Das „NDS“-Konzert in Naumburg am 14.05.2022 sollte ein großer Jahresauftakt werden. Eine Woche später stehen die Rechtsrapper vor einem Scherbenhaufen: Das Konzert wurde nach einer Veröffentlichung dieses Portals wenige Stunden vor Beginn abgesagt. Zwei der Rapper, Andre „Primus“ Laaf und Tino „Menx“ Datzer, verließen im Streit mit Kai „Prototyp“ Naggert das „NDS“-Trio, weil sie nicht in der Nazi-Kneipe auftreten wollten. Den teils in Naumburg gestrandeten Fans wurden in Videos die Gründe für die Absage erst vorenthalten. Die darauf folgende Ankündigung eines Erklärungsvideos zu Laafs Ausstieg wurde kurzfristig abgesagt. Politisch wollen sowohl Naggert als auch Laaf dort weitermachen, wo sie aufgehört haben – also Rechtsaußen. Von einem politischen Ausstieg kann daher bei Laaf keine Rede sein. Das gemeinsame Label „NDS“, das „Chris Ares“ bekannt gemacht und durch seinen Rückzug 2020 bereits öffentlichen Schaden genommen hatte, wird nun noch unbedeutender werden.
Rückzug nach Antifa-Recherche
Am Freitag, dem 13. Mai erschien auf dieser Seite eine Recherche, die den geheimgehaltenen Veranstaltungsort des NDS-Konzerts am Folgetag in Naumburg veröffentlichte: Die Rapper wollten im „Salzhofkeller“ der Nazikneipe „Lokal 18“ in Naumburg auftreten. Allem Anschein nach wollte Kai Naggert auch nach der Veröffentlichung an der Nazi-Location festhalten, während Andre Laaf und Tino „Menx“ Datzer Bauchschmerzen dabei hatten, ein weiteres Mal öffentlich mit der militanten Rechten in Verbindung gebracht zu werden. In einem kurzen Telegram-Video behaupteten die Rapper fälschlicherweise, dass die Location nicht mehr zur Verfügung stünde. Ein paar Dutzend rechte AnhängerInnen, die Kommentaren zufolge teils Hunderte Kilometer nach Naumburg angereist waren, verbrachten den Abend mit NDS unter der Bundesstraße 180 an der Saale. Weder hier noch in einem zweiten Entschuldigungs-Video am Folgetag redeten die Rechtsrapper ihren Fans gegenüber Klartext. Am 16.05.2022 erklärte dann plötzlich Andre Laaf seinen Ausstieg bei NDS. Seine Begründung: Er hätte sich infolge der Veröffentlichung das „Lokal 18“ angesehen und es sei ihm „zu extrem“ vorgekommen. Laaf wird vom Gros der Fans als integraler Bestandteil von NDS angesehen, ohne den das Label erledigt sei. Tags darauf verkündete auch Tino Datzer seinen Ausstieg in einer knappen Instagram-Story. Datzer war erst im Februar 2021 offiziell als Geschäftsführer bei NDS eingestiegen.
“Patrioten” und Rechtsterroristen
Kai Naggert, der alleine mit „NDS“ zurückblieb, reagierte mit Durchhalteparolen. Dass sein Projekt gescheitert ist, will er zumindest öffentlich noch nicht eingestehen. Dabei war er zusammen mit seiner ex-Partnerin Ramona „Runa“ Naggert und Andre Laaf extra aus Nordrhein-Westfalen nach Ostsachsen gezogen, um in Weifa bei Bautzen zusammen mit dem aus Bayern zugezogenen Christoph „Chris Ares“ Zloch ein neues Zentrum der rechtsradikalen Rapkultur aufzubauen. Zloch zog sich kurz nach seiner Verbannung von großen kommerziellen Plattformen ohne größere Erklärung Mitte 2020 zurück, Ramona Naggert trennte sich von Kai Naggert und stieg bei „NDS“ aus und nun verließen auch Laaf und der in Bayreuth ansässige Neuzugang Tino Datzer das sinkende Schiff „NDS“.
