Kreuzzug gegen die Moderne: Paradiesfest der Evangelischen Allianz Jena

Sharepic für das Paradiesfest auf dem Essen & Trinken, Tanz, Erzählcafé, 15 Uhr Gottesdienst, Kinder-Programm und Live-Musik angekündigt werden. Zu sehen ist außerdem eine weiße Taube und ein Sonnenschirm und darunter ein Picknickkorb.

Nachdem erst am 13.05.2023 der christlich-fundamentalistische Verein Kaleb beim „Tag im Paradies“ einen Stand hatte, wird am 03.06.23 ein ganzes Fest im Paradiespark in Jena von fundamentalistischen Evangelikalen1 organisiert.

Die evangelikale „Evangelische Allianz Jena“ plant am Samstag dem 3. Juni von 11-16 Uhr auf der Rasenmühleninsel ein sogenanntes „Paradiesfest“. Plakatiert wurde dafür in der ganzen Stadt. Auf den ersten Blick wirkt die Veranstaltung wie eines der üblichen städtisch organisierten Kinderfeste – dass es sich stattdessen um eine evangelikale PR-Maßnahme handelt, sieht nur, wer genauer hinschaut. Geplant sind u.a. Kinderprogramm, Pfadfinderaktionen und ein Open-Air-Abschlussgottesdienst. Auf ihrer Website bezeichnet die Christusgemeinde Jena das Fest als „Feiern wie im Himmel – Gemeindeübergreifendes missionarisches Event“ und macht damit explizit worum es geht: Unter dem Deckmantel eines Familienfestes soll missioniert werden. Organisiert wird die Veranstaltung von einem Zusammenschluss nahezu aller evangelischen und evangelikalen Gruppen Jenas.

Erneut wird somit das Jenaer Paradies zum Ort der Hölle für diejenigen, welche als außerhalb der vermeintlichen „Ordnung Gottes“ gesehen werden. Und „Gottes Ordnung“ ist – zumindest im Verständnis evangelikaler ChristInnen – eng, sehr eng. Frauen, die ihr Leben auch außerhalb vermeintlich familiärer Verpflichtungen von Kinderkriegen, Haushaltsführung und dem Manne zur Seite stehend begreifen, passen nicht hinein. Menschen, die Schwangerschaftsabbrüche als ein Grundrecht der körperlichen Selbstbestimmung sehen – out. Menschen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – Zerstörer*innen der „göttlichen Ordnung“. Männer ohne Leistungsanspruch, familiären Beschützerinstinkt und rational-logisches Denken – untauglich zur Erfüllung des „göttlichen Plans“. Alle, für die die sogenannte „Gender-Ideologie“ kein Teufelswerk der verkommenen Gesellschaft ist – Frevler unter den Augen Gottes. Ironie lässt sich durch die Augen der christlichen Fundamentalisten hier sicher kaum finden.

Disclaimer: Wir behaupten nicht, dass die Personen, die in diesem Artikel genannt werden, Neonazis sind – das gilt im übrigen auch für andere Artikel, wenn wir sie nicht explizit als solche benennen – nichtsdestotrotz sind wir der Ansicht, dass die von christlichen FundamenalistInnen ausgehende Gefahr nicht unterschätzt werden und Antifa-Recherche nicht erst bei Neonazis anfangen sollte; siehe unser Selbstverständnis.

Evangelische Allianz Deutschland/Jena: Bekehrung von Andersgläubigen und Homosexuellen

Die Evangelische Allianz Deutschland (EAD) ist das größte Netzwerk evangelikaler ChristInnen verschiedener Kirchen und Gemeinden (Wikipedia). Der Sitz der EAD befindet sich im südthüringischen Bad Blankenburg. Die EAD ist eine fundamentalistische Organisation für die „[d]ie Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, […] Offenbarung des dreieinen Gottes“ und „von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung“ ist (Neuformulierung der Glaubensbasis der Deutschen Evangelischen Allianz vom 22.03.2018). Das heißt, dass die EAD die Bibel im wahrsten Sinne des Wortes als „gottgegeben“ betrachtet. Ihre Inhalte werden nicht kritisch in ihren historischen Entstehungskontext eingeordnet, sondern sie als wörtlich bindend angesehen.

