “Werkstatt Europa” konnten sich u.a. die Verlage Antaios und der Jungeuropa Verlag präsentieren. Gemeinsam mit einer Reisegruppe der IB Thüringen reiste auch Haußner zu dieser Veranstaltung an. Mit dabei war auch der jetzige Fotograf der AfD Thüringen und Mitglied der neonazistischen Burschenschaft Normannia Jena, Martin Schieck (siehe frühere Recherche).

Als am 20.07.2019 in Halle die Identitären Bewegung in Deutschland ihren vorerst letzten Versuch eines größeren Aufmarsches versuchte, sollte auch Frank Haußner mit dabei sein. Durch erfolgreichen antifaschistischen Protest konnte bereits am Bahnhof eine größere Gruppe extrem Rechter gestoppt werden und der Aufmarsch misslang. In dieser Gruppe waren neben dem ehemaligen Blood & Honour Mitglied Sven Liebich auch Frank Haußner, der Geraer AfD Stadtrat Eike Voigtsberger und der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald. An diesem Tag endete die zuvor erfolgreich gelaufene Netzwerkarbeit in einer Sackgasse.

Corona-Proteste mit der AfD

Frank Haußner (2.v.r.) zusammen mit Björn Höcke (1.v.l.) und Stephan Brander (1.v.r.) im Mai 2017 im Thüringer Landtag.

Vorläufer der Patrioten Ostthüringen war der “Bürgerprotest Ostthüringen”, der in Anlehnung an Pegida ab 2016 auf rassistischen Protesten auftrat und häufig Schulter an Schulter mit der AfD marschierte. Damals bildete sich die enge Zusammenarbeit von Frank Haußners Vorfeldorganisierung und AfD-Parlamentarier:innen heraus.
Im Frühjahr 2020 begann die AfD, das Mobilisierungspotenzial in der verschwörungsideologisch geprägten “Querdenker:innenszene” für sich zu entdecken. In Ostthüringer Kleinstädten fanden auf Initiative von AfD-FunktionärInnen regelmäßige “Spaziergänge” statt, die sich gegen die Coronamaßnahmen richteten und die Gefahren der globalen Pandemie leugneten. Waren die Coronaleugner:innenproteste zu Beginn in vielen Städten noch durch eine diffuse Mischung aus Esoteriker:innen, Impfgegner:innen und anderen Verschwörungsideolog:innen bestimmt, war in Ostthüringen die Dominanz durch extrem rechte Strukturen von Beginn an gesetzt. Als regionale Schwerpunkte bildeten sich dabei Gera, Pößneck, Triptis und Zeulenroda heraus. Diese Mobilisierung zeigt somit auch Ähnlichkeiten zu Jahre zurückliegenden Thügida-Aktionen in der Region.
Gera konnte zu Beginn große Mobilisierungserfolge mit bis zu 750 Teilnehmenden bei den von Unternehmer Peter Schmidt initiierten “Spaziergängen” erzielen. Aufgrund von kritischer Berichterstattung, die die Vernetzung in die lokale Neonazi-Szene öffentlicht machte, zog sich Schmidt zurück und gab die Verantwortung an den Reichsbürger Marek Hallop ab. Dieser versuchte am 16.05.2020 an die Erfolge aus den Vorwochen anzuknüpfen und meldete eine Demonstration an, die auf dem Geraer Markt starten sollte. Der Versuch scheiterte kläglich: Hallop zog die Anmeldung kurzerhand zurück, nachdem die Demo nicht starten durfte, weil sich die Teilnehmenden nicht an Abstands- oder Maskenauflagen hielten und die ca. 200 Menschen, die sich auf dem Markt gesammelt hatten, erhielten einen Platzverweis. Mit diesem Misserfolg hatten die größeren Proteste in Gera vorerst ein Ende.
Anders sah es im Saale-Orla-Kreis aus. Hier ging die Initiative von der AfD selber aus. Am 01.05.2020 fand die erste Kundgebung auf dem Pößnecker Markt statt, wo als Redner der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner und Frank Haußner von den Patrioten Ostthüringen auftraten. An der Veranstaltung nahmen neben der normalen AfD-Klientel auch stadtbekannte Neonazis wie Matthias Leimbach und ein Mitglied der Identitären Bewegung teil. Die Veranstaltung legte den Grundstein für die “Spaziergänge” in Triptis und Pößneck in den folgenden Monaten. Gleich am kommenden Montag mobilisierte der (mittlerweile ehemalige) AfD-Stadtrat Oswald Gmeiner zu einem “Spaziergang” gegen die Corona-Maßnahmen in Triptis. Die Zahl der Teilnehmenden war nicht besonders groß, jedoch konnten sich die Proteste in den kommenden Monaten als regelmäßige Veranstaltungen etablieren. Ein Grund für diesen Erfolg wird der vollständig ausbleibende Gegenprotest in der verschlafenen Kleinstadt und das Nichteinschreiten der Polizei gegen die Missachtung von Coronaschutzmaßnahmen gewesen sein. Im Sommer 2020 ging die Organisation der Corona-Proteste zunehmend auf Anja Bergner aus Wittchenstein über. Bergner ist mittlerweile stellvertretende Vorsitzende des AfD-Gebietsverbands Saale-Orla und fiel in den vergangenen Wochen als Administratorin einer Telegramgruppe, in der der Holocaust geleugnet wurde, auf (vgl. OTZ).

