Am heutigen Samstag (1.7.2023) findet im Schützenhaus Pößneck die „Invictus Fight Night“ statt, die von der gleichnamigen Kampfsportschule von John Kallenbach aus Saalfeld veranstaltet wird. Kallenbachs Schule stand bereits in der Vergangenheit wegen Verstrickungen in rechte Netzwerke in der Kritik. Hier wurde ein Kämpfer des Neonazi-Events „Kampf der Nibelungen“ zum Kickboxer ausgebildet. Und Cheftrainer John Kallenbach ließ sich von der Cottbusser Neonazimarke „Label 23“ sponsern. Nachdem Kallenbach mehr schlecht als recht auf die öffentliche Kritik reagierte, ziert nun ein altbekanntes Gesicht der militanten rechten Szene das Titelfoto auf der Homepage von „Invictus“: Mirko Fritze (geb. Szydlowski), der zum Jenaer Umfeld des NSU zählt und seit 25 Jahren ein international bekannter Musiker der Rechtsrockszene ist.
„Invictus“-Kämpfer beim „Kampf der Nibelungen“ 2018
Als das Neonazi-Kampfsportturnier „Kampf der Nibelungen“ im Jahr 2018 im Rahmen des Rechtsrockfestivals „Schild und Schwert“ im ostsächsischen Ostritz seinen vorläufigen Höhepunkt fand, reiste auch der Rudolstädter Kevin Görke an. Der aus Kirchremda stammende Görke, der seit seiner Jugend Kickboxen trainiert, war zu dem Zeitpunkt eines der Aushängeschilder des Saalfelder Gyms „Invictus“ von Trainer John Kallenbach. Görke trat in Ostritz als Kämpfer im Ring an, wie Videos der Veranstaltung belegten. Wenig später trat Görke auch beim Neonazi-Kampfsportturnier „Tiwaz“ im Erzgebirge in den Ring. Görke war mit seinem Rückentattoo mit der NS-Parole „Leben ist Kampf“ auch in Videos von der „Invictus Fight Night“ im August 2018 in Saalfeld zu sehen. Im Oktober 2018 kämpfte Görke mit Unterstützung seines Trainers Kallenbach beim Kampfsport-Gym „La Familia“ in Halle.
Als späte Reaktion auf die entsprechende öffentliche Kritik an seinem neonazistischen Kämpfer und dem Sponsoring durch „Label 23“ begann Kallenbach im Jahr 2019, mit den Logos sämtlicher staatlich geförderter Programme gegen „Extremismus“ zu werben.
Selbstredend gehörte der Neonazi Kevin Görke weiter zu Kallenbachs Team, wie sich Ende des Jahres 2019 bei einem Pressefoto mit Kallenbachs erfolgreichsten Kämpfer*innen zeigte. Auch auf einem Foto von einem „Invictus“- Training mit überregionaler Beteiligung von Januar 2020 ist Görke erneut zu sehen. Der Neonazi marschierte nur drei Wochen später beim europaweit bedeutsamen Naziaufmarsch anlässlich des Jahrestags der Bombardierung Dresdens mit. Begleitet wurde der merklich auf Anonymität bedachte Görke von Martin Langner aus Schmölln, Aktivist bei der neonazistischen Splitterpartei „Der Dritte Weg“ und als Betreiber des Kampfsportvereins „Barbaria Schmölln“ fester Bestandteil der internationalen Neonazi-Kampfsportnetzwerke vom „Kampf der Nibelungen“.