Sharepic mit dem Text: "Jesus tiefer verstehen ... ist keine akademische Übung, denn 'erkennen' umfasst die gesamte Person.. Jesus tiefer verstehen gelingt nicht den Intellektuellen, sondern den Gehorsamen und den sich hingebenden. Dr. Reinhardt Schink"

Gehorsam statt Nachdenken: Evangelische Allianz auf Facebook im März 2020

Eike Sanders, Ulli Jentsch und Felix Hansen resümieren im Buch „Deutschland treibt sich ab“: „Die DEA [bzw. EAD] ist politisch betrachtet der organisierte reaktionäre Flügel des evangelischen Konservatismus. Ihre Forderung nach einer christlichen Monokultur besitzt autoritäre und undemokratische Züge, da sie eine Viefalt der Kulturen und Religionen tendenziell als Bedrohung auffasst“.

Die Arbeit der EAD gegen eine Vielfalt von Religionen drückt sich u.a. darin aus, dass sie den Islam nicht anerkennt und versucht, Muslim*innen zu bekehren. Auf der Website des Arbeitskreises Islam (welche auch auf der Website der EAD Jena geteilt wurde) heißt es:

„Wir erbitten nicht nur für einzelne Muslime die Gnade der Bekehrung, sondern wir erflehen von Gott, dass in allen muslimischen Volksgruppen und Ländern Gemeinden bekehrter Muslime entstehen, die das Evangelium unter ihren Landsleuten verkündigen“

Quelle: Wozu „30 Tage Gebet“?

Zudem arbeitet die EAD mit Organisationen zusammen, die das Ziel haben Juden*Jüdinnen zu missionieren (Wikipedia).

Außerdem betrachtet die EAD die „Ehe als eine gesunde Keimzelle der Familie“ (Evangelische Allianz, Die Familie braucht Zukunft. Familienpolitisches Thesenpapier der Deutschen Evangelischen Allianz) und lehnt Homosexualität ab. Das Verbot der „Homo-Heilung“ wird auch nach dem Verbot von der EAD versucht zu umgehen (queer.de).

Die EAD spielt eine wichtige Rolle in der sogenannten „Lebensschutz“-Bewegung. So war der Vorstand der EAD-Stiftung (bis 2019 Generalsekretär der EAD) Hartmut Steeb bis mindestens 2022 stellvertender Vorsitzender des „Bundesverband Lebensrecht“. Steeb hat sich bereits von der neurechten „Jungen Freiheit“ interviewen lassen, Videos von der AfD gegen Gender-Lehrstühle geteilt und geriet zuletzt in die öffentliche Kritik wegen Corona-Verharmlosung, bei der er sich positiv auf den Pandemieleugner Boris Reitschuster bezog (Spiegel). Steeb trat als Pfarrer im Rahmen der „Allianzgebetswochen“ unter Leitung von Stefan Beyer 2021 in der Jenaer Stadtkirche auf (Kirchenkreis Jena).

Evangelische Allianz Jena

Screenshot aus der OTZ mit der Bildunterschrift "'Kein Gott. Kein Staat. Kein Zertifikat.' Der Pastor Stefan Beyer ist hinter dem Transparent in der Bildmitte zu erkennen." Auf dem Bild ist eine PandemieleugnerInnen-Demonstration zu sehen.