Nachdem sich die “Spaziergänge” in Triptis etabliert hatten, erhielt die Triptiser AfD am 19.10.2020 Unterstützung durch die AfD Gera und die Patrioten Ostthüringen. Unter anderem Frank Haußner von den Patrioten Ostthüringen sowie Wolfgang Lauerwald und Eike Voigtsberger von der Geraer AfD reisten nach Triptis an, um dort einen Fackelmarsch im Stil von NS-Aufmärschen zu veranstalten.

Fackelmarsch in Triptis am 19.10.2020, 1. v.l. Heiko Bergner, Mitte Frank Haußner, rechts Oswald Gmeiner. (Bild: Facebook)

Auch über Ostthüringen hinaus waren Thüringer AfD-Kader gemeinsam mit den Patrioten Ostthüringen bei Anti-Corona-Aufmärschen aktiv. Am 07.11.2020 versammelten sich in Leipzig tausende Neonazis, Querdenker:innen und rechte Hooligans, um gegen die Coronamaßnahmen zu protestieren und die Gefährlichkeit der Pandemie zu leugnen. Die Patrioten Ostthüringen mobilisierten im Vorfeld für diese Veranstaltung. Zu der Veranstaltung selbst reisten sie gemeinsam mit AfD-Mitgliedern an und demonstrierten mit eigens gebastelten Schildern auf denen Politiker:innen und Virolog:innen in Sträflingskleidung unter der Überschrift “Schuldig” dargestellt wurden.

Patrioten Ostthüringen am 07.11.2020 in Leipzig, 1.v.l. Christian Bärthel, 2.v.l. Andreas Thomä, 1.v.r. Frank Haußner. (Bild: Pixelarchiv

Schon während der Hauptversammlung kam es immer wieder zu Angriffen auf Gegendemonstrant:innen und Journalist:innen durch Teilnehmende. Nachdem die Veranstaltung durch die Polizei wegen Nichteinhaltung von Coronamaßnahmen vorzeitig beendet worden war, kam es wiederholt zu Angriffen durch Neonazis (siehe auch Analyse im AIB). Eine große Gruppe Querdenker:innen zog derweil feiernd über den Leipziger Ring und bedrohte dort wiederholt Journalist:innen. Später bedankte sich “Querdenken Erfurt” in deren interner Telegram-Gruppe explizit bei Frank Haußner und Hartmut Lucas, dass diese den Marsch über den Ring ermöglicht hätten. Hartmut Lucas aus Burgk wurde mittlerweile zum Vorsitzenden der AfD Saale-Orla gewählt, womit an der Spitze des Gebietsverbands nun mit Lucas und Anja Bergner zwei Personen stehen, die sich in den antisemitischen Netzwerken der Querdenker:innen bewegen.

