Am 30. Januar 2025 eröffnete „Die Heimat“ (ehemals NPD) ein neues „Parteibüro“ in Gera. An der Eröffnung nahmen neben „Heimat“-„Prominenz“, Hammerskin-Liedermachern, Reichsbürgern und Jungnazis der „Gerschen Jugend“ auch mehrere AfD-LokalpolitikerInnen teil. Am Abend traten die Neonazi-Liedermacher Philipp Neumann („Phil von FLAK“) und Frank Rennicke bei der Veranstaltung auf. Die in einem Gewerbegebiet gelegene Immobilie droht neuer Trainingsraum für neonazistische KampfsportlerInnen und Veranstaltungsort für kleinere Rechtsrockkonzerte und neonazistische Liederabende zu werden.

Fahnen von der „Heimat“, „Fürstentum Reuß“ und „Gerscher Jugend“ zur Büroeröffnung am 30.01.2025 in Gera (Bild: Pixelarchiv)
Distanz zu Patrick Wieschke in Eisenach

Patrick Wieschke (mittig) und Rechtsrocker Steven Arndt (r.) beim „Heldengedenken“ am 17.11.2024 in Eisenach (Bild: RechercheNetzwerk Berlin)
Seit 2014 war das „Flieder Volkshaus“ in Eisenach ein wichtiger Eckpfeiler neonazistischer Infrastruktur in Thüringen. Die damalige NPD/„Heimat“-Landeszentrale diente als Veranstaltungsort für zahlreiche Rechtsrockkonzerte, Trainingsraum für „Knockout 51“ und Treffpunkt für Vernetzungstreffen. Zentraler Akteur hinter dem „Flieder Volkshaus“ ist Patrick Wieschke. Dieser fiel in großen Teilen der Neonaziszene im letzten Jahr in Ungnade, weil er gegen andere Neonazis von „Knockout 51“ aussagte, nachdem er im Rahmen der Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorgruppe in Untersuchungshaft gekommen war. Die Spaltung in Eisenach zeigte sich zum „Volkstrauertag“ 2024 derart, dass es in Eisenach gleich zwei neonazistische „Heldengedenken“-Veranstaltungen gab: Mittags folgten einige „Heimat“-Mitglieder und EisenacherInnen aus dem Umfeld des „Flieder Volkshaus“ Patrick Wieschke zur Kranzniederlegung für deutsche Mörder auf den Eisenacher Friedhof. Abends fand auf einem Wehrmachtsfriedhof am Stadtrand Eisenachs eine zweite „Heldengedenken“-Veranstaltung statt, die durch die „Knockout 51“-Führungsperson Eric Krempler angemeldet und durch weitere Personen aus dem Umfeld der Gruppe organisiert wurde. Auf beiden Veranstaltungen wurde explizit die Waffen-SS verherrlicht. Die Eröffnung einer neuen „Heimat“-Immobilie in Gera kann vor diesem Hintergrund als ein weiterer Schritt der Kleinstpartei weg von Patrick Wieschke und dem Eisenacher „Heimat“-Umfeld betrachtet werden. Obwohl die Partei nirgends in Thüringen stärker vertreten ist als im Eisenacher Stadtrat, reiste niemand aus Eisenach zur Büroeröffnung nach Gera an.