„Invictus“ und rechte Hooligan-Netzwerke
Auf demselben Foto des „Invictus„-Trainings von Januar 2020 ist außerdem der Erfurter Hooligan Eric Mahula zu sehen, der an internen Treffen der Neonazi-Hooligans vom „Jungsturm Erfurt“ teilnahm und mit dem Jungsturm-Anführer Theo Weiland befreundet ist. Fotos zeigen ihn auch im Erfurter Steigerwaldstadion hinter dem Banner des Jungsturms, dessen Anführer um Theo Weiland 2020 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Auch Martin Bissinger, Hallenser Kickbox-Kamerad von Eric Mahula und Theo Weiland, war im August 2018 bei der „Invictus Fight Night“ in Saalfeld dabei und kämpfte neben Kallenbachs Team im Oktober 2018 bei „La Familia“ in Halle. Bissinger marschierte noch 2015 als Aktivist von „Der Dritte Weg“ mit Megafon durch Saalfeld, bevor er nach Halle zog und dort bei der „Identitären Bewegung“ auftauchte. Bei einem eigenen Kampf im Jahr 2020 ließ sich John Kallenbach von Matthias Weber coachen, Weilands und Bissingers Hallenser Trainer und Arbeitgeber bei „La Familia“. Weber wirbt bis heute für „Label 23“. Der Cottbusser Gründer der Marke, Neonazi und Rocker Markus Walzuck, trat bereits persönlich bei einer „La Familia Fight Night“ in Halle an.
Mirko „Barny“ Fritze – militanter Netzwerker aus NSU-Umfeld trainiert bei „Invictus“-Gym
Der Name „Barny“ spielt im Kontext der internationalen Naziszene seit Jahrzehnten eine Rolle. Mitte der Neunziger wohnte der damals noch ohne dieses Pseudonym auftretende Mirko Fritze (geb. Szydlowski) in Jena-Winzerla, wo er mit den späteren NSU-MörderInnen in der „Kameradschaft Jena“, also im „Thüringer Heimatschutz“ aktiv war. Gleichzeitig startete er seine Laufbahn als Neonazi-Musiker an Gitarre und Gesang der Jenaer Rechtsrockband „Blutstahl“. Mit der Band fand er um die 2000er Jahre dann bald Anschluss an das militante Netzwerk „Blood & Honour“, das das NSU-Kerntrio in seinen ersten Jahren im sächsischen Untergrund maßgeblich unterstützte. Fritze tritt seit Mitte der 2000er Jahre regelmäßig im Ausland für das Netzwerk auf, das dafür bekannt ist, Konzertgelder in rechtsterroristische Strukturen zu investieren.
Fritze zog selber Ende der 1990er nach Chemnitz, wo er zeitgleich mit dem NSU lebte und mit deren Unterstützerkreisen verkehrte. Hier begann Fritze auch, an Kampfsporttrainings teilzunehmen. In der „Muay Thai Schmiede“ in Thalheim trainierte er u.a. zusammen mit dem NSU-Unterstützer Kay Richter. Ein guter Teil dieser Trainingsgruppe gehörte zu den brutalen Neonazi-Hooligans der „HooNaRa“ – HooligansNazisRassisten. Diese Gruppe war 2007 für den rechten Mord an Patrick Thürmer in Oberlungwitz bei Chemnitz verantwortlich.
Nachdem Fritze zwischenzeitlich zwei Jahren in Schweden lebte, kehrte er nach Deutschland zurück. Seit ca. zehn Jahren ist Fritze in den Netzwerken der klandestinen, militant-rassistischen „Hammerskins“ aktiv. Nicht nur tritt er seit Jahren international auf deren Konzerten als „Liedermacher Barny“ auf. Er zählt auch formell zu der sich als elitär verstehenden Organisation, in deren Unterstützerstruktur „Crew 38“ Fritze Mitglied ist. Für die Hammerskins trat „Barny“ u.a. 2010 in Ungarn, 2014 und 2016 in Schweden, 2016 in Deutschland und 2018 erneut in Ungarn auf. Als Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zur Mordserie des NSU in München vor Gericht stand, reiste Mirko Fritze anlässlich von Wohllebens 40. Geburtstag mit einer Delegation Thüringer Neonazis an, die sich im Gericht mit „40“-Shirts präsentierten.
