Zur Bundestagswahl am 23. Februar meldet sich die Gruppe „Studenten stehen auf Jena“ mit einem Aufruf zur Beobachtung der Auszählung der Briefwahlstimmen zu Wort. Das nutzen wir als Anlass, um zu zeigen, dass es sich bei „Studenten stehen auf Jena“ um eine Gruppe handelt, die Teil ultrakapitalistischer, rechtslibertärer Netzwerke ist und Verbindungen zur AfD hat.
„Studenten stehen auf Jena“
Zu Beginn der Coronapandemie gründete sich die Initiative „Studenten stehen auf“ (kurz Stauf) als Teil der Mischszene der PandemieleugnerInnen. In Jena treten als Hauptpersonen Michaela Meißner (ab September 2022) und Michael Brauer (ab August 2022) in Erscheinung. Einmal im Monat trifft sich die Gruppe im Lokal „Die Kneipe“ in der Wagnergasse 10 in Jena. Der nächste Termin ist laut Website des Bundesverbandes von Stauf der 14. März.
Öffentlich in Erscheinung tritt die Gruppe in Jena nur selten und der Aktivenkreis bewegt sich im einstelligen Bereich. Sie kann als Startpunkt für Aktive zur weiteren Organisierung und Vernetzung in die rechte Szene gesehen werden. So zum Beispiel im Fall von Dante Riedel. Dieser betreute 2022 gemeinsam mit Michael Brauer den Stand der Gruppe beim „Markt der Möglichkeiten“ an der FSU Jena und nahm regelmäßig an den wöchentlichen Montagsaufmärschen teil. Bereits im Sommer 2022 trat er bei den von Neonazi Christian Klar organisierten Aufmärschen in Gera als Redner auf und wurde Mitglied der Jungen Alternative, zu deren stellvertretendem Landesvorsitzenden er mittlerweile aufstieg.

links: Michael Brauer und Dante Riedel am 13.10.2022 beim Markt der Möglichkeiten der FSU Jena am Stand von „Studenten stehen auf“ direkt neben den „Students for Liberty“, rechts: Dante Riedel (mittig mit Krawatte) beim JA Bundeskongress am 1. Februar 2025 in Apolda (Bild: Pixelarchiv)

Dante Riedel (3.v.l.) am 2. Mai 2022 bei PandemieleugnerInnenaufmarsch in Jena (Bild: Mirko Bratypus)
Die Vernetzung von „Studenten stehen auf“ innerhalb des PandemieleugnerInnen-netzwerks zeigt sich an vielen Stellen in der öffentlichen Telegram-Gruppe ‚Stauf-Jena‘. So z.B. eine Trauerbekundung um den Pandemieleugner Gunnar Kaiser:
Zudem wurde in der Gruppe ein Aufruf zur Beteiligung an den Bauernprotesten Anfang des Jahres 2024 geteilt. Die Teilnehmenden aus Kiel beteiligten sich mit einem Banner, in dem in rechter Manier die Behauptung aufgestellt wird, Deutschland „verschwende“ sein Geld im Ausland, statt es für die eigene Bevölkerung einzusetzen.
In den letzten Jahren tauchten immer wieder rechte Flyer, Sticker und ausgedruckte Memes in Schaukästen und Aufstellern der Uni Jena auf. Darauf war unter anderem die Forderung „Grüne an die Front“ zu lesen. Wer aufmerksam die bundesweite Website von Stauf verfolgt, kann in der dortigen Galerie den Spruch wiederfinden. Ein Zusammenhang zu Stauf liegt daher nahe.

Bild auf der Stauf Website auf dem ein Hörsaal zu sehen ist, an dessen Tafel „Grüne an die Front“ steht, auf den Tischen des Hörsaals sind Stauf-Flyer verteilt
Überschneidungen zum Hayek-Club
Michaela Meißner ist neben ihrer Aktivität bei Stauf auch bei „Students for Liberty Jena“ aktiv und Clubleiterin des Hayek-Club Jena. Hayek-Clubs sind lokale Ableger der „Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft“. Bei dieser handelt es sich um ein rechtslibertäres Netzwerk, welches mit marktradikalem und menschenfeindlichem Programm auftritt. Libertäre pflegen einen autoritären und radikal individualistischen Freiheitsbegriff: „Sie wollen den Staat abschaffen. Stattdessen soll alle Macht bei den Unternehmern liegen, und zwar ohne demokratische, staatliche Kontrolle.“ (ZEIT Interview mit Andreas Kemper). SpitzenpolitikerInnen der AfD wie Alice Weidel und Beatrix von Storch sind ebenfalls Mitglied der Hayek-Gesellschaft. Bereits 2014 veranstaltete der Hayek-Club Jena eine Veranstaltung mit Beatrix von Storch im Schwarzen Bär in Jena. Im November 2024 beschloss der Hayek-Club Frankfurt, dass eine Mitgliedschaft in der AfD unvereinbar mit dem Hayek-Club Frankfurt sei. Dies kommentierte Meißner auf Facebook mit einem Meme mit „Jesus fucking christ“ und „Junge“:

