Kampfkunst Kahla e.V.: Neonazi als Kindertrainer und Vereinsvorstand

Christian Krämer (1.v.l.) und Kindertrainer Stefan Dietsch (3.v.l.) beim „Rock gegen Überfremdung III“ in Apolda am 6.10.2018 (Foto: Recherche Nord)

Christian Krämer (1.v.l.) und Kindertrainer Stefan Dietsch (3.v.l.) beim „Rock gegen Überfremdung III“ in Apolda am 6.10.2018 (Foto: Recherche Nord)

Beim Kahlaer Karateverein Kampfkunst Kahla e.V. ist mit Stefan Dietsch ein einschlägiger Neonazi als Kinder- und Jugendtrainer tätig. Gleichzeitig gehört er zum vierköpfigen Vorstand des Vereins. Der Verein selbst wollte sich dazu nicht äußern, obwohl Dietsch seit Jahren in der Szene aktiv ist und der Verein dazu auch Belege vorgelegt bekam. Der Trainer beteiligte sich nicht nur 2013 am Solidaritätsfestival für den NSU-Mordhelfer Ralf Wohlleben, sondern fand sich auch 2018 mitten in Ausschreitungen und Hitlergrüßen beim Rechtsrock in Apolda wieder.

„Kampfkunst Kahla“

Stefan Dietsch mit einer Kindergruppe des Kampfkunst Kahla e.V. 2016 in Zeulenroda

Stefan Dietsch mit einer Kindergruppe des Kampfkunst Kahla e.V. 2016 in Zeulenroda

Der 2008 gegründete Verein mit damaligem Sitz in Uhlstädt bietet Karatetrainings für alle Altersgruppen an. Lange Jahre wurde dafür hauptsächlich die Leuchtenburgturnhalle in Kahla genutzt. Der Verein ist nie politisch aufgefallen, was bei der von rechten Netzwerken durchzogenen Kleinstadt Kahla keine Selbstverständlichkeit ist. Die Trainings wurden von Sportler*innen aus Kahla, Eisenberg und auch aus Leipzig angeboten. Spätestens 2016 kam auch Stefan Dietsch in den Verein, der den gelben Gürtel (8. Kyu) hat. Dietsch wurde in den Vorstand gewählt und bekleidete seither die Position des Jugendwarts. Außerdem ist er für die Koordination von Veranstaltungen zuständig.

Stefan Dietsch auf der Homepage des Kampfkunst Kahla e.V.

Stefan Dietsch auf der Homepage des Kampfkunst Kahla e.V.

„Thüringentag der nationalen Jugend“ 2013 in Kahla

Stefan Dietsch in einem Shirt der Kameradschaft „FN Kahla“ auf dem „Thüringentag der nationalen Jugend“ am 15.6.2013 in Kahla

Stefan Dietsch in einem Shirt der Kameradschaft „FN Kahla“ auf dem „Thüringentag der nationalen Jugend“ am 15.6.2013 in Kahla

Dietsch fiel bereits vor zehn Jahren auf, als er am Rechtsrockfestival auf dem Kahlaer Gries teilnahm. Hintergrund der Veranstaltung waren die Bestrebungen Kahlaer und Saalfelder Neonazi-Netzwerke, für ihren inhaftierten Kameraden Ralf Wohlleben Spenden zu sammeln. Wohlleben war Ende November 2011 in Untersuchungshaft gekommen, nachdem er von Zeugen für die Beschaffung der NSU-Mordwaffe veranwortlich gemacht wurde. Am Ende des NSU-Prozesses 2018 wurde er dafür verurteilt. Der „Thüringentag der nationalen Jugend“ war eine von Wohlleben selbst erschaffene Konzertserie, in deren Rahmen die Thüringer NPD und Kameradschaften an jährlich wechselnden Orten kleine Festivals mit überregional bekannten Rechtsrockbands veranstalteten. Als Wohlleben in Haft kam, wurde die Veranstaltung zu seinen Gunsten in Kahla ausgerichtet. Der Aufbau am Vorabend und die Durchführung des Festivals selbst wurden hauptsächlich vom „FN Kahla“ mit Kameraden aus dem Raum Saalfeld getragen. Am 15.6.2013 trugen Dutzende Neonazis T-Shirts mit „Freiheit für Wolle“, am Einlass wurden Spenden für ihn gesammelt und auf der Bühne trat u.a. der verurteilte Münchner Rechtsterrorist Martin Wiese als Redner auf. Stefan Dietsch erschien am Tag des Festivals zusammen mit weiteren Mitgliedern des „FN Kahla“ in ihren einheitlichen Shirts. Bei Bier und Bratwurst saß er am Tisch zusammen mit dem später verstorbenen Kahlaer Neonazi-Hooligan Thomas Krause und lauschte den Hetzreden und der Hassmusik.

