Zur Landratswahl am 14.1.2024 tritt im Ostthüringer Saale-Orla-Kreis Uwe Thrum für die AfD an. Thrum wurde im Zuge rassistischer Mobilisierungen 2015 zum rechten Aktivisten und danach zum AfD-Politiker mit Sitz im Landtag. Er will nach dem Landkreis Sonneberg nun das zweite Landratsamt deutschlandweit für die AfD erobern. Thrum blieb auch als Landtagsabgeordneter seiner politischen Sozialisation als rechter Demagoge treu: Während der staatlichen Eindämmungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie eilte er von Montagsdemo zu Montagsdemo und gab den Rebell. Dabei machte er gemeinsame Sache mit Reichsbürgern und Neonazis wie Frank Haußner und Christian Klar. Thrums eigener AfD-Gebietsverband besteht aus AktivistInnen des Reichsbürger-Bündnisses „Freies Thüringen“, die vereinzelt an bundesweiten Aufmärschen neonazistischer Netzwerke teilnehmen. Wie gefährlich diese Netzwerke sind, zeigte die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß aus dem südlichen Saale-Orla-Kreis die unter Mitwirkung einer AfD-Bundestagsabgeordneten einen Putsch geplant und riesige Waffenarsenale angelegt hatte. „Freies Thüringen“ bewarb und organisierte mehrfach Veranstaltungen mit Gefolgsleuten von Reuß, die an den Umsturzplänen teilhatten. Uwe Thrum ist mindestens bekannt mit jenem Reuß, der demnächst als Anführer dieser Terrorgruppe vor Gericht stehen wird. Mit einem Landrat Uwe Thrum hätten diese gefährlichen Netzwerke einen gewichtigen Fürsprecher neuen Rückenwind für ihre Gewaltbestrebungen.
Politische Initialzündung in rassistischen Mobilisierungen 2015
Als 2015 die Nachricht zirkulierte, dass im ehemaligen Zoll-Block der Kleinstadt Hirschberg Geflüchtete untergebracht werden sollten, rumorte es in dem kleinen Ort im Südosten des Saale-Orla-Kreises (SOK). Uwe Thrum, der am nordöstlichen Rand von Hirschberg lebt, schwang sich zum Sprecher der Initiative „Wir lieben Hirschberg“ auf, die fortan gegen Geflüchtete hetzte. In offenen Briefen, Informationsveranstaltungen des Landkreises und im Stadtrat verbreitete Thrum die gängigen rassistischen Mythen von Gefahren für Frauen und Kinder und angeblich benachteiligten Einwohner*innen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Als die beschworenen Gefahren sich nicht realisierten, wurde die Alltäglichkeit, dass Geflüchtete den örtlichen Bolzplatz nutzten, zum Verteidigungsfall stilisiert: „Wir lieben Hirschberg“ berichtete auf Facebook, dass eine Gruppe mutiger Deutscher die erwachsenen Geflüchteten zugunsten von Kindern des Platzes verwiesen hätten. Der erste größere „Erfolg“ von Thrums Hetze war die Absage eines „Willkommensfestes“ für Geflüchtete in Hirschberg Ende 2015. Die Mobilisierung von Thrum und seiner AnhängerInnenschaft hatte in den Augen der Kommune ein zu großes Risiko dargestellt, dass die geplante Feier unter bedrohlicher Atmosphäre hätte stattfinden müssen. Bereits im Sommer 2015 hatte Jasmin Rasche aus Paska zusammen mit den Neonazis um David Köckert aus Greiz zu „Thügida“-Kundgebungen im nahegelegenen Bad Lobenstein mobilisiert.
Uwe Thrum baute sich mit seinem rassistischen Aktivismus in einer Zeit multipler rechter Mobilisierungen eine erste Basis auf, auf die er nach seinem Eintritt in die AfD 2018 aufbauen konnte. 2019 wurde er in den Landtag gewählt und wurde dort u.a. Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss. Zur gleichen Zeit waren immer noch seine Facebook-Likes für die Neonazi-Gruppe „Wir lieben den Saale-Holzland-Kreis“ einzusehen, die 2016 Fackelmärsche zu den Geburtstagen von Adolf Hitler und Rudolf Hess veranstaltet hatte. Mit seiner Kameradin im Geiste von 2015, Jasmin Rasche, beging Uwe Thrum dann den 1. Mai 2022 gemeinsam bei einer Kundgebung der AfD in Pößneck.