v.l.n.r. unbekannt, Paul Henry Krannich, Nick Schwiderski, unbekannt, unbekannt und Eric Krempler am 17.11.2024 beim von Krempler angemeldeten „Heldengedenken“ am Stadtrand von Eisenach (Bild: Pixelarchiv)
Christian Klar als neuer „Heimat“-Kader
Das neue „Heimat“-Büro befindet sich in der Ronneburger Straße 51 am Stadtrand von Gera. Dabei handelt es sich um die Privatadresse des Geraer Neonazis Christian Klar. Klar, der seit den 90er Jahren in der Neonaziszene aktiv ist und seit Beginn der Coronapandemie als Führungsfigur der Geraer Montagsaufmärsche Bekanntheit erlangte, wurde am 23. November 2024 in den Bundesvorstand der „Heimat“ gewählt. Zuvor war Klar Mitglied der AfD, trug deren Fahne bei Aufmärschen und organisierte den Grillstand beim Bundeskongress der Jungen Alternative in Apolda 2022. Nach Veröffentlichung seiner AfD-Parteimitgliedschaft wurde Klar jedoch mit einem Ausschlussverfahren belegt, was zu einem Zerwürfnis mit Teilen der Partei führte. Das Lager um den AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner wollte Klar loswerden, während der Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald oder der langjährige Stadtvorstand um Evelyn Gropp fest zu Klar hielten. Auch Björn Höcke demonstrierte bei verschiedenen Gelegenheiten seine Unterstützung für den Neonazi Klar.

v.l.n.r. Christian Klar, Carlo Hüfner, Frank Rennicke, Ole Scholz und Etienne Klupp am 23.11.2024 beim Bundesparteitag der „Heimat“ in Bernsdorf (Bild: Recherche Nord)
Die Zusammenarbeit Klars mit der „Heimat“ zeigte sich auch schon in den vergangenen Monaten immer wieder, etwa durch den Auftritt von Peter Schreiber am 3. Oktober 2024 in Gera. Schreiber ist langjähriger Geschäftsführer und Chefredakteur der „Heimat“-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ und seit November 2024 Bundesvorsitzender der Partei. Der Aufmarsch am 3. Oktober wurde von Klar gemeinsam mit der „Miteinanderstadt Gera“, „Freies Thüringen“, „Freie Sachsen“ und der „Gerschen Jugend“ organisiert.
Bei der Büroeröffnung am 30. Januar 2025 reisten neben Schreiber weitere „Heimat“-Kader an: Udo Voigt (stellvertretender Bundesvorsitzender), Patrick Weber (Sondershausen), Alexander Neidlein (Schwäbisch-Hall), Stefan Jagsch (Altenstadt/Hessen), Philipp Neumann (bis 2024 Bad Neuenahr-Ahrweiler/Rheinland-Pfalz, seitdem Raum Stendal; Hammerskin-Mitglied; Liedermacher als „Phil von FLAK“), Patrick Gentsch (Meerane), Thorsten Heise (Fretterode) und Stefan Trautmann (Döbeln, „Heimat“ und „Freie Sachsen“).

v.l.n.r. Alexander Neidlein, Stefan Jagsch, Patrick Weber und unbekannt am 30.01.2025 in Gera (Bild: Pixelarchiv)

Carlo Hüfner (1.v.l.), Evelyn Gropp (3.v.l., ex-AfD) und Thorsten Heise (6.v.l.) am 30.01.2025 in Gera (Bild: Pixelarchiv)
„Fitnessraum für die Aktivisten“

Etienne Klupp (2.v.l.), Justin (5.v.l.) und Anthony Scholz (6.v.l.) am 30. Januar zur Büroeröffnung in Gera (Bild: Pixelarchiv)
Auf Instagram schrieb Klar zur Eröffnung des Büros, dass er plane, dieses auch als „Fitnessraum für die Aktivisten“ zu nutzen. Es liegt nahe, dass er damit u.a. die Nazi-Jugendlichen der „Gerschen Jugend“ meint und diesen Trainingsmöglichkeiten für den neonazistischen Straßenkampf zur Verfügung stellen will. Damit knüpft Klar an das Konzept des Eisenacher „Flieder Volkshaus“ an, das der Terrorgruppe „Knockout 51“ als Traingsraum und Waffenlager diente. Auch die militante Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ bot bis zur Schließung vergangenes Jahr ihr Büro in Ohrdruf (Landkreis Gotha) dem Erfurter und Südthüringer Neonazi-Nachwuchs von der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) zum Kraftsport- und Kampfsporttraining an. Ebenso wie „Knockout 51“ und die „NRJ“ fallen die „Gersche Jugend“ und ihr Umfeld regelmäßig durch Drohungen gegen Linke und die Verherrlichung des Nationalsozialismus in sozialen Netzwerken auf.
![Social Media Post auf dem Luca Kinsky (vermummt) und Anthony Scholz zu sehen sind. Dazu der Text "Zecken sichten und vernichten LG an [Name unkenntlich gemacht]"](https://rechercheportaljenashk.noblogs.org/files/2025/03/12.jpg)
Luca Kinsky (links) und Anthony Scholz (rechts) mit Vernichtungsdrohung gegen Antifaschist*innen am 10.03.2024