Stefan Beyer auf der verschwörungsideologischen Montagsdemo in Jena im März 2022 (Bild: OTZ)

Der Evangelischen Allianz Jena steht ein weithin bekannter Vorsitzender vor – der Jenaer FDPler und Pfarrer der Evangeliumsgemeinde Jena Stefan Beyer. Sein paternalistischer Rassismus, seine Homosexuellenfeindlichkeit und seine Beteiligung an Aufmärschen von PandemieleugnerInnen wurden bereits durch Statements der trans*solidarischen Vernetzung Jena und Lagerwatch offengelegt. So äußerte er 2016 in einer Predigt: „Homosexualität, gelebte Homosexualität, ist laut der Bibel das Kennzeichen einer Gesellschaft, die sich vollkommen von Gott losgesagt hat. Also es ist laut der Bibel keine geringfügige Sünde, sondern es ist gerade oft der Gipfel von einer Gesellschaft, die ohne Gott lebt“ (Evangeliumsgemeinde Jena). Beyer ist auch in Jena als rechter Netzwerker bekannt. Neben seinen Auftritten bei den verschwörungsmythischen Corona-Demos pflegt er gute Kontakte in die mit der AfD verwobenen Burschenschaften Armina auf dem Burgkeller und Germania Jena. Erst im Dezember 2021 trat Beyer im Rahmen eines „burschenschaftlichen Abends“ bei der Arminia als Redner auf.

Stefan Beyer im Dezember 2021 bei der Burschenschaft Arminia auf dem Bugkeller (Foto: Soziale Medien)

Stefan Beyer im Dezember 2021 bei der Burschenschaft Arminia auf dem Bugkeller (Foto: Soziale Medien)

Im Rahmen der OTZ-Reihe „Das Wort zum Sonntag“ bekommen regelmäßig auch PredigerInnen der Evangelikalen Platz für ihre Texte. Darunter selbstredend auch Stefan Beyer, obwohl auch die OTZ schon mehrfach über die öffentliche Kritik an Beyers rechter Ideologie berichtete.

In der Evangelischen Allianz Jena haben sich laut Website des Paradiesfestes „Christen verschiedener Jenaer landes- und freikirchlicher Gemeinden“ zusammengeschlossen, welche gleichzeitig auch als Mitveranstalter des Paradiesfestes auftreten. Auf diese werden wir im Folgenden eingehen. Versuche der (vermeintlich) gemäßigteren Gemeinden, sich von den radikalen Ansichten, die die Evangelische Allianz vertritt, zu distanzieren, scheint es nicht zu geben bzw. sind öffentlich nicht sichtbar.

Screenshot von der Website des "Paradiesfest", auf dem die Evangelische Allianz als Veranstalter genannt wird und dann steht: "In der Evangelischen Allianz sind Christen verschiedener landes- und freikirchlicher Gemeinden zusammengeschlossen, u.a.: Christus-Gemeinde, JesusGemeinde, Gemeinde am Lutherhaus, Landeskirchliche Gemeinschaft, Ev.-Freikirchliche Gemeinde, Ev.-Lutherischer Kirchenkreis Jena, Adventgemeinde Jena, Gebetsteam Jena"

Auf der Website des Paradiesfestes wird die Evangelischen Allianz Jena als Veranstalterin aufgeführt. Als Allianz Jena Mitglieder und MitveranstalterInnen werden folgendene weitere Gemeinden aufgezählt: Christus-Gemeinde, JesusGemeinde, Gemeinde am Lutherhaus, Landeskirchliche Gemeinschaft, Ev.-Freikirchliche Gemeinde, Ev.-Lutherischer Kirchenkreis Jena, Adventgemeinde Jena und Gebetsteam Jena. (Quelle: Screenshot der Paradiesfest-Website)

Christusgemeinde Jena

Die fundamentalistische Christusgemeinde Jena hat ihren Sitz in der Dornburger Straße 28 und ist Mitglied im fundamentalischen Bund Freikirchlicher Pfingstgmeinden. Der Pastor und Älteste der Christusgemeinde Jena, Thomas Köhler, welcher im Impressum des Paradiesfestes als V.i.S.d.P. angegeben ist, sagte in einer Predigt am 27.11.2022: „da landet dann immer irgendwo so ein Flugzeug, da steht ganz groß drauf […] Diversität und ich finde das ist das Unwort der Fußball-Weltmeisterschaft. Diversität bedeutet Vielfalt – ja, aber was wir heute mit all dieser ganzen Gender-Ideologie in unserer Gesellschaft erleben, das hat überhaupt nichts mit Gottes Gedanken zu tun. Denn Unterschiedlichkeit hat was mit Gottes Ordnung zu tun […] Nur in dieser Beziehungsordnung männlich und weiblich, wie wir es kennen, spiegelt […] der Mensch die Ebenbildlichkeit Gottes wieder“. Im weiteren Verlauf der Predigt behauptet er, in der Bibel würde eindeutig stehen, welche verschiedenen Rollen Väter und Mütter einzunehmen hätten. Er verurteilt es, Kinder zu früh in die Krippe zu bringen und meint, Mütter sollen möglichst drei Jahre zu Hause bleiben. Weiter behauptet er, homosexuelle Beziehungen sowie Scheidungen würden außerhalb von „Gottes Ordnung“ stehen.

