(4) Michael Hubeny: Früherer Kader von Thüringer Heimatschutz und NPD wird von Polizei- und Militärschützen an automatischen Waffen trainiert

inks: Michael Hubeny 2018 auf Instagram; rechts: Fotos von Hubenys Schießtraining beim BdMP e.V. in Kahnberg 2016. (Fotos: Instagram)

Michael Hubeny war seit der Wende militanter Neonazi in Saalfeld-Rudolstadt und später im Thüringer Heimatschutz aktiv. Nach einem Gefängnisaufenthalt trat er in die NPD ein, wurde 2006 Landesvorsitzender deren Jugendorganisation JN und Anführer der Kameradschaft Blankenhain. Nachdem er bis 2010 im Umfeld der Bandidos aktiv war, kam er erneut in Haft. Mit der Selbstenttarnung des NSU sah Hubeny eine Chance auf Haftverkürzung und machte mehrere belastende Aussagen gegen frühere Heimatschutz-Kameraden. Er berichtete über Waffen, die er um 2000 bei Sven Rosemann in Rudolstadt gesehen hätte und verriet die Beteiligten am Überfall auf einen Geldtransporter in Pößneck 1999, die mit Rosemann und den Eberlein-Brüdern aus Saalfeld aus dem Kern des Thüringer Heimatschutzes stammten. Aufgrund dieser Aussagen wurde Hubeny als Zeuge in den NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg geladen. Heute ist Hubeny aktiver Sportschütze, auch an vollautomatischen Schnellfeuerwaffen, und wurde beim Bund der Militär- und Polizeischützen in Kahnberg bei Gotha trainiert.

Wendezeit bis 2000: Thüringer Heimatschutz und Gefängnis

Michael Hubeny (Jahrgang 1972) war bereits vor der Wende in der Naziszene aktiv. Er gehörte ab 1988 zur “Antikommunistischen Aktion” im Raum Coburg. Anfang der Neunziger fand er Anschluss an die entstehende Anti-Antifa Ostthüringen und deren Gründer aus dem Raum Saalfeld-Rudolstadt. Als Thomas Dienel, Kader der neofaschistischen Partei DNP, im Jahr 1992 für Spiegel TV eine Wehrsportübung in Szene setzte, beteiligte sich Hubeny zusammen mit Erfurter Nazis und den aus Rudolstadt und Saalfeld hinzugekommenen Sven Rosemann und Andreas Rachhausen. Auch mit den Saalfelder Brüdern Marcel und Mirko Eberlein war Hubeny schon in den frühen 1990ern befreundet. Infolge eines Banküberfalls saß Hubeny von 1994 bis 1999 in der JVA Ichtershausen. Während dieser Zeit wurde er von der Neonazi-Gefangenenhilfe “Hilfsorganisation Nationaler Gefangener” (HNG) unterstützt.

Michael Hubeny bei Spiegel TV-Dreh nahe Erfurt 1992.

Aussagen im NSU-Komplex

Nach der Haftzeit in Ichtershausen setzte Hubeny seinen militanten Aktivismus in den Netzwerken des Thüringer Heimatschutzes (THS) fort. Wie er 2012 in einer polizeilichen Vernehmung angab, zeigte ihm Sven Rosemann im Jahr 2000 in dessen Wohnung eine Česká 83 und eine Mossberg-Pumpgun. Eine solche Pumpgun wurde später auch im Wohnmobil von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gefunden. Aufgrund dieser Aussage wurde Michael Hubeny vom NSU-Untersuchungsausschuss Baden-Württemberg vernommen und war in mehreren Anträgen im NSU-Prozess in München Thema. Dort wurde jedoch seine Ladung als Zeuge abgelehnt, weil das Gericht seinen präzisen Aussagen zu Sven Rosemanns Česká Glauben schenkte, denen zufolge es sich um ein anderes Modell als die vom NSU benutzte Waffe gehandelt habe.
Michael Hubeny gab der Polizei gegenüber außerdem an, Tino Brandt Anfang 2000 zu jenem Treffen mit Thorsten Heise gefahren zu haben, von dem bei einer späteren Hausdurchsuchung bei Heise Tonbandaufnahmen gefunden wurden. In dem Gespräch bestätigt Heise die Existenz bewaffneter Zellen, macht Anspielungen auf das untergetauchte NSU-Kerntrio und Tino Brandt spricht von hohen Geldsummen, die seiner Kenntnis nach für das Trio gesammelt würden. Beweisanträge der NSU-Nebenklage zur Frage, ob Michael Hubeny selber bei dem Gespräch anwesend war, wurden vom Gericht abgewiesen.

NPD-Aktivismus im Weimarer Land

Michael Hubeny am 25.03.2006 als Redner einer JN-Kundgebung in Apolda; 1.v.r. ist Thomas Wienroth, heute Immobilienunternehmer in Jena. (Foto: Indymedia)

Michael Hubeny war in den Jahren 2005/2006 stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Weimarer Land und danach Beisitzer. Außerdem war er bis ins Jahr 2007 Vorsitzender des Landesverbands der NPD-Jugendorganisation JN. Gleichzeitig war er die Führungsfigur der Kameradschaft Blankenhain. In jener Zeit organisierte er eine Vielzahl rechter Kundgebungen im Weimarer Land, u.a. in Apolda, Weimar und Bad Berka. An den Kundgebungen nahmen auch Neonazis der Kameradschaft Apolda, der Braunen Aktionsfront Weimar und der JN Jena teil sowie Neonazis der später verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz. Auch mit dem NSU-Helfer Ralf Wohlleben arbeitete Hubeny in diesen Jahren im Rahmen der NPD enger zusammen. Im Dezember 2006 störte Hubeny gemeinsam mit den ehemligen THS– und späteren NPD-Aktivisten Jan Morgenroth (Weimar) und Patrick Wieschke (Eisenach) eine Veranstaltung im Weimarer Goethehaus. Die Störung hatte er zuvor schon im Internet angekündigt.