Stramm völkisch: Der AfD-Gebietsverband Saale-Orla
Im AfD-Gebietsverband liefen zur Zeit von Thrums Einstieg bereits die Fäden verschiedener rechter Strukturen zusammen: Einer der Mitgründer des Kreisverbands war Wolfram von Brandenstein aus Oppurg, der damals Alter Herr der neofaschistischen „Alten Burschenschaft auf dem Burgkeller“ aus Jena war. Diese Burschenschaft ist die einzige Jenaer Studentenverbindung, die noch Mitglied im extrem rechten Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ ist, der sich dafür rühmt, Anhänger von CDU, AfD und NPD zusammenzubringen. Von Brandenstein vertrat seine Burschenschaft 2016 auf dem DB-Jahreskongress.
Von Brandenstein gab sein Kreistagsmandat vorzeitig an Anja Bergner ab, weil er in die Schweiz verzog. Als Mitgründer des Verbands hatte er zusammen mit dem Triptiser Oswald Gmeiner noch verkündet, den Verband „neonazifrei“ halten zu wollen. Die Widersinnigkeit dieser Ankündigung begründet sich bereits mit Von Brandensteins Neonazi-Kontakten innerhalb seiner eigenen Burschenschaft. Weiterhin organisierte der Gebietsverband Vorträge mit Frank Haußner aus Zeulenroda, in denen Verschwörungserzählungen rund um öffentlich-rechtliche Medien und den Rundfunkbeitrag verbreitet wurden. Haußner war ähnlich wie Thrum 2014 über eine rassistische Bürgerinitiative zum Aktivisten geworden und schon im Folgejahr mit Bannern der neonazistischen „Thügida“ auf Aufmärschen in Berlin unterwegs. Wichtige Verbündete für Haußners neofaschistische außerparteiliche Strukturen im AfD-Gebietsverband SOK sind die Kreistagsmitglieder Anja und Heiko Bergner aus Geroda. Als Haußner etwa im September 2021 eine Fahrt nach Rheinland-Pfalz organisierte, um mit den „Patrioten Ostthüringen“ ein geschichtsrevisionistisches Gedenken am Denkmal des „Rheinwiesenlagers“ abzuhalten, fuhr neben bekannten Neonazis und Reichsbürgern wie Christian Bärthel, Beatrice Fischer oder Marek Hallop auch Heiko Bergner mit. Passend zum Anlass gehörte zu Bergners Reisegruppe auch der bekannte Reichsbürger Volker Ludwig aus Gräfendorf bei Ranis, der zu den mittlerweile verbotenen „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ zählte.
Noch deutlicher als das Ehepaar Bergner verkörpert der Kreistagsabgeordnete und erste Sprecher des Gebietsverbands, Hartmut Lucas aus Burgk, dieses Verschwimmen der AfD SOK mit Straßenprotesten von Reichsbürgern und Neonazis. Lucas ist Doppelmitglied von AfD und „Patrioten Ostthüringen“ und war zusammen mit Frank Haußner führend an den Durchbrüchen am 7.11.2020 auf dem Leipziger Stadtring beteiligt, als Neonazis Polizeiketten angriffen und Ostthüringer Rechte um Haußner und Lucas die Massen anführten. Haußner persönlich beschrieb im Nachgang die planvollen Durchbrüche seiner Truppe um Hartmut Lucas. Lucas organisierte seit Beginn der Pandemie die Montagsdemos in Schleiz, die immer wieder in Durchbruchsversuchen durch Polizeiketten oder Beschimpfungen bis Bedrängen von Feuerwehrleuten im Einsatz mündeten. Hartmut Lucas ist seit Jahren mehrmals die Woche auf rechten Versammlungen in ganz Ostdeutschland, überwiegend mit den „Patrioten Ostthüringen“, die in „Freies Thüringen“ aufgingen. In deren Namen nahm er am 11.2.2023 auch am seit Jahren bundesweit größten Aufmarsch der militanten Naziszene in Dresden teil.
