Wo Kameradschaft groß geschrieben wird – Neonazis in Apoldaer Sportvereinen

v.l.n.r.: Martin Wagner, Marcel Reibe, Stephan Trautvetter (KSC Apolda), Florian Werner (VfB Apolda), André Groth, Robert Hoyer, Marcel Buhe (schw. Cap), Robert Wegner (rechter Bildrand) im Herbst 2019 in der Vereinskneipe des VfB Apolda (Foto: Soziale Medien)

Neonazis gehören in Apolda zum Stadtbild und stehen in der Mitte der Gesellschaft. Da mag es kaum noch überraschen, dass sie auch in örtlichen Sportvereinen bestens integriert sind. Sie spielen in den Männermannschaften vom VfB Apolda und BSC Aufbau Apolda, trainieren Kindergruppen im Ringen beim KSC Deutsche Eiche oder produzieren Werbefilme für den Lokalsport. Seit der Veröffentlichung zur Kampfsportschule Jena-Apolda im Herbst 2019 wurde auf diesem Blog ausführlich dargelegt, welche gefährlichen Strukturen sich in Apolda ungestört etablieren konnten. Den Verantwortlichen dürfte dieses Problem selbst ohne Lektüre eines Rechercheblogs bekannt sein. Anders ließe sich nicht erklären, warum der VfB Apolda auf Facebook-Bildern ihres Fußballers und Vereinsrepräsentanten Florian Werner Tattoos verpixelt. Den verbotenen SS-Totenkopf wollte man dann doch nicht zeigen.

Florian Werner: Zwischen internationalen Rechtsrock-Netzwerken und der 1. Kreisklasse beim VfB Apolda

Florian Werner (2.v.l.) links mit verpixeltem Oberkörper 2016; rechts seine Tattoos von SS-Totenkopf und -Stielhandgranaten. (Foto: Facebook)

Über Florian Werner aus Oberroßla wurde zum ersten Mal berichtet, als im Frühjahr 2020 auf die Schießtrainings seines Kameraden Robert Hoyer auf einem Weimarer Schießstand hingewiesen wurde. Werner gehörte außerdem zu jener Gruppe Apoldaer Kameradschafter, aus der heraus am Volkstrauertag im November 2020 ein Pfarrer auf dem Apoldaer Friedhof angegriffen wurde. Beim VfB Apolda spielt Werner seit 1998 Fußball. Seit mehreren Jahren ist er Mittelfeldspieler in den 1. und 2. Männermannschaften des Vereins. Werner ist jedoch auch über das aktive Spiel hinaus mit dem Verein verbunden. Öffentlichkeitswirksam nimmt er Spendengelder aus Thüringer Lottomitteln für den VfB Apolda entgegen und repräsentiert somit den Verein auch nach außen.

2.v.l. Florian Werner bei der Spendenübergabe an den VfB Apolda im August 2019. (Foto: Facebook)

Seinen 30. Geburtstag feierte Florian Werner entsprechend im Vereinsheim des VfB. Ein Foto (siehe Titelbild) der Feier zeigt ihn in einer Runde aus Apoldaer Neonazi-Kadern, die jene Tattoos offenlegen, die der Sportverein lieber vertuschte: das Wappen der SS-Panzerdivision Totenkopf, als Symbol in der Öffentlichkeit verboten, und Stielhandgranaten des SS-Sonderkommandos Dirlewanger. Unter seinen Gästen sind neben dem Kindertrainer des KSC Deutsche Eiche Apolda, Stephan Trautvetter, auch André Groth und Robert Hoyer. Mit ihnen reist Werner seit rund zehn Jahren regelmäßig zu Neonazi-Musikern in die USA oder zu Konzerten ins europäische Ausland. Ebenfalls auf dem Bild zu erkennen ist das Apoldaer Mitglied der militanten Bruderschaft Turonen / Garde 20, Marcel Buhe. Die Turonen sind eine rockerähnliche Vereinigung militanter Neonazis, die allesamt Gefängniserfahrung haben, teilweise seit den Neunzigern in verschiedensten Rechtsrockbands gespielt haben und immer wieder durch die Verbindung von Rechtsrockgeschäft, Waffen und organisierter Kriminalität auffallen.

Erst am 26.02.2021 gab es umfangreiche Durchsuchungen und Verhaftungen bei Gruppenmitgliedern. Buhe ist auf dem Foto im Gespräch mit Robert Wegner, einem extra aus Brandenburg angereisten Neonazi-Kader. Wegner gehört zu den Märkischen Skinheads 88, die sich in Brandenburg für die Organisation von Rechtsrockkonzerten internationaler Netzwerke verantwortlich zeigen (siehe Fight Back 2018).

Eine ähnliche Mélange traf bereits am 19.11.2005 im VfB-Vereinsheim aufeinander, als der nahe Apolda wohnende Manfred Wiemer, Sänger und letztes Mitglied der Skinhead-Kultband Radikahl, mit der in Brandenburg ansässigen Rechtsrockband Volkstroi dort ein Konzert gaben. Die Polizei löste die Veranstaltung damals auf und es wurden 50-80 Neonazis aus verschiedenen Bundesländern festgestellt (siehe Indymedia).