Vorstandsvorsitzender der Christus Gemeinde ist Christoph Ohler, stellvertretender Vorsitzender ist Torsten Hüttenrauch.

Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis Jena

Screenshot eines OTZ-Bilds auf dem drei Personen mit einem Plakat des Paradiesfests zu sehen sind. Bildunterschrift: "Laden ein zu einer neuen Art von Paradiesfest, das am 3. Juni stattfindet: Thomas Köhler von der Christusgemeinde Jena e.V., Koordinatorin Sophie Neumann und Johannes Schleußner von der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde."

Foto von den OrganisatorInnen des Paradiesfestes: v.l.n.r. Thomas Köhler (Christus Gemeindeinschaft Jena), Koordinatorin des Paradiesfeste Sophie Neumann und Johannes Schleußner (Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreis) (Quelle: OTZ vom 30.05.2023)

Der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis ist Mitglied der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKMD). Ein wichtiger Ort seiner Aktivitäten ist die Stadtkirche St. Michael (Wikipedia). Weitere Einrichtungen sind u.a. das Christliche Gymnasium Jena, zwei Kindertagesttätten sowie die Evangelische Studierendengemeinde Jena. Der Landesbischof der EKMD, Friedrich Kramer, positionierte sich erst im letzten Jahr gegen Diskriminierung von queeren Menschen sowie für eine vielfältige Gesellschaft und bat um Entschuldigung „für all das Leid, das seitens der Kirche bis heute mit verursacht und toleriert wurde“ (Quelle: EKD). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), in der wiederum die EMKD organisiert ist, begrüßt zudem zumindest die geplanten Lockerungen des Paragrafen 219a, die es Krankenhäusern und ärztlichen Praxen künftig ermöglichen sollen, auf ihren Homepages über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu informieren (EKD). Daher iritiert es, dass sich trotzdem ein Kirchenkreis, der Teil der EKMD ist, aktiv an einer Veranstaltung beteiligt, die maßgeblich von Evangelikalen organisiert wird.

Die Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis wird auf der Homepage des Paradiesfestes als Mitveranstalterin des Paradiesfestes und sogar als Mitglied der EAD Jena mit aufgelistet. Fest steht zumindest, dass er Mitveranstalter ist; auch auf der Website des Kirchenkreises wird das Paradiesfest explizit beworben. Als Ansprechpartner bei Rückfragen ist Superintendent Sebastian Neuß angegeben (Kirchenkreis Jena 1, Kirchenkeis Jena 2).