„Freies Thüringen“ – AfD-FunktionärInnen im Reichsbürger-Bündnis
Im Jahr 2021 etablierte sich der Telegram-Kanal „Freies Thüringen“ als zentrale Mobilisierungsplattform für verschwörungsideologische Montagsdemos gegen die Pandemieschutzmaßnahmen des Staates. Dem Kanal folgten bald bis zu 20.000 Menschen. Hauptinhalt waren zunächst die wöchentlichen Ankündigungen von Montagsdemos in ganz Thüringen und Fotos sowie Kurzvideos im Nachgang der Montage. Mit der Zeit kamen mehr und mehr verschwörungsideologische und esoterische Inhalte dazu. Im Verlauf des Jahres 2022 tendierten die selbstverfassten und geteilten Beiträge immer mehr in Richtung völkischer Rassismus und Reichsbürger-Mythen von einer anhaltenden Besatzung der BRD durch die Alliierten und der Nicht-Existenz von BRD und Grundgesetz hinzu. Konkret wird das Grundgesetz als „Alliierte Verwaltungsordnung“ bezeichnet (s. obiges Bild 1.v.l.), eine bekannte Rede des Reichsbürger-Putschisten Heinrich XIII. Prinz Reuß (im Folgenden Heinrich Reuß) mit dem Hinweis geteilt, dass er bereits drei Jahre zuvor die vermeintliche Wahrheit einer nicht-existenten BRD verkündet hätte (s. obiges Bild 2.v.l.), und es wird von der „Überwindung des politischen Parteiensystems durch das indigene deutsche Volk“ geträumt (s. obiges Bild 3.v.l.). Im Namen von „Freies Thüringen“ wurde für Oktober 2022 zu einem ersten „Zukunftskongress“ nach Pfiffelbach eingeladen. Dort spielten die Neonazi-LiedermacherInnen Axel Schlimper und Kathrin Enderle alias „Eine deutsche Frau“ zwischen Vorträgen zur Bildung von „Wahlkommissionen“ für die Ablösung der BRD durch Reichsbürger-Strukturen und revisionistischen Präsentationen zur Rückerlangung der ehemals zum Reich zugehörigen Gebiete des heutigen Polens, Tschechiens und des Baltikums.
Auf Telegram zeigen die AdministratorInnen bis heute kein Gesicht. Auf der Straße wurde jedoch bald klar, wer hinter dem selbsterklärten „Bündnis“ steht: Der Zeulenrodaer Reichsbürger Frank Haußner und seine Netzwerke von Antisemiten und Neonazis zwischen Zeulenroda und Erfurt. Tatsächlich kann von einem Bündnis ausgegangen werden: Im Namen von „Freies Thüringen“ traten neben Haußner und seinen KameradInnen aus dem Landkreis Greiz und dem SOK auch die Geraer Neonazis um Christian Klar, Gleichgesinnte aus Erfurt, Süd- und Westthüringen auf. Während sich die AktivistInnen in Ostthüringen aus der rechten Szene rekrutierten, kamen die BündnispartnerInnen andernorts aus bislang eher politisch unorganisierten bürgerlichen Milieus: Die Erfurterin Gitta Kritzmöller war Lehrerin und Schöffin am Landgericht, Gerald Rauch aus Großbreitenbach ist Unternehmer und die Roßdorferin Anne Nitzsche, eine von mehreren Telegram-AdministratorInnen des Bündnisses, ist systemische Beraterin. Während Telegram-Beiträge mit Reichsbürger-Ideologie die Handschrift Frank Haußners tragen, sorgt etwa Anne Nitzsche mit Crosspostings spiritueller Wohlfühl-Sharepics aus ihrem privaten Instagram-Profil für Anschlussfähigkeit der Reichsbürger an esoterische Milieus, die unter Bürgerlichen florieren. Nitzsche ist Anhängerin des US-amerikanischen Verschwörungsideologen William Toel, der seit Jahren mit religiös-völkischen Vorträgen durch Deutschland tourt und den Deutschen eine Rückkehr zur Weltmacht durch eine Abkehr vom „Schuldkult“ verspricht.