Nur wenige Monate vor seiner Geburtstagsfeier reiste Florian Werner am 09.08.2019 nach Tartu in Estland, wo die dem Blood & Honour-Netzwerk nahestehenden Reval Skins am Folgetag ein internationales Festival abhielten. Als Bands spielten u.a. die finnische Blood & Honour-Band Mistreat und die in Kanada gegründete Band Stonehammer, die vormals Aryan hieß.

v.l.n.r.: Florian Werner, Robert Hoyer, ein Stonehammer-Mitglied und André Groth 10.8.2019 Tartu, Estland (Foto: Soziale Medien)

Stephan Trautvetter: Blood & Honour-Festivals, Thügida-Aktivismus und Kindertrainer beim KSC Apolda

Stephan Trautvetter in einem Trainerprofil des KSC Apolda. (Bild: Facebook)

Stephan Trautvetter ist seit 2010 aktiver Ringer beim KSC Deutsche Eiche Apolda. Seit mehreren Jahren ist er außerdem Trainer für Kinder und Erwachsene. Als Kindertrainer unternimmt Trautvetter auch kleine Exkursionen mit Gruppen. Mit Erwachsenen trainiert er nicht bloß Ringen, sondern boxt auch gelegentlich. Am Boxtraining beteiligte sich unter anderem der frühere Thügida-Aktivist und Kameradschafter Philip Glaue. Stephan Trautvetter gehört seit gut 15 Jahren zum Umfeld der Kameradschaft Apolda. Seine Freundschaft zu vielen der örtlichen Kader führten ihn auf die jährlichen Himmelfahrts-Trinkgelage der Kameradschaft oder zu Treffen auf dem in Wohlsborn gelegenen Anwesen des Radikahl-Frontmanns Manfred Wiemer. Im Sommer 2011 schloss sich Trautvetter einer US-Reise von André Groth und Robert Hoyer an, um jährlich vor Ort Neonazi-Funktionäre und Rechtsrocker zu treffen. Im September 2012 gehörte Trautvetter auch zu einer Reisegruppe Apoldaer und Weimarer Nazis, die zum jährlichen Großevent des in Deutschland verbotenen Blood & Honour-Netzwerks nach England fuhren. Im Gründungsland von Blood & Honour richtet die britische Division jedes Jahr ein Ian Stuart Donaldson Memorial aus, um an den verstorbenen Mitgründer des Netzwerks zu erinnern. Trautvetter reiste zusammen mit dem langjährigen Weimarer Blood & Honour-Aktivisten Ronny Linke und den Apoldaern Marcel Buhe und Enrico Küntzel zusammen an.

links: Flyer für das Blood & Honour-Festival in England; rechts: Ronny Linke (2.v.l.), Stephan Trautvetter (3.v.l.), Enrico Küntzel (2.v.r.) und Marcel Buhe (1.v.r.) am 21.09.2012 im Festzelt. (Foto: Facebook)

Als sich in Apolda 2016 der Thügida-Ableger Wir lieben Apolda formierte, begann auch Stephan Trautvetter, sich stärker politisch zu organisieren. Am 23.04.2016 fuhr er mit dem Sänger der Apoldaer Rechtsrockband 12 Golden Years (siehe Artikel zur Band), Christoph Walther, und erneut mit Marcel Buhe zum Aufmarsch nach Eisenberg. Im Rahmen ihrer rassistischen Kampagne von so gemeinten Wohltätigkeitsaktionen “Nur für Deutsche” verteilte die Apoldaer Initiative in Sozialeinrichtungen Essen- und Kleiderspenden, lud zu kostenlosem Grillfleisch am Straßenrand ein und organisierte mehrere Kundgebungen und Aufmärsche. Bei der Grillaktion warb Trautvetter u.a. im Shirt der Initiative für deren Anliegen.

Grillfleisch “nur für Deutsche”: Stephan Trautvetter (1.v.r.), Marcel Buhe (2.v.r.) und Christian Steinbrück (3.v.r.) 24.06.2016. (Foto: Facebook)

Angesichts von Trautvetters langjähriger Rolle innerhalb der Apoldaer Naziszene war es keine Überraschung, dass ausgerechnet der Schlagzeuger von 12 Golden Years, Stefan Rose, vom KSC Deutsche Eiche Apolda als Produzent eines Dokufilms beauftragt wurde. Rose ist selber Boxer, aber vor allem hauptberuflich Fotograf und Grafiker unter dem Namen Emotiongraphic.

12 Golden Years-Schlagzeuger Stefan Rose auf Instagram über seinen Film für den KSC Deutsche Eiche.

Der Sportverein KSC Apolda steht dem VfB somit in nichts nach. Er bietet Neonazis die Möglichkeit, sich als kümmernde Wohltäter im Breitensport zu betätigen. Damit fördern sie die subversive Verbreitung extrem rechter Ideologie im Rahmen von unverfänglichen Sportangeboten. Zumal Boxen und Ringen auch die körperliche Voraussetzungen mit sich bringt, abseits der Trainingsmatte handfest durchzugreifen. Durch die öffentliche Zusammenarbeit des KSC mit Emotiongraphic wird ebenfalls deutlich, dass man beim Verein kein Bewusstsein für derlei problematische Zusammenarbeit hat und somit Nazis die Chance gibt, sich als seriöse Geschäftspartner in Szene zu setzen.