Justin von der „Gerschen Jugend“ führte am 22.02.2025 in Berlin einen Neonaziaufmarsch mit Megafon an (Bild: Recherchenetzwerk Berlin)
Teilnahme von AfD-LokalpolitikerInnen
Neben „Heimat“-Kadern und Geraer Neonazi-Jugendlichen nahmen auch mehrere AfD-LokalpolitikerInnen aus Ostthüringen an der Eröffnungveranstaltung der Nazi-Immobilie teil. Darunter befand sich die Zeulenrodaer AfD-Stadträtin Nadine Heiner, die gleich noch ein Geschenk zur Eröffnung mitbrachte. Heiner fiel bereits zwei Wochen zuvor durch ihre Teilnahme beim Aufmarsch der „Freien Sachsen“ am 18. Januar in Chemnitz auf. Auch im Neonazi-Großaufmarsch am 15.2.2025 in Dresden marschierte Heiner wie schon in den Vorjahren mit. Neben ihren Neonazi- und AfD-Aktivitäten ist Nadine Heiner seit Jahren ein führendes Mitglied der „Patrioten Ostthüringen“ um Frank Haußner und dessen Reichsbürgernetzwerken „Fürstentum Reuß“.

Nadine Heiner (1.v.l.) am 18. Januar 2025 beim Aufmarsch der „Freien Sachsen“ in Chemnitz (Bild: Armilla Brandt)
Mit Hans-Peter Berger nahm ein weiteres AfD-Mitglied teil. Berger ist seit 2017 Mitglied der Partei und sitzt für die Liste des Feuerwehr- und Heimatvereins in Gauern im Gemeinderat. Bei der Büroeröffnung in Gera trug Berger einen Pullover der „Nachtwölfe“, eines paramilitärisch organisierten russischen Motorradklubs mit besten Verbindungen zum Kreml. Die „Nachtwölfe“ sind russische Nationalisten und halfen seit 2014 russischen Paramilitärs und dem offiziellen Militär bei der Besetzung von Gebieten in der Ostukraine und auf der Krim. Hans-Peter Berger ist ein glühender Putin-Anhänger und berichtete auf den Geraer Montagsdemos mehrfach von seinen Reisen nach Russland. Auch Eike Wachowiak aus Hans-Peter Bergers AfD-Kreisverband Greiz ist ein Unterstützer der Putin-treuen „Nachtwölfe“. Wie sich ein Eintreten deutscher Nationalisten und vorgeblicher Souveränisten für die imperialistischen Bestrebungen Russlands vereinigen lässt, bleibt seit jeher eines von vielen Geheimnissen der extremen Rechten.

Hans-Peter Berger in einem Pullover der russischen „Nachtwölfe“ am 30. Januar 2025 zur „Heimat“-Büroeröffnung in Gera (Bild: Pixelarchiv)
Ein dritter AfD-Aktivist (Mitgliedschaft nicht bekannt) bei der Büro-Eröffnung war Andreas Thomä aus Gera. Die Geraer AfD warb schon 2019 in Annoncen mit Thomäs Gesicht, 2024 kandidierte er auf der AfD-Liste für den Geraer Stadtrat. Thomä ist der Busfahrer der „Patrioten Ostthüringen“ und streamt seit fünf Jahren rechtsextreme Veranstaltungen auf Youtube. Nachdem er jahrelang den dortigen Kanal der „Patrioten Ostthüringen“ betrieb, tritt er inzwischen als „Ostthüringen TV“ auf und darf als solcher Medienaktivist an AfD-Veranstaltungen teilnehmen, von denen seriöse Journalist*innen ausgeschlossen werden.

