Zum Volkstrauertag zeigte Deutschland mal wieder sein altes Gesicht: Beim zentralen Gedenken auf dem Apoldaer Friedhof wurde zuerst in postfaschistischer Manier durch Ministerpräsident Ramelow und andere Offizielle den Gefallenen der Roten Armee und der deutschen Wehrmacht gleichermaßen gedacht. Umrahmt von Fernsehkameras wurden zunächst am kleinen sozialistischen Denkmal Gedenkreden gehalten. Danach versammelte sich die Menge auf dem vielfach größeren Gedenkplatz für deutsche Weltkriegsopfer. Hier führen steinerne, flache Grabkreuze für deutsche Gefallene auf ein meterhohes Steinkreuz zu. Es wurden erneut Reden gehalten und nun auch Trauerfanfaren gespielt.
Kaum war diese Feierlichkeit vorbei, erschienen rund 20 Neonazis aus den Strukturen der alten „Kameradschaft Apolda“, der örtlichen Rechtsrockband „12 Golden Years“ und der Sänger der bundesweit bedeutenden Nazi-Kultband „Radikahl“. Als ein anwesender Pfarrer deren Kranzniederlegung filmen wollte, griffen die Nazis ihn an und löschten gewaltsam die Aufnahmen von seinem Handy – umsonst: Denn Antifaschist*innen dokumentierten und identifizierten die Nazis beim Verschwinden vom Friedhof.
Apoldaer Nazis verteidigen ihr Revier
Am selben Ort versammeln sich jedes Jahr rund zwei Dutzend Neonazis aus Apolda und dem Weimarer Land, um mit Fackeln und Ansprachen ihrer Nazihelden zu gedenken. Sie hinterlassen dann jedes Mal einen Kranz mit der Aufschrift „Freie Kräfte Apolda“.
Da die Nazis mit ihrem jährlichen Gedenken bei Tageslicht kommen und Bilder im Netz veröffentlichen, kann es weder für die Friedhofsverwaltung, noch für Polizei und andere Behörden ein Geheimnis gewesen sein. Trotzdem verschwanden mit den Politiker*innen auch die Polizeistreifen und Zivilbeamt*innen vom Friedhof. So waren die letzten verbliebenen Beteiligten des offiziellen Gedenkens ebenso überrascht wie ungeschützt, als der rechte Mob anrückte. Als der darüber empörte Superintendent die Kranzniederlegung der Nazis mit dem Handy dokumentierte, haben die Rechten ihn umringt, am Kragen gepackt, in den Oberschenkel getreten und das Handy abgenommen. Nachdem sie die Aufnahmen gelöscht hatten, rückten sie vom Friedhof ab und begaben sich zu ihren Autos am Ostausgang, Utenbacher Straße. Eine erste Polizeistreife erreichte den Friedhof, als die Nazis sich noch auf dem Parkplatz befanden. Dennoch gibt die Polizei in einer Pressemitteilung bekannt, dass diese ohne Identitätsfeststellung wegfahren konnten.
Bilder ihres Abgangs zeigen altbekannte Gesichter quer durch die langjährige Naziszene im nördlichen Weimarer Land. Es waren alte Kameradschafter, Anhänger der NS-Kleinstpartei „Der III. Weg“, Rechtsrocker und Kampfsportler, die offenbar ein Problem mit Öffentlichkeit haben.
Identifizierte Teilnehmende am „Heldengedenken“ am 15.11.2020
Christian Meister
Christian Meister war in den späten 2000er Jahren in der „Kameradschaft Apolda“ aktiv. Wiederholt nahm er an überregionalen Neonaziaufmärschen , z.B. in Dresden 2009, Weimar 2013 und Dresden 2020 teil. Beim Rechtsrockfestival „Rock gegen Überfremdung III“ in Magdala/Apolda im Oktober 2018 beteiligte er sich an der Organisation als Helfer.
Zum „Heldengedenken“ am vergangenen Sonntag reiste er mit einem schwarzen Kombi mit dem Kennzeichen APD-CC-88 an.