Dominic Kiesig: NS-Aktivist und Mittelfeldspieler beim BSC Aufbau Apolda

markiert: Dominic Kiesig bei der 1. Männermannschaft des BSC Aufbau Apolda.

Mit Dominic Kiesig ist ein weiterer organisierter Neonazi in einem Apoldaer Sportverein aktiv. Der 24-Jährige spielt seit 2018 für die zweite und erste Männermannschaft des Vereins. In der selben Zeit fiel Kiesig als einer der wenigen Aktivisten der Erfurter Parteigliederung von Der III.Weg auf. Diese Splitterpartei orientiert sich inhaltlich und ideologisch stark am historischen Nationalsozialismus und fiel schon länger durch eine Nähe zu rechtsterroristischen Strukturen auf. Erst Anfang 2021 wurde eine fränkische Parteiaktivistin wegen Morddrohungen und der Planung von Sprengstoffanschlägen angeklagt.
Beim BSC Aufbau Apolda ist neben Dominic Kiesig gelegentlich auch Ricardo Wenzel aktiv, der zu einer rechten Jugendclique um Dominic Kiesig und Benny Meusel in Apolda gehörte. Meusel und Kiesig ließen mehrere Jahre kaum einen Aufmarsch oder ein Propagandavideo ihrer Erfurter Parteiführer Enrico Biczysko und Michel Fischer aus. Sie trainierten außerdem in den Räumen des inzwischen geschlossenen Volksgemeinschaft e.V. und auf Sportplätzen am Erfurter Herrenberg Kampfsport mit ihren Parteikameraden.

Dominic Kiesig (l.) mit Reichsflaggen-Tattoo an der Wade und Benny Meusel (r.) auf dem Weg zum Boxtraining mit “Der III.Weg” Erfurt im Juli 2018. (Bild: Youtube)

Nachdem die beiden Erfurter Führungskader von Der III.Weg sich vor einem guten Jahr mit der restlichen Partei überwarfen, löste sich die Gliederung auf. Dominic Kiesig ist jedoch weiterhin aktiv, wie seine Teilnahme am europaweiten Großaufmarsch der Naziszene am 15.02.2020 in Dresden zeigte. Dort lief er in einer größeren Gruppe aus älteren und jüngeren Apoldaer Kameradschaftern mit.

v.l.n.r.: André Groth, Eric Busch, Christian Meister und Dominic Kiesig in Dresden am 15.2.2020. (Foto: Tim Mönch)

Fair Play gibts nur ohne Nazis

In § 2 der Satzung der Kreis- und Stadtsportbünde des Landessportbunds Thüringen e.V. heißt es über die Grundsätze und Werte: “Er missbilligt rassistische, verfassungs- und fremdenfeindliche Bestrebungen entschieden (…).” Somit bekennen sich auch die Sportvereine im Weimarer Land durch ihre eigenen Vereinssatzungen und Mitgliedschaft im Kreissportbund Weimarer Land zu einem Eintreten gegen Neonazis. Der KSC Deutsche Eiche stellt gar einen Beisitzer im Vorstand des Kreissportbundes. Aktive Neonazis in lokalen Sportvereinen, die sich für den propagierten Straßenkampf fit machen und Vereinsräume für Rechtsrockkonzerte und private Feiern mit bundesweit bekannten und militanten Neonazis nutzen, dürften weit außerhalb der Selbstverpflichtung in den Vereinssatzungen liegen.
Sportvereine stehen für die gesellschaftliche Integration. Diese als Toleranz für jeglichen Menschenfeind auszugestalten, geht jedoch völlig fehl. Vielmehr kann der Sport erst durch Solidarität und eine klare Haltung gegen Ausgrenzung eine integrierende Wirkung entfalten. Wenn Neonazis sich als engagierte Kümmerer und “ganz normale” Mitspieler auf dem Platz als legitimer Teil der Sportgemeinschaft und damit der Gesellschaft inszenieren können, verschleiert dies ihre menschenverachtende Ideologie und die Brutalität, mit der sie gegen Menschen vorgehen, die nicht in ihr rassistisches Weltbild passen. An dieser Stelle scheinen bei den beteiligten Vereinen erhebliche Wahrnehmungsdefizite zu herrschen. Wo Verantwortliche Fotos mit NS-Symbolik lieber retuschieren anstatt Konsequenzen zu ergreifen, wo sich Vereine durch einen extrem rechten Filmemacher ins Bild setzen lassen und Vereinsheime als Neonazitreffpunkte dienen, verkommt jede antirassistische Satzung zur Farce.

Denn eins ist sicher: Fair Play gibts nur ohne Nazis.