Stellungnahme des Jenaer Kirchenkreises zur Zusammenarbeit mit Evangelikalen

Da wir schockiert darüber waren, dass die liberalere evangelische Kirche mit Evangelikalen zusammenarbeitet, haben wir den Kirchenkreis um eine Stellungnahme gebeten, auf die wir sehr schnell eine Antwort erhalten haben. In der Stellungnahme schreibt Sebastian Neuß: „am Leben der Evangelischen Allianz (EA) in Jena nimmt der Kirchenkreis durch mich und andere Menschen teil“. Insofern scheinen führende Einzelpersonen des Kirchenkreises Mitglied der EAD Jena zu sein, aber nicht der Kirchenkreis selbst. Weiter schreibt er „Der Kirchenkreis teilt die Grundsätze der beiden Netzwerke, die in der Satzung der ACK (https://www.oekumene-ack.de/fileadmin/user_upload/Grundlagen_der_Zusammenarbeit/ACK_Satzung.pdf) und in der Basiserklärung der EA (https://www.ead.de/ueber-uns/) festgehalten sind“. Wie oben erwähnt gehört zu der Basiserklärung auch der Grundsatz der Bibel als „zuverlässig“ und „höchsten Autorität“ in allen Lebensfragen, welcher mit einer historisch-kritischen Bibelauslegung im Widerspruch steht. Im zweiten Absatz betont die Erklärung die binäre Geschlechterordnung in „Mann“ und „Frau“. Zudem schreibt Neuß: „Er [der Kirchenkreis] teilt aber nicht automatisch alle Positionen der in der ACK und in der EA mitarbeitenden Kirchen und Gemeinden zum Verständnis der Bibel, zu ethischen und zu gesellschaftlichen Fragen. Die von Ihnen benannten Fragen zu gleichgeschlechtlicher Partnerschaft und zum Umgang mit ungeborenem Leben bspw. werden innerhalb von ACK und EA (und auch da und dort innerhalb der evangelischen Kirche selbst) kontrovers diskutiert – so ähnlich wie bei den Grünen: zwischen „Fundis“ und „Realos“. Beiden kirchlichen Organisationen ACK und EA ist aber trotz mancher, mitunter schmerzhafter Differenzen das bleibende Verbundensein in Jesus Christus und im Gespräch grundlegend wichtig. Das Fest im Jenaer Paradies am 3. Juni feiert (ohne das Trennende zu negieren) das Gemeinsame der Christ*innen: Die Freude an Christus, das Leben mit ihm und untereinander in der Liebe Gottes. An diesem Angebot des Himmels teilzuhaben sind alle, wirklich alle herzlich eingeladen!“. Zwar benennt Neuß an dieser Stelle einen Dissenz bezüglich Homosexualität und Schwangerschaftsabbrüche, positioniert sich dazu allerdings nicht. Mit der Begrifflichkeit „ungeborenen Lebens“ nutzt er bewusst oder unbewusst auch die Rhetorik von Abtreibungsgegner*innen, welche suggeriert, die Interessen zweier Menschen würden einander gegenüberstehen. Wenn „alle, wirklch alle“ eingeladen sein sollen, müssen Gemeinden mit queerfeindlichen und Anti-Abtreibungs-Positionen ausgeschlossen werden und sich klar gegen diese positioniert werden.

Ausstellung „Bibel für Jena“

Screenshot eines OTZ Fotos auf dem mehrere Personen in Kirchenbänken sitzend zu sehen sind und eine blaue Bibel mit weißem Kreuz in die Kamera halten. Bildunterschrift: "Unter den Augen Martin Luthers wurde die Bibel für Jena vorgestellt von: Christoph Rymatzki (v.l.), Sebastian Neuß, Johannes Schleußner, Thomas Koch, Stefan Beyer, Lisa Schroeter, Harald Kaeber, Bernhard Bergen.

Foto der OrganisatorInnen der Bibelausstellung (Quelle: OTZ vom 07.10.2021)

Der Kirchenkreis hat bereits in der Vergangenheit mit evangelikalen Hardlinern kooperiert: So beteiligte er sich an der Ausstellung „Bibel für Jena“, die vom 18.10. bis 23.10.2021 in der Goethegalerie stattfand und ebenfalls von der Evangelischen Allianz Jena inititiert wurde. Eine tragende Rolle in der Organisation der Ausstellung spielte einmal mehr Stefan Beyer, der im Impressum der Website der Austellung geführt wird. Wie die OTZ berichtet, war die Kooperation bei der Bibelausstellung Ausgangspunkt für die gemeinsame Organisation des Paradiesfestes. Viele der Gemeinden und Personen, welche sich an der Bibelausstellung beteiligt hatten, sind auch MitveranstalterInnen des Paradiesfestes, neben dem Ev.-Luth. Kirchenkreis, die Evangelisch Freikirchliche Gemeinde Jena, die Christus-Gemeinde Jena, das Lutherhaus Jena und die Adventgemeinde Jena.