Querdenken Erfurt bedankt sich bei Hartmut Lucas und Frank Haußner, dass diese den Aufmarsch über den Leipziger Ring ermöglicht hätten. (Screenshot von “Höcke Watch” übernommen)

Auch im Jahr 2021 setzten die Patrioten Ostthüringen und die AfD ihre Beteiligung an Aufmärschen gegen die Coronamaßnahmen fort. Der Vorsitzende der AfD Saale-Orla, Hartmut Lucas, beteiligte sich am 14.03.2021 an einer Kundgebung von Querdenken Erfurt als Ordner. Auf der Versammlung sprach unter anderem Frank Haußner und verbreitete ein weiteres Mal seine antisemitische Verschwörungsideologie. Auch die Redebeiträge der anderen Redner:innen waren nicht minder antisemitisch.

Hartmut Lucas als Ordner bei “Querdenken Erfurt” am 14.03.2021. (Bild: Rechercheportal Jena SHK)

In Gera veranstalteten die Patrioten Ostthüringen in den vergangenen Wochen Autokorsos, die von Andreas Thomä angemeldet wurden und bei denen Frank Haußner als Redner auftrat. Andreas Thomä ist Kameramann für die Patrioten Ostthüringen. Er filmt die Aktionen der Gruppe und schneidet die Videos, um sie auf deren Youtube-Kanal zu veröffentlichen.

Andreas Thomä als Anmelder des Autokorsos am 10.04.2021 in Gera. (Bild: OTZ)

Andreas Thomä und Frank Haußner beim Kameraaufbau für AfD Kundgebung am 16.10.2020 in Gera. (Bild: Rechercheportal Jena SHK)

Kontakte zur Artgemeinschaft

Neben Frank Haußner zählt auch die Geraer Bestatterin Beatrice Fischer zu den führenden Mitgliedern der Patrioten Ostthüringen. In Gera nimmt sie teilweise ihren lokalen Neonazi-Freundeskreis, zu dem u. a. Fabian Matthes, Beatrice Koschmieder und Christian Gentzsch zählen (siehe Recherche von Mai 2020), mit zu Veranstaltungen der Patrioten Ostthüringen. Darüber hinaus ist sie schon seit Jahren auf neonazistischen Veranstaltungen unterwegs und Unterstützerin der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Für die Patrioten Ostthüringen stellt sie Kontakte in diese Netzwerke und zu Führungspersonen der völkischen, neonazistischen Artgemeinschaft her:

Am 01.11.2020 veranstaltete Jens Bauer eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Zeitz. Mit dabei waren Mitglieder der Patrioten Ostthüringen, darunter Beatrice Fischer, Frank Haußner und Fabian Matthes. Haußner trat dabei als Redner neben Anmelder Jens Bauer und Lutz Giesen auf, während Fabian Matthes sich als Ordner an der Versammlung beteiligte.

Frank Haußner als Redner auf der von Jens Bauer angemeldeten Kundgebung am 01.11.2020 in Zeitz (links das Symbol der Artgemeinschaft auf dem Auto von Jens Bauer zu sehen).

Jens Bauer ist kein Unbekannter. Bei ihm handelt es sich um einen langjährig aktiven Neonazi aus Sachsen-Anhalt, der zunächst bei der NPD aktiv war und seit 2016 Leiter der völkischen “Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft” ist. Die Artgemeinschaft ist ein bundesweites Netzwerk völkischer Neonazis, das tief in das Milleu des deutschen Rechtsterrorismus hineinreicht. Die bereits 1951 gegründete Gruppierung hat sich die “Erhaltung der weißen Rasse” auf die Fahne geschrieben. In den 1990er Jahren ist nachgewiesen, dass die Rechtsterroristin Beate Zschäpe mehrfach an Veranstaltungen der Artgemeinschaft teilnahm, bevor sie in den Untergrund ging. In jüngerer Vergangenheit wurde öffentlich, dass auch der Mörder von Walther Lübcke, Stephan Ernst, Mitglied der Artgemeinschaft war. Jens Bauer selbst hält Kontakte zum engsten Unterstützungsumfeld des NSU: Während des NSU-Prozesses in München und der Untersuchungshaft des Jenaer NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben, der dem NSU die Mordwaffe für neun rassistisch motivierte Morde besorgte, kümmerte sich Bauer um dessen Familie, begleitete diese zu Prozesstagen nach München und nahm Wohlleben im Sommer 2018 nach seiner Haftentlassung bei sich auf (weitere Infos zur Artgemeinschaft und Jens Bauer bei LSA Rechtsaußen).