In Ostthüringen zählt neben den bekannten AkteurInnen aus der rechten Szene der AfD-Gebietsverband Saale-Orla-Kreis zu den tragenden Säulen des Reichsbürger-Bündnisses. Die Montagsdemos gegen Corona-Schutzmaßnahmen wurden im SOK von Anfang an maßgeblich von AfD-FunktionärInnen mitorganisiert: Das Ehepaar Bergner und Oswald Gmeiner in Triptis, Martin Jacob in Weira, Manfred Bentz (inzwischen verstorben) und Corinna Schmidt in Pößneck, Hartmut Lucas in Schleiz, Stephan Winkler in Tanna und Uwe Thrum als fliegender Hetzredner allerorts. Dies geschah aus taktischen Erwägungen zu Beginn ohne Parteilogo. Später reihten sich die AfD-Kader bei „Freies Thüringen“ ein. So wurden weder die zahlreichen Gesetzesverstöße und Angriffe auf Polizist*innen noch die vielen extrem rechten Symboliken und Parolen direkt der Partei zugeordnet. An dem Engagement für „Freies Thüringen“ hielten die Kader der AfD SOK auch nach der Verhaftung der PutschistInnen-Truppe um Heinrich Reuß und dem danach bekräftigten Bekenntnis des Bündnis-Sprechers Frank Haußner zu Reuß‘ Bestrebungen fest.
Der AfD-Gebietsverbandssprecher und Kreistagsabgeordnete Hartmut Lucas kann neben dem Reichsbürger Frank Haußner als einer der Hauptaktivisten von „Freies Thüringen“ in Ostthüringen bezeichnet werden. Als er im Sommer 2022 zu sich nach Burgk einlud, nutzte auch der jetzige Landratskandidat Uwe Thrum das aufgestellte Banner des Reichsbürger-Bündnisses für ein Selfie mit Lucas.
Frank Haußner – ein Anhänger der Reußschen Umsturzpläne als wichtigster Mann der Thüringer AfD
Seit Jahren arbeitet die AfD mit dem Zeulenrodaer Reichsbürger Frank Haußner zusammen. Haußner profilierte sich seit 2014 als Straßenaktivist gegen Geflüchtete und knüpfte bald Netzwerke, die sich auch die damals entstehenden AfD-Kreisverbände Landkreis Greiz, SOK oder Gera zunutze machen wollten. Gleichzeitig etablierte sich Haußner auch als Stratege der extrem rechten Einheitsfront von Partei und Straße. Schon 2017 wurde Haußners Engagement für das Neonazi-Bündnis „Thügida“ und die „Patrioten Ostthüringen“ mit einem Empfang bei Björn Höcke und Stephan Brandner im Thüringer Landtag belohnt. Die AfD Greiz lauschte zusammen mit Mitgliedern der „Identitären Bewegung“ seinem Jahresrückblick auf gemeinsame rassistische Mobilisierungen 2018. Die AfD SOK lud ihn nach seinem Vortrag gegen den Rundfunkbeitrag im Februar 2020 auch zur internen Nachbereitung der gemeinsamen Teilnahme an der Querdenken-Großdemo in Berlin am 29.8.2020 ein. Spätestens seit Haußners Auftritt auf der AfD-Großkundgebung in Gera am 16.10.2020 wird er auch von Björn Höcke persönlich als ebenbürtiger Partner gewürdigt. Haußner qualifizierte sich für diese Rolle mit einer Rede vom „Krebsgeschwür des tiefen Staates“, der „die Menschheit in einer digitalen neuen Weltordnung versklaven will“. Selbstredend dominierte Haußner seit 2020 auch das Protestgeschehen in Ostthüringen mit seinen Netzwerken und radikalen Inhalten.