Mit diesem sukzessiven Zerfall wurde die Reichweite des NS-Raps weiter geschmälert. Gleichwohl bedeutete Ramona Naggerts Abkehr von NDS nur eine Zuwendung zu Vertriebsstrukturen der militanten Brandenburger Rechtsrockszene. Nun verkündet auch Andre Laaf, dass er trotz des Ausstiegs bei NDS seine Einstellung keinen Deut verändern werde. Selbst wenn er ein größeres Problem mit der Naumburger Neonazi-Kneipe zu haben schien als Kai Naggert, kann Laaf auf weitreichende rechte Netzwerke bis hin zu Rechtsterror zurückblicken: Er besuchte das fünfjährige Jubiläum von Pegida in Dresden, bewarb in den sozialen Medien die „Isegrim“-Kleidung des gut vernetzten Neonazis Markus Baumgart, verbrüderte sich mit Anhängern der antisemitischen Verschwörungserzählung von „QAnon“ und traf sich mit Patrick Groß, der zeitweise den Aufbau einer deutschen Abteilung der mörderischen Terrorgruppe „Atomwaffendivision“ koordinierte.
Naggert präsentiert Lückenfüller bei NDS
Um keine Floskel verlegen (NDS am Ende? Im Gegenteil!), erklärte Kai Naggert unmittelbar nach dem Weggang von Andre Laaf und Tino Datzer, dass NDS noch politischer werde und zwei neue Mitglieder in den Startlöchern stünden. Kurz darauf wurden Silas „Sillo“ Wehren und Dominik „Kavalier“ Raupbach als neue NDS-Musiker präsentiert. Beide kommen aus den Netzwerken der Identitären Bewegung, Wehren aus NRW und Raupbach aus Sachsen. Musikalisch wird NDS damit noch bedeutungsloser werden. Die begrenzte Popularität im rechten Lager verdankte die Gruppe hauptsächlich Chris Ares und einer Fanbase, die auf der Suche nach Rap im Mainstream-Stil war, der aber politisch Rechtsaußen steht. Andre Laaf und Tino Datzer konnten dies bereits nur noch bedingt bedienen. Silas Wehren wird zwar versuchen hier anzuknüpfen, kann aber bislang musikalisch nichts vorweisen. Dominik Raupbach ist alles andere als ein Rapper, sondern mit seinen 20 Jahren und wenigen Youtube-Videos von Schüler-Auftritten mit Coversongs auf der Gitarre weit jenseits dessen, was die verbliebenen NDS-AnhängerInnen suchen. Auch von einer Stärkung des aktivistischen Profils von NDS ist nichts zu vernehmen. Alle aktuellen Meldungen sind Durchhalteparolen und maskulinistische Kraftsport-Bilder und -Sprüche.
Lokaler Ausblick
Aus lokaler Perspektive bedeutet die antifaschistische Intervention mit dem Ergebnis eines abgesagten Konzerts und Spaltung der NS-Rapper sicherlich einen klaren Erfolg. In Naumburg selber schien der Vorgang jedoch kaum Resonanz zu haben. Die Polizei gab keine Pressemitteilung zu ihrem stundenlangen Einsatz vor dem Lokal 18 und an der B180 heraus. An der Lokalpresse ging das Geschehen ansonsten auch vorbei. Das Lokal 18 ist durch frühere Medienberichte örtlich einschlägig bekannt. Trotz seiner prominenten Lage in der Fußgängerzone der Altstadt scheint sich die Stadtgesellschaft wenig an der optischen Gestaltung, angelehnt an das Terrornetzwerk „Combat 18“ und seinen entsprechenden Stammgästen zu stören. Diese Bedingungen begünstigen auch eine zukünftige Nutzung für Neonazi-Konzerte durch Betreiber Andreas Segieth, der in Rechtsrock-Netzwerken mehr als gut vernetzt ist.