Florian Werner
Der 31jährige Florian Werner war schon in seiner Jugend in der „Kameradschaft Apolda“ aktiv mit der er z. B. am „Rock für Deutschland“ 2008 in Gera und am bundesweiten Naziaufmarsch 2009 in Dresden teilnahm. Die Kameradschaft zählte zu den Strukturen der „Braunen Aktionsfront Thüringen“, in der u. a. auch der NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben Mitglied aktiv war. Einige ihrer Mitglieder waren 2006 für einen schweren Überfall auf einen alternativen Jugendlichen in Jena verantwortlich. Gemeinsam mit seinen Kameraden Robert Hoyer und André Groth nimmt Werner regelmäßig an internationalen Rechtsrockkonzerten teil und unterhält Kontakte zu den US-amerikanischen Rechtsrockgrößen „Bound for Glory“ und „H8Machine“, die er bei regelmäßigen USA-Reisen pflegt (siehe früherer Artikel). Neben seinen Neonaziaktivitäten ist Werner fest in die Apoldaer Stadtgesellschaft eingebunden, wie sich an seiner aktiven Mitgliedschaft im Fußballverein VfB Apolda zeigt, für den er in den vergangenen Jahren auch Nachwuchsteams trainierte und als Vereinsvertreter Spenden entgegennahm.
Florian Werner lebt in der Straße An der Burg 9 im Apoldaer Ortsteil Oberroßla.
Benny Meusel
Benny Meusel zählt zum Nachwuchs der Apoldaer Szene und ist darüber hinaus auch an die Naziszene im Erfurter Süden angebunden, die im vergangenen Sommer für schwere Übergriffe auf alternative Jugendliche und Geflüchtete verantwortlich war. In den vergangenen Jahren trat er als Aktivist der NS-Partei „Der III. Weg“ in Erscheinung, trat in Parteiuniform bei Aufmärschen und in Mobilisierungsvideos auf. Aber auch außerhalb des „III. Wegs“ ist Meusel aktiv: So reiste er am 15. Februar 2020 gemeinsam mit den Apoldaer Kameradschaftern um Eric Busch, Dominik Kiesig, Tobias Göpfert und Phillip Glaue, sowie den älteren Kadern André Groth, Christian Meister, Thomas Schrimpf und Benjamin Zickuhr zum international beworbenen Neonaziaufmarsch nach Dresden. Außerdem ist Meusel Fan des FC Carl Zeiss Jena, wo er die Spiele im A-Block zwischen Althooligans verfolgt. Im Frühjahr dieses Jahres stürmte er gemeinsam mit dem Tättowierer Jeffrey Weißenborn und Eric Busch nach dem Spiel gegen Zwickau den Platz, um ein Transparent vom Gästeblock zu entwenden.
Für weitere Informationen siehe früheren Post
Tobias Göpfert
Tobias Göpfert ist seit rund 10 Jahren in der Neonaziszene der Glockenstadt angebunden. Während der rassistischen Mobilisierungswelle 2015 und 2016 war er Aktivist bei „THÜGIDA“ und deren lokalem Ableger „Wir lieben Apolda“. Er ist regelmäßiger Teilnehmer an Naziaufmärschen wie in Saalfeld am 01.05.2015, Plauen und Jena 2016, sowie 2019 in Plauen zum 1. Mai und am 15.02.2020 beim „Trauermarsch“ in Dresden. In Jena geht er der Lohnarbeit in den Zeiss-Werken nach.
Göpfert fährt einen dunkelblauen VW Passat mit dem Kennzeichen APD-G-771.
Dani Bürdek
Dani Bürdek nahm gemeinsam mit seinem Sohn am „Heldengedenken“ teil. Auch er ist tief in die Apoldaer Szene eingebunden, wie sich an seiner Mitgliedschaft in den zwei Rechtsrockbands „12 Golden Years“ und „Kein Potpourri der Fröhlichkeit“ zeigt. Der Name der Band lässt schon auf deren NS-verherrlichenden und antisemitischen Texte schließen, da die Band mit den „zwölf goldenen Jahren“ die Zeit des Nationalsozialismus meint.