Dass es sich bei Haußner um einen überzeugten und gut vernetzten Reichsbürger handelt, dürfte der AfD nicht verborgen geblieben sein. So erklärte er selber öffentlich, schon 2019 an einem von Heinrich Reuß organisierten Treffen führender AkteurInnen der Reichsbürgerbewegung teilgenommen zu haben. Haußners „Patrioten Ostthüringen“ empfingen Reuß im Oktober 2021 für ein Vernetzungstreffen in Cronschwitz bei Gera. Wenig später warb Haußner für Reuß‘ Pläne zur Rückkehr als Reichsfürst mit den Worten: „Ich werde diesen Weg gemeinsam mit ihm gehen und rufe euch auf, diesen Weg ebenfalls einzuschlagen.“
Frank Haußner im Oktober 2022 in Cronschwitz (Video: Twitter Ostthüringer Divan)
Auch nach der ersten Verhaftungswelle gegen die PutschistInnentruppe um Reuß am 7.12.2022 erklärte Haußner auf der Montagskundgebung in Zeulenroda seine Unterstützung für Reuß‘ Pläne und verwahrte sich auch gegen Versuche von rechts, Reuß‘ Putschpläne ins Lächerliche zu ziehen. Von den Razzien war zu diesem Zeitpunkt bereits bekanntgegeben worden, dass 90 Waffen und 1000 Schuss, teilweise aus Bundeswehrbeständen, gefunden worden seien. Außerdem soll die Gruppe konkrete Pläne zum Sturm des Bundestags, zur Verhaftung von Politiker*innen und zur Erschießung von Personen des öffentlichen Lebens geschmiedet haben. Im März 2023 sollte die Wohnung eines weiteren Mitglieds der Gruppe Reuß durchsucht werden. Der bewaffnete Reichsbürger schoss auf die Polizist*innen und traf einen Beamten in den Arm. Als sich Anfang Juni 2023 bundesweite ReichsbürgerInnen-Netzwerke zum „2. Zukunftskongress“ auf der Pferderanch von Yvonne Bonda in Worbis (Eichsfeld) trafen, war wiederum Frank Haußner mit von der Partie. Er teilte sich ein Podium mit dem Kopf der Neonazi- und Reichsbürgerpartei „Freie Sachsen“, Martin Kohlmann, dem Verschwörungsideologen und Reichsbürger Frank Radon und dem glühenden Antisemiten und Reichsbürger Hans-Joachim Müller. Müller hatte 2022 kurz vor einer Verhaftungswelle die Terrorgruppe „Vereinte Patrioten“ für interne Beratungen über erste Schritte nach der geplanten Entführung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach und einem gewaltsamen Umsturz getroffen. Martin Kohlmann verteidigte später einen der Angeklagten Terroristen. Ein Mitglied der Gruppe Reuß hatte an klandestinen Treffen der „Vereinten Patrioten“ teilgenommen und dadurch die Polizei erst auf die Reußschen Pläne aufmerksam gemacht. Außerdem in Worbis mit dabei: Matthes Haug, der in die Putschpläne von Heinrich Reuß‘ Gruppe eingeweiht war und an mehreren Treffen des Terrorplaners Reuß in Bad Lobenstein teilnahm. Haug ist Beschuldigter im Terrorverfahren.
Am 26.8.2023 würdigte Björn Höcke bei einem Auftritt in Heiligenstadt Frank Haußner als ebenbürtigen und unverzichtbaren Teil des gemeinsamen Kampfes. Zu diesem Zeitpunkt war bereits vielfach öffentlich über Haußners Netzwerke und Reuß-Verbindungen berichtet worden. Höcke legt jedoch viel Wert auf solche pathetischen Gesten: Entsprechend der Hauptstrategie der neofaschistischen „Neuen Rechten“ gliedert sich ihre Bewegung in „Partei und Vorfeld“. Höcke verfolgt diese Strategie konsequent, indem er sich Neonazis und Reichsbürger wie Christian Klar und Frank Haußner warmhält.
Björn Höckes Loblied auf Frank Haußner am 26.8.2023 in Heiligenstadt (Video: Twitter Ostthüringer Divan)
Es gibt vielfache Kritik der extrem Rechten an einer vermeintlich zu liberalen AfD, die sich vielerorts immer noch zu PR-Zwecken von Neonazis abgrenzt. Auch gibt es viel antisemitisch konnotierte Kritik an vermeintlichen „TransatlantikerInnen“ oder Wallstreet-nahen AfD-FunktionärInnen wie Alice Weidel. Haußner selber ist ein solcher Antisemit, der trotz seiner Verachtung für die nicht-faschistischen FunktionärInnen der AfD Höcke und seine Partei für einen unverzichtbaren Partner hält. Als sich am 28.10.2023 ReichsbürgerInnen der „26 Bundesstaaten“ in Dresden versammelten, hielt Haußner als Vertreter des Fürstentums Reuß eine Rede voller antisemitischer Codes wie dem „aufgezwungenen Schuldkult“ und der Prophezeiung: „Die Menschen erkennen, dass eine korrupte, hochkriminelle und satanische Parallelstruktur, welche ‚Der tiefe Staat‘ genannt wird, sich wie ein Krebsgeschwür über den gesamten Globus ausgebreitet hat und die Menschen in einer digitalen neuen Weltordnung versklaven will.“
Moskauer Verhältnisse in Plothen
Am 16.11.2023 trat Björn Höcke in einer Saalveranstaltung in Plothen im SOK mit Uwe Thrum auf. Im Nachgang machte dieser Abend Schlagzeilen, weil Peter Hagen von der Ostthüringer Zeitung (OTZ) von AfD-Anhängern angegriffen wurde. Beim Verlassen der Veranstaltung wurde er zunächst bedroht: „Du Ratte traust dich hierher?!“ Danach erhielt er einen Schlag auf den Hinterkopf und verlor seine Mütze. Als er nach dem Verlassen sein Auto zurücksetzte, bemerkte er vier platte Reifen: Unbekannte hatten Schrauben in seinen Reifen versenkt.