Unten links: Stefan Dietsch beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ am 15.6.2013 am Tisch der Kahlaer Naziszene; mit grüner Mütze: Thomas Krause

Unten links: Stefan Dietsch beim „Thüringentag der nationalen Jugend“ am 15.6.2013 am Tisch der Kahlaer Naziszene; mit grüner Mütze: Thomas Krause

„Rock gegen Überfremdung“ 2018 in Apolda

Stefan Dietsch (l.) und ein Hitlergruß im Hintergrund in Apolda am 6.10.2018 (Foto: Pixelarchiv)

Stefan Dietsch (l.) und ein Hitlergruß im Hintergrund in Apolda am 6.10.2018 (Foto: Pixelarchiv)

Nach ihren Erfolgen mit Rechtsrock-Großkonzerten in der Schweiz 2016 und im südthüringischen Themar (2017) wollte die „Bruderschaft Turonen / Garde 20“ im Jahr 2018 eine Großveranstaltung im Weimarer Land abhalten. Der erste Versuch im August in Mattstedt scheiterte an juristischen Hürden; beim zweiten Versuch in Magdala im Oktober mussten die Neonazis erneut aufgrund behördlicher Interventionen umdisponieren. Letztendlich fanden zwei Tage in Folge Konzerte auf dem Apoldaer Marktplatz statt. Da hier weit weniger Neonazis Zugang fanden als angereist waren, kam es vor allem am 6. Oktober 2018 zu Angriffen auf die Polizei, Flaschenwürfen und Hitlergrüßen. Mitten drin stand auch eine kleine Gruppe Kahlaer Neonazis um den bekannten Rechtsrock-Fan Christian Krämer. Anders als Krämer und zwei Begleiter trug der mit ihnen angereiste Karatetrainer Stefan Dietsch aus Kahla kein Shirt „Division Thüringen“, sondern trug vor einer schwarz-weiß-roten Reichsflagge ein Porträt des im Dezember 2016 verstorbenen Neonazi-Hooligans Thomas Krause auf der Brust. Krause hatte erst wenige Monate vor seinem Tod noch an einer Kundgebung der NS-Splitterpartei „Der Dritte Weg“ auf dem Kahlaer Markt teilgenommen. Er zählte darüber hinaus zu den rechten Hooligans der „Falken Zwätzen“ aus Jena, denen auch Beate Zschäpes Cousin Stefan Apel angehört. Als die Stimmung am 6. Oktober in Apolda eskalierte, begann auch Stefan Dietsch, in das rechte Grölen mit einzustimmen. Sein Hintermann und weitere Neonazis zeigten dabei den Hitlergruß in Richtung Polizeikette (s.o.).

Stefan Dietsch mit einem Gedenkshirt für Thomas Krause - hinterlegt mit den Reichsfarben - am 6.10.2018 in Apolda (Foto: Recherche Nord)

Stefan Dietsch mit einem Gedenkshirt für Thomas Krause – hinterlegt mit den Reichsfarben – am 6.10.2018 in Apolda (Foto: Recherche Nord)

Kampfkunst Kahla e.V. schweigt

Mit einer Mail wurde der Verein am 24.7.2023 über die Neonazi-Aktivitäten von Stefan Dietsch informiert und mehrere Nachfragen gestellt. Bis heute hat der Verein nicht geantwortet. Neonazis im Kampfsport sind eine ernsthafte Bedrohung, Neonazis als Kindertrainer umso mehr. In Kahla überrascht so ein Fall leider nicht, da die Kleinstadt eine überdurchschnittlich große Szene an mehr oder weniger organisierten Neonazis hat. Diese konnte sich eben aufgrund dieser Normalisierung etablieren, wie sie der Fall Dietsch verkörpert. Zieht der Verein keine Konsequenzen, ist wie so oft eine gesellschaftliche Auseinandersetzung gefragt.