Wie in allen ostdeutschen Städten bildete sich auch in Gera nach der Wende eine größere Szene von Neonazi-Skinheads heraus. Sie dominierten öffentliche Plätze, begingen rassistische Übergriffe und verbreiteten ein Klima der Angst. Durch die Gründung von Rechtsrockbands, Kameradschaft und Parteiverbänden festigten sich ihre Strukturen. Die Kameradschaft Gera war eine tragende Säule des Thüringer Heimatschutzes und hatte somit auch gute Beziehungen zum späteren NSU-Kerntrio, seinen Jenaer UnterstützerInnen und zum NSU-Terrornetzwerk. Auch in Gera wurden nach dem Untertauchen des Trios 1998 Spendengelder gesammelt. Die Baseballschlägerjahre der frühen Neunziger gipfelten 2004 in der Ermordung von Oleg Valger durch vier teils noch jugendliche Geraer Neonazis. In der Rückschau hebt sich Gera jedoch von anderen Städten in der Region, die eine ähnlich bittere Entwicklung seit der Wende durchliefen, durch mehrere Faktoren ab: Überdurchschnittlich viele Neonazis, die teils als Jugendliche nach der Wende die Szene aufbauten, sind bis heute in der Stadt aktiv. Es gab zudem eine hohe Dichte an Rechtsrockbands, die teilweise bis heute Bestand haben. Und in Gera saß die Führung der Thüringer Sektion von Blood & Honour, die den bewaffneten Kampf über Rechtsrockkonzerte propagierte und finanzierte. Zwanzig Jahre später veranstalten dieselben Personen noch Großkonzerte. Der NSU-Helfer André Eminger ist über die Rockergruppe Stahlpakt und über die Gefangenenhilfe eng mit Geraer Neonazis verbunden und taucht dort selber immer wieder auf. Mit der Gründung der AfD traten mehrere Akteure aus den Neunzigern der AfD bei, darunter ein noch heute aktiver Rechtsrocker. Und auch die Proteste der Pandemieleugner*innen werden in Gera von Neonazis aus dem früheren Umfeld von Blood & Honour Hand in Hand mit der AfD organisiert. Weiterlesen
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Reinhardt Etzrodt: 2015 mit militanten Nazis marschiert, 2020 Stadtratsvorsitzender für die AfD Gera
Der Geraer Stadtrat hat am 24.09.2020 den AfD-Politiker Reinhard Etzrodt zum Vorsitzenden gewählt. Elf von 23 Stimmen müssen von anderen Parteien als der AfD gekommen sein. Die CDU will es nicht gewesen sein. Zu Recht weisen zahlreiche Veröffentlichungen wiederholt auf die Gefährlichkeit der AfD hin, im Speziellen auf die Thüringer Höcke-Partei. Auch Reinhard Etzrodt persönlich ist schon einschlägig aufgefallen: Er marschierte im Juni 2015 bei der Thügida-Demo in Gera mit. Diese wurde von bekannten NPD-Aktivisten und Antisemiten der mittlerweile aufgelösten „Europäischen Aktion“ organisiert. Etzrodt lief an dem Tag außerdem neben früheren Weggefährten des NSU-Kerntrios und Aktivisten des Anfang 2020 verbotenen militanten Netzwerks “Combat 18”. Begleitet wurde der jetzige Stadtratsvorsitzende damals von seiner Frau Bettina, ebenfalls heute AfD-Politikerin in Gera, und Martin Etzrodt, der für die AfD im Kreistag des Saale-Holzland-Kreises sitzt. Die kommunalpolitisch erfolgreichen Etzrodts passen somit bestens in die AfD – den parlamentarischen Arm der Naziszene. Reinhard Etzrodt verlängert diesen nun bis zum Vorsitz des Geraer Stadtrates.