An einer Scheu der AfD vor Öffentlichkeit kann es nicht gelegen haben. Denn der neofaschistische Youtube-Streamer Andreas Thomä konnte unbehelligt seine Kamera mit Stativ im Gang vor der Bühne platzieren und den gesamten Abend mitschneiden. Thomä nahm schon vor vielen Jahren an den Nazi-Aufmärschen von „Thügida“ in Gera teil und wurde danach zum führenden Aktivisten und Busfahrer der „Patrioten Ostthüringen“ um Frank Haußner. Thomä und andere Youtuber wie Michael Wittwer aus Chemnitz sind der AfD wohlgelitten, weil sie selber rechte Aktivisten sind und gar nicht auf die Idee kommen, kritische Fragen zu stellen. Uwe Thrum sah schon dabei zu, wie der Bad Lobensteiner Bürgermeister Thomas Weigelt im August 2022 Peter Hagen umstieß, weil er nicht mit Prinz Reuß und Thrum gefilmt werden wollte. Das kostete Weigelt sein Amt, während Thrums Rolle kaum thematisiert wurde. Nun wurde Peter Hagen erneut Opfer eines Übergriffs von Thrums Gesinnungsgenossen. Uwe Thrum hat genausowenig ein Problem damit, neben Reichsflaggen zu marschieren wie unter Russlandflaggen. Beide Symboliken schlagen sich schon länger in konkretem Handeln nieder: Nicht nur kokettiert Uwe Thrum mit der Idee von Arbeitszwang für Klimaaktivist*innen, wenn er wie am 6.3.2023 in Triptis fordert: „Und damit uns diese Klimaterroristen nicht dazwischen kommen, brauchen wir für diese Leute Arbeitseinsätze. Die soll sich in den Wald begeben, um dort Bäume zu pflanzen. Ein Hektar Wald speichert im Jahr 13 Tonnen CO2! Dort sollen sie ihre Hand anlegen und sich nützlich machen.“ Die AfD schließt auch im Stile der russischen Autokratie nicht nur unliebsame Medien von ihren Parteitagen aus, sondern schaut schadenfroh zu, wie ihre AnhängerInnenschaft mutige Lokaljournalist*innen wie Peter Hagen attackiert und ihn durch Sabotage am PKW in Lebensgefahr bringt. Der Geraer Neonazi Christian Klar behauptete im Nachgang der Attacke, Hagen hätte sein Auto selber sabotiert und nutzte die Gelegenheit, um ihm und anderen unliebsamen Journalist*innen mit Rache nach einem Sieg der AfD bei den Landtagswahlen 2024 zu drohen. Dass solche Attacken ganz im Sinne der AfD sind, bewies deren Anführer Höcke bereits, als er ein ZDF-Interview unter drohenden Verweisen auf eine kommende Machtergreifung der AfD abbrach.
Neonazis, Reichsbürger, Landrat?
