Nachdem Apoldaer Neonazis am 15.11.2020 einen Pfarrer auf dem Apoldaer Friedhof angegriffen hatten, führte die Polizei am 09.03.2021 eine Hausdurchsuchung bei einem Beschuldigten durch. Bei der Durchsuchung seiner Privat- und Geschäftsräume wurden demnach Datenträger, unzulässige Feuerwerkskörper und T-Shirts mit illegalen Motiven sichergestellt. Was aus der Meldung nicht hervorgeht: Die Durchsuchung richtete sich gegen eine Schlüsselfigur der Apoldaer Naziszene und Inhaber des Szeneladens „Strike Back Shop“ im Apoldaer Stadtzentrum (Ackerwand 17), Fabian Kellermann. Hiermit soll noch einmal kurz seine politische Vita und Relevanz für die militante Naziszene dargestellt werden.
Lokaler Netzwerker und Händler
AP-NA-RA – Apoldaer Nazis und Rassisten – so hat es Fabian Kellermann in Anlehnung an die verbotene sächsische Neonazi-Kameradschaft HooNaRa (Hooligans, Nazis, Rassisten) auf dem Kennzeichen seines Handwagens vom Strike Back Shop stehen. Die in grün aufgetragenen Buchstaben des Shops enthalten zudem das „S“ als Sig-Rune, also dem Symbol der Waffen-SS. Diese Symboliken sind bei Kellermann Programm, sowohl politisch als auch geschäftlich. Denn Kellermann ist seit Jahren selbständiger Händler von Rechtsrock und Neonazi-Kleidung, lokal im Strike Back Shop und im Internet über den Nordrausch-Versand (siehe Recherche zu Nordrausch-Models). Dass er nicht nur legale Produkte im Angebot hat, könnte der Grund dafür gewesen sein, dass im Rahmen der kürzlichen Durchsuchung seiner Geschäftsräume T-Shirts und Feuerwerkskörper beschlagnahmt wurden. Kellermann ist lokal eng verbunden mit der Rechtsrockband 12 Golden Years. Eine ihrer ersten Veröffentlichungen, ein Split-Album mit Last Man Standing, wurde über den Strike Back Shop herausgebracht. Zusammen mit Marcel Buhe ist Fabian Kellermann auch schon als Background-Sänger für die Band aktiv gewesen. Buhe gehört aktuell zum Kern der Neonazi-Vereinigung Bruderschaft Turonen / Garde 20, die sich im März 2021 aufgrund ihrer vielfältigen Geschäfte mit Drogen, Waffen und Prostitution in Gotha mit Durchsuchungen und Verhaftungen konfrontiert sah.
Kellermann zählte 2016 mit Thomas Schrimpf (siehe Artikel zum Turonen-Konzert von 2018) und Christian Steinbrück (siehe Artikel zur Kampfsportschule und Thügida Apolda) zu den maßgeblichen Organisatoren des Apoldaer Thügida-Ablegers Bürgerinitiative Apolda / Wir lieben Apolda. Diese vorgeblich bürgerlich-engagierte Gruppe, die mit Wohltätigkeitsaktionen „nur für Deutsche“ ihr Ideal einer rassistisch-weißen Vorherrschaft propagierte, bestand aus Neonazis der früheren Kameradschaft Apolda und den örtlichen Rechtsrockbands.
Im Netzwerk von Turonen und Blood & Honour
Als 2018 die Turonen einen Konzertort unabhängig von Tommy Frencks Infrastruktur in Themar suchten, trafen sie bei Fabian Kellermann und Konsorten auf Partner für die Organisation im Weimarer Land. Der Saalfelder Turonen-Kader und Anmelder der Versammlung, Steffen Richter, war schon Jahre zuvor am neu gegründeten Strike Back Shop beteiligt gewesen und kannte Kellermann bereits, seit beide Mitte der 2000er Jahre auf gemeinsame Konzertreisen gingen. So wurden die beiden 2005 bei einem Konzert zusammen mit dem früheren Aktivisten von Blood & Honour Sachsen und Sprengstofflieferanten an Uwe Böhnhardt, Jörg Winter, festgestellt (siehe Recherche zu Nordrausch-Models). Zwei Jahre darauf reiste Kellermann mit der Kameradschaft Apolda in Begleitung des Radikahl-Frontmanns Manfred Wiemer aus dem Weimarer Land zu einem Blood & Honour (B&H)-Konzert nach Ungarn.