Jens Bauer und Lutz Giesen begleiten am 15.05.2018 die Tochter Ralf Wohllebens zum NSU Prozess in München.

Bei den Kontakten zwischen den Patrioten Ostthüringen und der Artgemeinschaft sollte es nicht bei einem einmaligen Treffen bleiben. Am 07.12.2020 rief Frank Haußner zu einem Fackelmarsch in seiner Heimatstadt Zeulenroda auf. Unter den Teilnehmenden des Aufmarschs befand sich neben Mitgliedern der AfD, in Parteikleidung auftretenden Neonazis von “Der III. Weg” und Mitgliedern der Patrioten Ostthüringen auch wieder Jens Bauer. Zusammen mit Beatrice Fischer führte dieser den Aufmarsch an und beide trugen dabei das Transparent, das bereits am 01.11. in Zeitz zum Einsatz kam und dort von Bauers Kindern getragen wurde.

v.l.n.r. Frank Haußner, Beatrice Fischer und Jens Bauer am 07.12.2020 in Zeulenroda.

Am 13. Februar 2021 versammelten sich wie jedes Jahr hunderte Neonazis aus ganz Deutschland, um das geschichtsrevisionistische Gedenken an die Bombardierung Dresdens im 2. Weltkrieg abzuhalten. Die Veranstaltung gehört zu den wichtigsten Terminen im Kalender eines jeden Neonazis. In diesem Jahr sind auch Beatrice Fischer und Jens Bauer gemeinsam nach Dresden angereist, wo sie außerdem als RednerInnen auftraten.

Beatrice Fischer (links) gemeinsam mit Jens Bauer (rechts mit Schlauchschal der Artgemeinschaft) beim “Trauermarsch” am 13.02.2021 in Dresden. (Bild: Presseservice Rathenow)

Fischer und Bauer als RednerInnen beim “Trauermarsch” am 13.02.2021 in Dresden. (Bild: Presseservice Rathenow

Auch bei den letzten Protesten von Corona-Leugner:innen in Gera spielte Beatrice Fischer eine traqende Rolle. Beim Motorradkorso am 24.04.2021 fuhr sie mit einem Lautsprecherwagen, auf dessen Dach ein symbolischer Sarg für die Corona-Schutzmaßnahmen montiert war, hinterher und rief rechte Parolen ins Mikrofon. Gefilmt wurde die Aktion wie so oft vom Geraer Neonazi Michael Hesse, der die Aufnahmen in seinem Youtube-Kanal “Rebell” verbreitete (siehe auch Recherche zu Mai 2020).

Vernetzung in bundesweite Netzwerke der Holocaustleugnung

Neben den Verbindungen zur völkischen Artgemeinschaft unterhalten die Patrioten Ostthüringen auch Vernetzungen in bundesweite Holocaustleugner:innenstrukturen.

Mit Beatrice Fischer und Christian Bärthel fielen gleich zwei Mitglieder der Gruppe bei Aufmärschen für die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck auf. Bei diesen Aufmärschen traf sich das Who-is-who der bundesweiten Holocaustleugner:innen- und militanten Neonaziszene. So nahmen neben Bärthel und Fischer am 09.11.2019 an einem Aufmarsch in Solidarität mit Haverbeck in Bielefeld z.B. der frühere Regionalleiter der mittlerweile aufgelösten Organisation “Europäische Aktion” Axel Schlimper oder das “Combat 18”-Mitglied Robin Schmiemann teil. Die Wahl des Datums ist dabei kein Zufall, sondern stellt eine direkte Verhöhnung der Opfer der Shoa dar.