Gemeinde am Lutherhaus

Mitglied des Jenaer Kirchenkreises ist u.a. die Gemeinde am Lutherhaus, welche auf der Paradiesfest-Website allerdings getrennt von diesem aufgeführt wird. Die Gemeinde am Lutherhaus nimmt eine zentrale Stellung bei der Vernetzung der verschiedenen evangelikalen Gemeinden ein. Das Lutherhaus befindet sich in der Hügelstraße 6a und hat beispielsweise die „Lebensschutz“-Organisation Kaleb e.V. beworben. Kaleb Jena wird von Anke und Jens Scherbel geführt. Jens Scherbel hatte 2015 an die AfD gespendet. Das Lutherhaus durfte sich zum Semesterbeginn 2022 beim „Markt der Möglichkeiten“ neben zahlreichen studentischen und gesellschaftlichen Intitiatven im Foyer des Unversitäscampus am Ernst-Abbe-Platz präsentieren.

Freikirche der Siebenten-Tags Adventisten

Die fundamentlistische Freikirche der Siebenten-Tags Adventisten befindet sich in der Stifterstraße 2. Als Prediger ist Matthias Scheel angegeben. Die zugehörige Pfadfindergruppe wird von Michael Plietz geführt. Homosexualität, Trans- und Intergeschlechtlichkeit, Abtreibung und die Evolutionstheorie lehnt die Freikirche ab (trans*solidarische vernetzung Jena).

Landeskirchliche Gemeinschaft Jena

Die Landeskirchliche Gemeinschaft Jena befindet sich in der Wagnergasse 28. Neben ihrer Mitgliedschaft in der EAD ist sie in der Vergangenheit dadurch aufgefallen, Busanreisen zum „Marsch für das Leben“ in Berlin, welcher sich gegen das Recht auf Schwangerschafsabbruch richtet, zu bewerben sowie Erfahrungsberichte darüber zu veröffentlichen. Bei diesen jährlichen Märschen wird regelmäßig die NS-Vernichtungspolitik relativiert, indem Abtreibungen als Euthanasie oder als „Babycaust“ bezeichnet werden. Desweiteren ist der Marsch eng mit der AfD verknüpft, wie sich an u.a. an den Auftritten von Beatrix von Storch auf den Märschen zeigt. Auch Björn Höckes Mitarbeiter Robert Teske nahm in früheren Jahren an den Berliner Marsch Teil.

 Beatrix von Storch am Fronttransparent mit Euthanasie-Vergleich des „Marsch für das Leben 2015 in Berlin (Foto: Streich)

Beatrix von Storch am Fronttransparent mit Euthanasie-Vergleich des „Marsch für das Leben 2015 in Berlin (Foto: Streich)

Pfarrer der Landeskirchen Gemeinschaft ist Ulrich Schmidt. Vorstandsvorsitzender ist Titus Welker (Landeskirchliche Gemeinschaft Jena). Welker ist als Lehrer an der Evangelischen Grundschule Jena tätig (Evangelische Grundschule Jena).

Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Jena

Die fundamentalistische Evanglisch-Freikirchliche Gemeinde Jena befindet sich in der Kahlaischen Str. 9. Ihr Pfarrer Frederik Langer vertritt die Ansicht, die Frau solle sich dem Mann unterordnen, so wie sich die Gemeinde Gott unterordnet. Der Mann hingegen solle für die „Schönheit“ der Frau sorgen (Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Jena).

JesusGemeinde Jena

Die evangelische Freikirche „JesusGemeinde“ befindet sich in der Jenaischen Str. 27a. Pastor ist Thorsten Richter. Auf seinem Facebook-Account teilt Richter Beiträge von der Antifeministin Birgit Kelle und Anti-Choice-Organisation „Jugend für das Leben“ mit Falschinformationen über Schwangerschaftsabbrüche. Außerdem teilte er einen Ausschnitt aus einer Phoenix-Talkshow des Antifeministen Peter Hahne in der ein Psychiater kulturrassistische Narrative bedient und anhand deren begründet, dass Geflüchtete nicht integrierbar seien.