Die Turonen können als eine langjährige Instanz im militanten Netzwerk von B&H / Combat 18 gezählt werden (siehe EXIF), auch wenn es parallel zu ihnen teils konkurrierende B&H-Strukturen auch in Thüringen gibt. Noch im Sommer 2020 tat sich Kellermann als Unterstützer der ausländischen B&H-Strukturen hervor, als er um Spenden für die slowakische B&H-Band Krátky Proces warb. Gegen die Band waren aufgrund ihrer notorisch antisemitischen und rassistischen Musik und entsprechenden militanten Netzwerken Durchsuchungen und Verhaftungen erfolgt. Wie Kellermann in seinem Facebook-Post über Nordrausch andeutet, genießt die Band in der europäischen Naziszene einen ähnlichen Ruf, wie es die seit Langem verbotene frühere B&H-Band Landser tat. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass zum Apoldaer Konzert am 05. / 06.10.2018 auch Neonazis aus der Slowakei anreisten. Für Krátky Proces erstellte Kellermann Solidaritäts-Shirts mit dem Motiv der B&H-Gründungsband Skrewdriver.
Angriff am Volkstrauertag 2020
Das geschichtsrevisionistische „Heldengedenken“ zum Volkstrauertag ist neben dem Trinkgelage an Himmelfahrt seit Jahren ein fester Termin der Apoldaer Naziszene. Da Fabian Kellermann über seinen Nordrausch-Versand wiederholt Bilder vom Gedenken mit Grabkerzen, Fackeln und einem Kranz im Namen der Freien Kräfte Apolda postete, ist davon auszugehen, dass er zu den Mitorganisatoren zählt. Obwohl sich die örtliche Szene infolge vermehrter Outings und Veröffentlichungen zu ihren Aktivitäten im Netz zurückhält, postete Kellermann am 15.11.2020 trotz des Angriffs auf den Pfarrer und darauffolgenden Polizeieinsatz Bilder von der Gedenkaktion. Kurz darauf stahlen Unbekannte außerdem noch die neu aufgestellten Informationstafeln zu den Gräbern von Angehörigen der Roten Armee. Laut Polizeiangaben wurden vor Ort noch DNA-Spuren an zurückgelassenen Schraubenmuttern sichergestellt. Entweder diese Spuren oder Zeug:innenaussagen des betroffenen Pfarrers oder anderer Anwesender dürften dazu geführt haben, dass Kellermann als Beschuldigter in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten ist.
Bislang konnte der Neonazi-Unternehmer völlig ungestört vom Stadtzentrum aus seine Geschäfte abwickeln und Neonazis im Strike Back Shop einen Treffpunkt bieten. Offensichtlich wurde sich von dort aus auch mit verbotenen Shirts oder Feuerwerkskörpern eingedeckt. Mit dem Handel generiert Kellermann ein regelmäßiges Einkommen für sich, finanziert jedoch immer wieder auch Szenestrukturen. Seine extrem rechten Motive und Devotionalien werden von Apolda weitreichend versendet, was neben der propagandistischen Verbreitung menschenverachtender Inhalte so auch zur überregionalen Vernetzung der lokalen Szene beiträgt.
Angesichts des völligen Desinteresses einer Apoldaer Stadt- und Zivilgesellschaft an den soliden örtlichen Nazistrukturen bleibt kaum zu erwarten, dass die neuerlichen polizeilichen Ermittlungen zu einem Umdenken führen. Und das, obwohl sich die Angriffe der Nazis schon lange gegen Vertreter:innen des öffentlichen Lebens richten, wie der Angriff auf das Wohnhaus des Mattstedter Bürgermeisters vor mehreren Jahren, die massiven Angriffe auf die Polizei durch Konzertbesucher im Oktober 2018 oder der jüngste Angriff auf den Kirchenvertreter zeigen. Auch Kellermann selber ist aus der Vergangenheit vorbestraft, weil er einem Polizisten ins Gesicht geschlagen hatte (siehe Thüringen Rechtsaußen).
Aus Sicht antifaschistischer Recherche kann nur resümiert werden, dass es an frei zugänglichen Informationsquellen zur Apoldaer Naziszene und ihrer Gefährlichkeit nicht mangelt. Es fehlt vielmehr an gesellschaftlichem Widerspruch und Intervention. Wer zumindest weitere Hinweise zur Apoldaer Szene hat, sei ermutigt, sich anonym mit diesen (möglichst verschlüsselt; Anleitung u.a. hier) an das Rechercheportal zu wenden.