Natürlich macht Uwe Thrum auch mit dem Geraer Neonazi Christian Klar gemeinsame Sache. Bei der 200. rechten Montagsdemo in Schleiz am 22.3.2023 begrüßten die beiden sich per Umarmung, um sich danach freudig auszutauschen. Thrums Popularität fußt maßgeblich auf diesen Strukturen der außerparlamentarischen extremen Rechten, die im „Vorfeld“ der AfD Aufbauarbeit leisten und mit Verschwörungserzählungen und Reichsbürgermythen in den rechtsoffenen Milieus Ostthüringens das Vertrauen in etablierte Strukturen und Parteien zutiefst zu erschüttern vermochten. Für die komplexen Fragen der Zeit bietet Thrum seinem Publikum maximal unterkomplexe Antworten: Fällt etwa Russland ins Nachbarland Ukraine ein, lautet Thrums Antwort: Die Ukraine solle die nun besetzten Ostgebiete schlicht aufgeben und Deutschland seine Sanktionen aufheben. Maßgabe ist einzig, dass die Deutschen gewissenlos weiter günstiges Gas bekommen. Die offensichtliche Instabilität in Sachen Liefermengen und -preisen bei einer Abhängigkeit von einem kriegslüsternen russischen Regime soll Thrums Wähler*innen ebensowenig beschäftigen wie ökologische Fragen. In vielen relevanten Fragen hat Thrum keine eigene realpolitische Position – was er aber auch nicht muss: Die Zustimmungswerte zur AfD waren im SOK schon bei vergangenen Wahlen überdurchschnittlich hoch und er wird auch zur Landratswahl von vielen Faktoren außerhalb seines Einflussbereichs profitieren.
Man muss trotz der engen Zusammenarbeit der AfD auch nicht unterstellen, dieselben Ziele wie Haußner und Reuß anzustreben. Die Beteiligung der AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann an den Putschplänen der Terrorgruppe um Heinrich Reuß sollte dennoch sehr ernst genommen werden. Björn Höcke und Uwe Thrum scheinen nicht weiter in die Reuß-Netzwerke involviert gewesen zu sein. Jedoch herrscht ideologische Einigkeit zwischen Haußner und Höcke, wenn es um die faschistische Erzählung einer weiterhin von „fremden Mächten“ besetzten und beherrschten BRD und den Kampf gegen eine Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit geht. In Höckes Machtstreben ist kein Platz für einen Fürsten Reuß, der monarchistische Herrschaftsansprüche geltend machen will. Haußner und seine Reichsbürger-Netzwerke beschaffen der AfD jedoch wichtige WählerInnenstimmen und arbeiten mit ihren Mythen an einer grundlegenden Verunsicherung und gleichzeitigen Feindbildbestimmung in der der Bevölkerung, an die die AfD nahtlos anknüpfen kann. Diese gegenseitige Befeuerung zwischen rechtem Straßenkampf, bewaffneter Reichsbürgerszene und der AfD als ihrer parlamentarischen Vertretung demonstrierte Landratskandidat Uwe Thrum etwa, als er zur rechten Montagsdemo in Schleiz am 9.2.2022 die eingesetzten Polizeibeamt*innen als „Schlägertruppen“ und „schwarz gekleidete Männer in Kampfmontur“ bezeichnete.
Uwe Thrums Schleizer Verbündete attackieren Feuerwehrleute im Einsatz, er selber hetzt gegen Polizist*innen, die Infektionsschutzbestimmungen durchzusetzen angewiesen waren. Er kooperiert mit dem verurteilten Drogendealer, Betrüger und Einbrecher Christian Klar und macht gemeinsame Sache mit dem Reichsbürger Haußner, der gewaltsame Umstürze und Mordpläne gutheißt. Nun ist an der Kritik an Polizeigewalt und -willkür nicht per se etwas auszusetzen, genausowenig an dem Konsum von Drogen oder an Diebstahl bei denjenigen, denen es nicht wehtut. Wenn man oberster Verwaltungsherr eines Landkreises werden will, dann wird das jedoch zu einer Frage der Glaubwürdigkeit. Auch das Predigen von Law&Order anlässlich von Polizeimeldungen zu nicht-deutschen Tatverdächtigen im SOK bei gleichzeitiger Zusammenarbeit mit Schwerkriminellen wie Christian Klar macht sich nicht gut. Und mit dem Rebellentum, in dem sich Thrum auf Montagsdemos gefällt, war es auch schnell vorbei, als er ein Bußgeld zahlen sollte: Plötzlich wollte er an der betreffenden Demo seiner Klientel in Schleiz gar nicht teilgenommen haben. Das mit Abstand größte Problem mit Thrum bleibt bei alledem: Ein Wahlsieg und AfD-geführtes Landratsamt würde seinen rechten UnterstützerInnen auf der Straße massiven Aufwind geben, deren Gewalt sich gegen Geflüchtete, LGBT*-Personen, Klimaaktivist*innen, Antifaschist*innen, Pressevertreter*innen, Politiker*innen und letztlich gegen alle richtet, die ihre verqueren bis faschistischen Weltbilder stören.