Rockermilieu und Aussagen zu Geldtransporter-Überfall 1999

Michael Hubeny (1.v.r.) mit dem Chicanos MC Apolda ca. 2008. (Foto: Soziale Medien)

Michael Hubeny hat in den späten 2000er Jahren die Nähe zu Rockerstrukturen gesucht. Nachdem er zunächst Mitglied der Bandidos-Unterstützergruppe Chicanos MC aus Apolda wurde, stieß er zum Weimarer Chapter der Bandidos hinzu. Sein früherer Kamerad Martin Rühlemann von der Weimarer NPD schloss sich im selben Zeitraum der konkurrierenden Garde 81 an, einer Unterstützerstruktur der Hell’s Angels. Vor diesem Hintergrund verprügelte Hubeny Martin Rühlemann vor dem Clubhaus der Bandidos in Weimar. Für diesen Angriff wurde er zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Zum Zeitpunkt der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 saß Hubeny in der JVA Tonna bei Gotha in Haft. Von dort aus hat er in einem Brief an die Polizei die Haupttäter eines Überfalls auf einen Geldtransport 1999 verraten. Mit Sven Rosemann, Mirko und Marcel Eberlein stammten diese aus dem Kern des THS. Aus diesem Grund mehrten sich Spekulationen über eine etwaige Tätigkeit Hubenys als Spitzel für LKA oder Verfassungsschutz. Bei dem Überfall war ein Wachmann brutal niedergeschlagen, 70.000 DM und eine Waffe geraubt worden. Mit dem Verrat an seinen ehemaligen Kameraden erhoffte sich Hubeny, Haftverkürzungen aushandeln zu können.

Schießtrainings beim Thüringer Bund der Militär- und Polizeischützen (BdMP e.V.) 2016

Schießpark am Kahnberg.

Mindestens im Jahr 2016 ist Michael Hubeny auf dem Schießstand des Landesverbandes des BdMP e.V. in Kahnberg bei Gotha gewesen. Der Verein war ursprünglich nur für Angehörige der Sicherheitsbehörden gedacht, öffnete sich jedoch infolge einer Reform des Waffengesetzes für die Allgemeinheit. Neben seinem Selbstverständnis als “Sportverein” ist er vor allem der deutsche Ableger eines internationalen Netzwerks von Waffenlobbyist*innen, bei dessen reaktionärem amerikanischen Sprachrohr, der National Rifle Association (NRA), er auch formell Mitglied ist. Der Schießstand bescheinigte Hubeny sein Training an den vollautomatischen Waffen. Das Zertifikat davon veröffentlichte Hubeny 2016 Instagram. Er veröffentlichte zudem zahlreiche Bilder der automatischen Gewehre, an denen er beim Schützenverein von Polizei und Militär trainieren durfte:

Michael Hubenys Zertifikat und Trainingswaffen beim Schießstand der Militär- und Polizeischützen in Kahnberg am 02.07.2016. (Bilder: Instagram)

Kontinuitäten und fehlende Konsequenzen

Über die heutige Ideologie Michael Hubenys oder seine Einbindung in neonazistische Netzwerke ist wenig bekannt. Einen persönlichen Bruch mit der früheren Szene hat es mit dem Übergriff auf Martin Rühlemann und dem Verrat an Sven Rosemann und den Eberlein-Brüdern sicherlich gegeben. Eine öffentliche Erklärung über seine ideologische Distanzierung, eine Aufarbeitung seiner gut zwei Jahrzehnte militanten rechten Aktivismus oder Hinweise an Betroffene rechter Gewalt, was die ihm bekannten Personen und Strukturen angeht, sind bislang nicht bekannt. Zu Hubenys Neonazikontakten zählten von Sven Rosemann und Tino Brandt über Ralf Wohlleben, Martin Rühlemann und andere Weimarer Nazis, gegen die zu jener Zeit wegen einer Fortführung des verbotenen Blood & Honour Netzwerkes ermittelt wurde, alle namhaften Thüringer Kader aus dem NSU-Komplex. Seine darauffolgende Annäherung an Bandidos-Strukturen macht ihn keineswegs vertrauenswürdiger.
Vor dreißig Jahren nutzten Hubeny und seine Kameraden leerstehende NVA-Kasernen im Eigentum der Bundeswehr für ihre paramilitärischen Übungen mit dem Ziel rechtsterroristischer Anschläge. Im Jahr 2016, fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU, bekam mit Michael Hubeny ein altbekannter Neonazi-Aktivist, NPD-Funktionär und Akteur aus dem NSU-Komplex von Thüringer Polizist*innen und Soldat*innen offiziell eine Ausbildung an Schnellfeuerwaffen. So wenig die Folgenlosigkeit der gesamten NSU-Aufarbeitung in Behörden und Sicherheitsorganen zu überraschen vermag, so gefährlich bleibt sie doch für alle, die in das Fadenkreuz der Rechten geraten.