AfD-Kandidat Andreas Thomä (mittig) bei der „Heimat“-Büroeröffnung am 30. Januar 2025 in Gera (Bild: Pixelarchiv)
Fazit
Auf den ersten Blick mag es verwundern, warum AfD-Mitglieder an der Eröffnungsfeier eines „Parteibüros“ einer anderen extrem rechten Partei teilnehmen. Allerdings stellt die „Heimat“ auf parlamentarischer Ebene keine ernstzunehmende Konkurrenz für die AfD dar. Vielmehr kann sie als Organisation verstanden werden, die die ideologische Gewalt der AfD auf der Straße mit umsetzt. Vor diesem Hintergrund sollte die „Heimat“-Immobilie in Gera auch nicht in erster Linie als Parteibüro betrachtet werden, sondern als Anlauf- und Trainingsort für extrem rechte Jugendliche, als Vernetzungsraum der Neonaziszene Ostthüringens und Veranstaltungsort für kleinere Rechtsrockkonzerte im Garten. Hierbei ist das „Parteibüro“ als Ort und Struktur durch das Parteienprivileg stärker als andere Immobilien geschützt. Für größere Veranstaltungen in den Innenräumen scheint die Immobilie nicht geeignet zu sein, da die Eröffnungsfeier im Winter draußen stattgefunden hat.
Für Antifaschist*innen ist die Konzentration von Parteiressourcen der „Heimat“ auf Christian Klar unterm Strich eine gute Nachricht. Bereits die langjährige Führungsrolle Patrick Wieschkes innerhalb des Thüringer Landesverbands war eine tickende Zeitbombe, was interne Zerwürfnisse anging. Wieschke war schon Anfang der 2000er Jahre bei manchen Kameraden in Ungnade gefallen, als seine versuchte Vergewaltigung einer Minderjährigen und die schwere häusliche Gewalt gegen seine Mutter bekannt wurden. Zwar zeigten sich die vermeintlichen Ideologen der damaligen NPD immer wieder prinzipienlos, was die fortwährende Unterstützung Wieschkes anging. Als er jedoch seinen militanten Zöglingen von „Knockout 51“ mit Aussagen in den Rücken fiel, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, kam es zu einem mehr als späten Bruch von Teilen der Naziszene mit ihm. Dass dieselbe Szene nun auf Christian Klar setzt, sollte unsereine*n beruhigen: Christian Klar steht Wieschke in nichts nach, was Narzissmus und politische Prinzipienlosigkeit angeht. Klar ist eine One-Man-Show sondergleichen und schleppt gleichzeitig eine jahrzehntelange Karriere als Krimineller mit sich. Ihm stehen auch aktuell noch mehrere Prozesse mit mehrjährigen Haftstrafen bevor. Genau wie Wieschke hat auch Klar in der Vergangenheit seine eigenen Leute mit belastenden Aussagen verprellt, als es um seine eigene Haut ging. Für die Naziszene besonders pikant: Klars Netzwerke in Ostthüringen, speziell im Saale-Orla-Kreis, umfassen auch Großdealer von Crystal Meth und anderen illegalisierten Drogen. Klar hat selber den Handel mit Drogen in Ermittlungsverfahren eingestanden. In Klars Händen sind weder sensible Szene-Interna, noch Chat-Kommunikation und schon gar nicht Parteigelder sicher. Wenngleich er gegenwärtig mit seiner Mobilisierungsfähigkeit der Montagstrottenden noch eine Belastung für Ostthüringen und speziell Gera darstellt: Auch in seinem Fall tickt die Uhr bis zur Implosion dieser Szenen.