Beatrice Fischer (1.v.l.) und Christian Bärthel (mittig, mit grüner Jacke und Mütze) beim Haverbeck Soldaritätsaufmarsch am 09.11.2019 in Bielefeld. (Bild: Recherche Nord)

Christian Bärthel ist ein seit Jahrzehnten aktiver Antisemit und Reichsbürger. Seine antisemitische Ideologie versucht er immer wieder mit evangelikal ausgelegten Bibelzitaten zu rechtfertigen. Dass die AfD Gera keinerlei Berührungsängste mit Bärthel hat, berichtete im letzten Jahr bereits Recherche Ostthüringen.

Bei den Patrioten Ostthüringen ist Bärthel fester Bestandteil der Gruppe: Er beteiligte sich am Basteln der Schilder, die Politiker:innen und Virolog:innen in Sträflingskleidung darstellten und u. a. vom AfD-Bundestagsabgeordneten Robby Schlund im Sommer 2020 bei einem Coronaleugner:innenaufmarsch in Berlin getragen wurden, trat bei mehreren Veranstaltungen der Patrioten Ostthüringen als Redner auf und ist bei so gut wie allen Coronaleugner:innenaufmärschen in Thüringen vor Ort.

Christian Bärthel teilt auf seinem Telegram-Kanal ein Foto der Vorbereitungen der “Schuldig”-Schilder.

Am 15.11.2020 veranstalteten die Patrioten Ostthüringen gemeinsam mit dem AfD-Stadtverband Gera ein “Heldengedenken” zum Volkstrauertag auf dem Geraer Friedhof. Als Redner trat dabei Christian Bärthel auf. Bereits im zweiten Satz seiner Rede sprach er davon, dass hinter den “aufgezwungenen Kriegen”, deren Gefallenen sie gedenken wollen, “Kräfte der Hochfinanz, internationalistische Cliquen, überstaatliche Bündnisse, die immer zum Problem werden” stünden. Damit bedient er direkt eindeutige antisemitische Codes, was die auf dem Friedhof versammelte AfD aber keineswegs störte. Eike Voigtsberger und der AfD-Landtagsabgeordnete Dieter Laudenbach trugen ihre Verbundenheit zum Deutschen Reich direkt mit schwarz-weiß-roten Masken unter der Nase. Im weiteren Verlauf seiner Rede verherrlichte Bärthel das Morden der deutschen Wehrmacht als “den größten Heldenmut, den er sich vorstellen könne” und bezeichnete diese als “sein Vorbild”. Daran anschließend beschwor er die Anwesenden, sich ihm anzuschließen, um sich der historischen Verantwortung zu stellen und “Sand im Getriebe der Globalisten zu sein”, um “das zerstörerische Machwerk der Eliten [auszubremsen]”. Dies sei der “Anfang eines großen Kampfes der Nationen der Welt gegen die globalistischen todbringenden Eliten” und er fügte dem an: “Und wir sind es, die es aufhalten können, wir sind nicht die, die nichts tun können, auch wenn wir todesmutig nur Sand im Getriebe sind. Aber das ist unsere historische Verantwortung in dieser Stunde, deswegen stehe ich gerne mit euch zusammen, wenn es darum geht, diejenigen, die Feind des Lebens und der Freiheit und der Liebe sind, aufzuhalten”. Er beendete seine Rede mit der Feststellung, dass man damals (gemeint ist die Zeit des Nationalsozialismus) gewusst habe “welche Kräfte hinter den Eliten der Welt stehen” und dass man “in diesem erbitterten Kampf sein Leben eingesetzt [hat], denn niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben lässt für seine Freunde”. Damit verherrlicht Bärthel den Holocaust als “Verteidigung unserer Heimat, für die Verteidigung unserer Freiheit, ja das Leben selbst” und schwört sein Publikum darauf ein, sich an den nationalsozialistischen Mördern ein Vorbild zu nehmen: “Wenn wir es nicht tun, ist es nicht getan und das Böse schreitet voran, aber wir sollen dieses Licht sein, was dem entgegensteht und als Vorbild die haben, die einst kämpften, auch wenn sie gefallen sind. Es waren Helden, die ihr Leben gegeben haben und das wird uns niemand nehmen, so zu erkennen und dankbar dafür zu sein.” Zuspruch durch die anwesenden AfD-VertreterInnen konnte ihm auch bei diesen Äußerungen gewiss sein.