Manfred Wiemer
Der gebürtige Nürnberger Manfred Wiemer gilt mit seiner Band „Radikahl“ seit den 1990er Jahren bundesweit als Größe der Neonaziszene. Darüber hinaus hat er internationale Vernetzungen. Außerdem betreibt er gemeinsam mit Fabian Kellermann das Rechtsrocklabel „GvB Produktion“, das nach der SS-Division „Götz von Berlichingen“ benannt ist. Er ist vorbestraft wegen Volksverhetzung und fiel bereits durch Körperverletzungen auf. Wiemer lebt auf einem Hof in Wohlsborn im Weimarer Land. Dieses Objekt dient der Szene auch als Veranstaltungsort für interne Veranstaltungen.
Zum Apoldaer Friedhof reiste Wiemer gemeinsam mit der bisher nicht identifizierten Person 1 mit einem silbernen VW Mini-Van mit dem Göttinger Kennzeichen GÖ-YL-13 an.
Maik Lieschke
Maik Lieschke ist seit über einem Jahrzehnt in der Naziszene Apoldas aktiv. In den 2000er Jahren war er in der „Kameradschaft Apolda“ aktiv und nahm ebenfalls an bundesweiten Neonaziaufmärschen teil, so auch 2009 in Dresden. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern der Rechtsrockband „12 Golden Years“. Aufgrund eines rassistischen Übergriffs in Weimar an Himmelfahrt 2006 wurde der damals schon vorbestrafte Lieschke zusammen mit Thomas Wölfel zu einer Haftstrafe verurteilt. 2015 marschierte Lieschke mit Apoldaer Kameraden beim in Ausschreitungen mündenden Aufmarsch des „III. Wegs“ am 1. Mai in Saalfeld mit.
Christoph Wolter
Auch Christoph Wolter spielte zumindest zeitweise in der Rechtsrockband „12 Golden Years“. Der Neonazismusikszene hält er weiterhin die Treue. Zusammen mit weiteren Apoldaer Neonazis besuchte er wiederholt internationale Rechtsrockkonzerte u. a. in der Slowakei und Estland.
Am 15.11. fuhr er mit seinem silbernen BMW mit dem Kennzeichen AP-K-510 zum Apoldaer Friedhof.
Enrico Küntzel
Auch Enrico Küntzel gehört schon seit seiner Jugend zur organisierten Apoldaer Neonaziszene, in der er in den 2000er Jahren bei der „Kameradschaft Apolda“ und der „Braunen Aktionsfront Thüringen“ organisiert war und mit diesen Aufmärsche besuchte. Gemeinsam mit weiteren Apoldaern nahm er an internationalen „Blood & Honour“ Konzerten teil. Zu nennen seien hier ein „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert in England 2012 und 2014 ein Konzert der US-Rechtsrockband „Bound for Glory“ in Schweden. Seine langjährigen Kontakte zur Apoldaer Szene pflegt er beständig, u.a. auf den jährlichen „Männertags“-Sauftouren, die ein festes Event im Jahreskalender der Szene sind.
Christian Steinbrück
Christian Steinbrück war in den 2000er Jahren in der Struktur „Braune Aktionsfront Weimar“ aktiv und zusammen mit dieser 2006 an einem Übergriff auf einen Punk in Jena beteiligt. Ab 2015 wendete er sich dem Aktivismus bei „THÜGIDA“ bzw. „Wir lieben Apolda“ zu. Gemeinsam mit seiner Frau Romy Steinbrück betrieb er die Szenekneipe „Turmblick“ in Apolda, wo u. a. Konzerte mit der Rechtsrockgröße Michael „Lunikoff“ Regener stattfanden. In Jena war er bis zu deren Schließung in der Kampfsportschule Jena aktiv und veranstaltete in diesem Rahmen auch Kampfsporttrainings mit und für Neonazis. Romy Steinbrück betreibt die Hundeschule „Moxer“, die auch bei Neonazis beliebt ist. Christian Steinbrück selber trägt eine Jacke mit dem Firmenlabel, wie das Foto vom Sonntag zeigt. Steinbrück erwarb vergangenes Jahr einen ehemaligen Gasthof in Niederroßla, An der Apoldaer Straße 19, der er u.a. mit Unterstützung eines früheren Kaders vom „Thüringer Heimatschutz“ aus Saalfeld, Enrico Rinke, zu Büro- und Wohneinheiten umbaute.