Nach Wohllebens Verurteilung und zwischenzeitlicher Haftentlassung trat Mirko Fritze zudem bei einer Feier für Wohlleben als Liedermacher auf (https://rechercheportaljenashk.noblogs.org/personenuebersicht-jena/#mirko-fritze). Seit mehreren Jahren lebt er zusammen mit der Neonazistin Theresa Fritze, die er 2020 heiratete, in Neidenberga am Hohenwarte-Stausee im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Hier parkte wiederholt ein Auto mit dem Heckscheiben-Aufkleber von „Invictus“. Wie das Headerfoto von Kallenbachs Gym nun belegt, handelt es sich dabei um eine dauerhafte Verbindung des militanten Neonaziaktivisten Fritze zum Saalfelder Kickboxtrainer und Unternehmer Kallenbach. Fritze zählt inzwischen anscheinend zum Kern von Kallenbachs Trainingsgruppe.
Wohltäter Kallenbach – Trainer rechter Straßenkämpfer
Angesichts der früheren Kritik an John Kallenbachs Verstrickungen in die rechte Szene und seiner bemühten Abgrenzung von selbiger kann hier nicht von Unwissen seitens Kallenbachs ausgegangen werden. Im provinziellen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt sind die Gesichter der Naziszene genauso lange bekannt wie in Kallenbachs Heimatkreis Saale-Orla. Erscheint ein Mirko Fritze regelmäßig zu den Trainings in Unterwellenborn, zumal mit seinen zahlreichen Nazi-Tattoos am Oberkörper, bleibt seine Bekanntheit Trainer Kallenbach und seinen Leuten unmöglich verborgen. Vielmehr scheint es für Kallenbach und seine Sportler*innen kein Problem zu sein, einen militanten Neonazi in ihrer Mitte zu haben und durch Trainings in lebensgefährlichen Kampftechniken zu schulen. Natürlich muten Kallenbachs Kooperationen mit zahlreichen Schulen zwischen Saalfeld und Pößneck vor so einem Hintergrund widersprüchlich an. Das Gleiche gilt für sein Engagement für das Projekt „Courage gegen Drogen“, bei dem er mit Unterstützung und Finanzierung vom Landratsamt Schleiz, der Landespolizei und der Kreissparkasse Schüler*innen trainiert. Auch der damalige CDU-Chef Mike Mohring warb 2018 persönlich für Kallenbachs Projekt.
Kallenbach tat jedoch sehr gut daran, gerade nach der 2018 laut gewordenen Kritik an seinem Sponsoring durch „Label 23“ und seinem Neonazi-Kämpfer Kevin Görke Kooperationen mit Sozialarbeit, Schulen und staatlichen Behörden auszubauen. Verfolgt man die Lokalpresse, handelt es sich bei dem rechtsoffenen Kickboxer und Unternehmer um einen selbstlosen Wohltäter, der sich für seine strukturschwache Heimatregion aufopfert. Was Kallenbach jedoch in erster Linie tut: Geld mit seiner Kampfsportschule verdienen, durch Kooperationen staatliche Gelder und private Werbepartner*innen einwerben und auf politischer Ebene genauso weiterzumachen wie seit Jahren – jeder noch so bekannte Neonazi wird Teil des Teams. Damit aufs Neue konfrontiert, wird Kallenbach dieselbe Leier wie immer abspulen: Solange jemand auf der Matte sportliche Fairness zeigt und seinen rassistischen Hass jenseits des Gyms auslebt, ist er jederzeit willkommen. Es wäre an der Zeit, dass Kallenbach einmal wirkliche Konsequenzen für seine Unterstützung des Wohlleben-Unterstützers und Hassmusikers Mirko Fritze erfährt. Immerhin bildet er einen durch und durch überzeugten Anhänger des rechten Terrors in Techniken des Straßenkampfes aus. Darin liegt eine unmittelbare Bedrohung für zahlreiche Menschen, die von Neonazis zum Feindbild erklärt werden. Um es mit der bedeutsamen antifaschistischen Kampagne zu sagen: runter von der Matte, kein Handshake mit Nazis. Auf dass eine nächste „Fight Night“ ohne Werbeeinnahmen in einer Garage stattfindet!