Christian Bärthel (1.v.l.), Frank Haußner (2.v.l.), Fabian Eller (3.v.l.), Beatrice Fischer (2.v.r.) und Fabian Matthes (1.v.r.) am 15.11.2020 zum Volkstrauertag auf dem Geraer Friedhof.

Eike Voigtsberger (3.v.l.), Christian Bärthel (4.v.l.), Beatrice Fischer (2. Reihe mit Tasche in der Hand), Dieter Laudenbach (1.v.r.) und Christian Gentzsch (im Hintergrund) am 15.11.2020 auf dem Geraer Friedhof zum Volkstrauertag.

Bärthel trat wiederholt auf Veranstaltungen der Patrioten Ostthüringen auf. Bei den von Haußner organisierten Fackelmärschen in Zeulenroda hielt er am 14.12.2020 neben Haußner selbst und dem AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Lauerwald eine Rede. Am 18.01.2021 feierten die Patrioten Ostthüringen das 150. Jubiläum der Gründung des Deutschen Kaiserreichs in Hohenleuben. Im Anschluss an eine Kranzniederlegung versammelte man sich in einem Saal, um einen Vortrag von Christian Bärthel anzuhören, in dem dieser seine Version der Entstehung des Deutschen Kaiserreichs schilderte. Bärthel beschloss seinen Vortrag mit dem Wunsch, dass es das “Besatzerkonstrukt BRD” auf die “Müllhalde der Geschichte zu bringen gilt” und dass das “souveräne, freie Deutsche Reich” wiedererstehen solle. Frank Haußner entgegnete darauf: “Wir wollen alle unseren Beitrag dazu leisten.”

Kranzniederlegung der Patrioten Ostthüringen am 18.01.2021 in Hohenleuben, 2.v.r. Christian Bärthel, 3.v.r. Beatrice Fischer, 4.v.r. Fabian Eller.

v.l.n.r. Frank Haußner, Friedrich Patzelt und Christian Bärthel beim Vortrag zum 150. Jubiläum der Reichsgründung in Hohenleuben.

Fazit

Anhand der genannten Mitglieder der Patrioten Ostthüringen Frank Haußner, Christian Bärthel und Beatrice Fischer konnte ein weitläufiges extrem rechtes Netzwerk dargestellt werden.
Die aufgezeigte Vernetzung der Patrioten Ostthüringen weist eine intensive personelle und ideologische Verbindung der Gruppe zur AfD auf, die bis in die Parlamente reicht. Als Bindeglied verknüft die Gruppe diesen parlamentarischen Arm mit den völkischen Neonazistrukturen wie der Artgemeinschaft oder bundesweiten Holocaustleugner:innennetzwerken. Durch die gemeinsam geteilte extrem rechte Weltanschauung verknüpft sie damit den rechten Hegemoniekampf um Parlamente und Straßen mit auf Langfristigkeit angelegten völkischen Siedlungsprojekten und den rechtsterroristischen Milieus. Die extreme Rechte nutzte dabei die Coronapandemie schon früh als Ausgangspunkt für Mobilisierungen unter Anknüpfung an vorhandene antisemitische Einstellungen, in dem sie Verschwörungsideologien als vermeintliche Antworten präsentierte. Durch diese erfolgreichen Mobilisierungskampagnen konnten Menschen auf die Straße gebracht werden, die sich zuvor nur wenig politisch in der Öffentlichkeit geäußert hatten. Frank Haußner und seine Gruppe bedienen diese Netzwerke mit ihrer antisemitschen Ideologie und tragen somit massiv zum Radikalisierungsprozess der “Querdenken”-Bewegung und der Enttabuisierung von Antisemitismus bei.