Weitere Informationen zu Christian Steinbrück in einem früheren Artikel.
Maik Laser
Maik Laser gehört schon seit Mitte der 2000er Jahre zur Kameradschaftsszene in Apolda. Damals nannte er sich im Internet noch unverblümt „hagen_kroiz“. Laser ist seit gut fünfzehn Jahren bei allen privaten Treffen und politischen Veranstaltungen der Nazis in Apolda dabei. 2009 fuhr er zudem mit Silvio Röppenack und André Groth zum „Rock für Deutschland“ nach Gera. Ab 2015 war er Mitglied in der lokalen „THÜGIDA“-Initiative „Wir lieben Apolda“ und nahm neben Mitgliedern der militanten „Turonen / Garde 20“ an einer Kundgebung von Hetzer David Köckert in Apolda teil.
Robert Hoyer
Robert Hoyer war schon als Jugendlicher in den 1990er Jahren in der extrem rechten Szene Apoldas aktiv und fiel dabei durch diverse Straftaten, wie z. B. gefährliche Körperverletzung, auf. In den 2000er Jahren gehörte er zum Umfeld der Kameradschaft Apolda. Er besucht seit ca. 15 Jahren internationale Rechtsrockkonzerte und unterhält Kontakte zu den US-Rechtsrockbands „Bound for Glory“ und „H8Machine“, die dem rechtsterroristischen Milieu zuzuordnen sind. Im Frühjahr 2020 trainierte Hoyer an einem Weimarer Schießstand an scharfen Waffen und postet in den sozialen Medien immer wieder Bilder, auf denen er mit einer Armbrust unterwegs ist (siehe früherer Artikel). Hoyer pflegt enge Verbindungen zu Aktivisten des trotz Verbot noch aktiven „Blood & Honour“-Netzwerks und demonstriert auch selber im Netz seine Unterstützung für diese militanten Strukturen.
Posts in den sozialen Medien lassen darauf schließen, dass auch Robert Hoyer am 15.11.2020 auf dem Apoldaer Friedhof war, um deutschen Tätern zu gedenken.
Weitere Personen beim „Heldengedenken“
Es sind dieselben Nazis, die seit den 2000er Jahren für Übergriffe und NS-Propaganda bekannt sind. Mittlerweile sind viele von ihnen Kleinunternehmer, machen Handwerksarbeiten im Landkreis, drehen Werbefilme für Sport- und Kirmesvereine, betreiben Kleidungs- oder Tattoo-Läden und sind Trainer beim VfB Apolda oder KSC Deutsche Eiche. Auch das in massenhaften Angriffen auf die Polizei mündende Rechtsrockkonzert auf dem Apoldaer Markt im Oktober 2018, das von den örtlichen Kadern maßgeblich mitorganisiert wurde, hat daran nichts geändert. Im Vereinsheim vom VfB Apolda fand bereits 2005 ein Konzert mit „Radikahl“ statt, deren Sänger Manfred Wiemer nun auch am Übergriff auf den Pfarrer beteiligt war. Im selben Vereinsheim feierte 2019 Florian Werner, der ebenfalls zu der Gruppe vom Friedhof gehörte, mit Nazikadern aus Apolda, Südthüringen und aus Strukturen von NPD und Rechtsrockszene aus Brandenburg seinen 30. Geburtstag. Der Hammerskin-Unterstützer und VfB-Trainer trägt SS-Totenkopf und Stielhandgranaten einer SS-Division auf die Brust tätowiert. Die Verantwortung für Übergriffe auf Geflüchtete, Angriffe auf das Wohnhaus des Mattstedter Bürgermeisters oder nun auf den evangelischen Pfarrer, trägt auch eine Stadtgesellschaft, die bekannte Nazis in ihrer Mitte akzeptiert und ihnen oft unwidersprochen jeglichen Raum überlässt. Daher gilt dem Pfarrer aller Respekt und Solidarität dafür, dass er eben diese gefährliche Normalität durchbrochen hat und trotz des Angriffs auch im Nachgang öffentlich seinen Widerspruch artikuliert.