Screenshot eines geteilten Beitrags von Birgit Kelle durch Thorsten Richter. Auf der Vorschau des Videos ist "Kann Abtreibung ein Trauma verursachen?" zu lesen.

Thorsten Richter teilt auf Facebook einen Beitrag der Antifeministin Birgit Keller in dem suggeriert wird, Schwangerschafstabbrüche würden Trauma verusachen, was allerdings bereits wissenschaftlich widerlegt ist. Negative Auswirkungen für ungewollt Schwangere hat vor allem die Stigmatisierung von Abbrüchen, nicht der Abbruch an sich.

Screenshot eines geteilten Beitrags von "Jugend für das Leben" durch Thorsten Richter. Das geteilte Video hat den Titel "Todesurteil Downsyndrom?"

Thorsten Richter teil auf Facebook Posts von der Anti-Choice Organisation „Jugend für das Leben“. Im Beitrag werden Behindertenrechte und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch gegeneinander ausgespielt.

Screenshot eines geteilten Beitrags durch Thorsten Richter. Es handelt sich um ein Video einer phoenix-Talkshow, das mit dem Text "Aufgewacht! - Psychiater über Flüchtlinge: 'Da ist nichts zu integrieren'"

Thorsten Richter teil auf Facebook einen kulturrassistischen Beitrag, der suggeriert Geflüchtete seien nicht „integrierbar“.

Gebetsteam Jena

Das Gebetsteam Jena versteht sich als „kleine Gruppe von Betern aus verschiedenen Gemeinden Jenas“. Sie trift sich monatlich im Lutherhaus. Organisiert wird das Gebetsteam von Elke Hoost. Hoost unterschrieb 2014 einen Appell gegen die Unterstützung Bodo Ramelows durch die SPD, in dem von einem bevorstehenden Grundgesetzbruch fabuliert und die Linke mit faschistischen Parteien gleichgesetzt wurde, die allesamt „vergifteten Honig“ unter die Leute bringen würden.

Fazit

Das Paradiesfest stellt damit einen Schulterschluss von reaktionären, sexistischen und antifeministischen Evangelikalen und Jenaer Mitgliedern der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland dar. Es kann dabei als Versuch verstanden werden, fundamentalistische Positionen in liberaleren evangelischen Gemeinden zu normalisieren bzw. neue Mitglieder für die eigenen evangelikalen Gemeinden zu rekrutieren. Um dies zu erreichen und anschlussfähig zu wirken, wird beim „Paradiesfest“ ein scheinbar harmloses Familienfest inszeniert, für dessen Bewerbung die christlich-fundamentalistische Ideologie nicht direkt in den Vordergrund gerückt wird. Der evangelische Kirchenkreis Jena trägt durch seine Beteiligung an der Veranstaltung erheblich zu deren Anschlussfähigkeit und Breitenwirkung bei, indem er als anerkannter zivilgesellschaftlicher Akteur die Veranstaltung harmloser und „offizieller“ wirken lässt. Somit werden die fundamentalistischen Gemeinden dabei unterstützt, ihre reaktionäre Ideologie in die Gesellschaft zu tragen. Gerade angesichts der weltweit zu beobachtenden Entwicklung, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch immer weiter eingrenzt, mit fatalen, – teilweise tödlichen – Folgen für ungewollt Schwangere sowie vor dem Hintergrund der vielfachen, oftmals tödlichen Angriffe auf queeres Leben erachten wir eine klare Abgrenzung und eine öffentliche Positionierung des Kirchenkreises Jena und der darin organisierten Gemeinden als dringend notwendig.

  1. Als evangelikal werden „bibeltreue“ ChristInnen bezeichnet. Während von liberaleren evangelischen Christ*innen eine historisch-kritische Methode der Bibelauslegung befürwortet wird, gilt die Bibel für die meisten Evangelikalen als absolut wahr und irrtumsfrei. Die meisten Evangelikalen können damit auch als fundamentalistisch eingeordnet werden (Quelle: Wikipedia; Mission Gottesreich – Fundamentalistische Christen in Deutschland)