Michaela Meißner kommentiert am 26. November 2024 den Unvereinbarkeitsbeschluss des Hayek-Club Frankfurt mit der AfD
Konferenz mit Markus Krall und Titus Gebel
Zuletzt organisierte Meißner im August 2024 zusammen mit Karla Wagner und Wolfgang Roschka eine Konferenz unter dem Titel „Wege aus der Knechtschaft“. Wagner und Roschka sind jeweils die AnsprechpartnerInnen des Hayek-Clubs für Weimar und Erfurt. Roschka ist zudem Mitglied in der Landsmannschaft Rhenania, einer rechten Studentenverbindung in Jena, die Teil des Coburger Convents ist. Er ist Resortleiter für Bildung, Berufsorientierung und lebenslanges Lernen bei der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen.
Bei der Konferenz trat unter anderem Markus Krall mit dem Thema „Der Selbstzerstörungsmechanismus des Fiatgeldes im Lichte der aktuellen Entwicklungen“ auf. Zu Kralls Forderungen zählt u.a. die Abschaffung des Wahlrechts für alle Empfänger*innen von Sozialleistungen und die Einführung eines auf Lebenszeit gewählten Königs mit Vetorecht. Krall wirkte an der Gründung der Werte Union mit, die er als Mehrheitsbeschafferin für die AfD konzipierte. Im Februar 2024 trat er aus der Partei aus und ist mittlerweile Mitglied der Partei „Bündnis Deutschland“. Kralls Positionen veranlassten das rechtsterroristische Reichsbürgernetzwerk um Heinrich XIII. Prinz Reuß, diesen als geeigneten Kandidaten für das Amt des Finanz- und Wirtschaftsminister für das Kabinett, das sie nach dem gewaltsamen Putsch einsetzen wollten, in Betracht zu ziehen. Krall soll beim ersten Treffen der Gruppierung dabei gewesen sein und und sich zuvor schon mehrmals mit Reuß getroffen haben, einmal auf Schloss Waidmannsheil in Ostthüringen. Daneben soll Krall für Reuß eine „Verfassung für Deutschland“ für die Zeit nach dem Umsturz geschrieben haben.
Neben Kralls Vortrag verspricht die Konferenzankündigung noch weitere obskure Thesen. Dazu gehört sicherlich der Vortrag „Stadtluft macht frei – aber nur in Freien Privatstädten“ von Dr. Titus Gebel. Er macht sich für die Idee der „Privatstädte“ stark, eine Dystopie, in der Städte zu Privatunternehmen werden sollen und die Demokratie gänzlich abgeschafft wird. Dazu gesellt sich der Enthusiasmus für Kryptowährung, Atomenergie und klimaschädliche Praktiken wie Fracking. Für ihre „Projekte“ suchen sich die Privatstadt-Fans explizit Orte im globalen Süden, um die ökonomisch und politisch instabile Lage auszunutzen. Wie die Frankfurter Rundschau bekanntgibt, ist Titus Gebel „an zwei Sonderentwicklungszonen in Honduras beteiligt. Eine weitere Privatstadt ist in São Tomé und Príncipe geplant. [Gebel] [o]rganisierte 2019 mit Daniel A. Gottschald (Technische Universität München international) eine Investorenkonferenz für Próspera und 2021 im staatsfeindlichen Modelhof (Schweiz) eine internationale Privatstadtkonferenz.“
Hayek-Club als Sammelbecken rechter Korporierter
Der Jenaer Hayek-Club ist geprägt durch Korporierte sowie AfD- und CDU-Mitglieder. So handelte es sich bei Meißners Vorgänger als Clubleiter des Hayek-Club Jena um Heiko Ziemer, Mitglied der Burschenschaft Arminia und der CDU. Er hatte diese Position von 2012 bis 2018 inne. Außerdem waren Richard Machnik von der Rhenania Jena und der CDU sowie Robert Mochrie von der Arminia und der AfD/JA aktiv im Hayek-Club. Die Zusammenarbeit mit der Arminia geht dabei über personelle Überschneidungen hinaus. So organisierte der Hayek-Club Jena gemeinsam mit der Burschenschaft mehrere Vorträge, die auf dem Haus der Verbindung in Jena Ost stattfanden.
Studenten stehen auf Jena = Students for Liberty Jena?
Ein weiteres Projekt von und mit Meißner sind die „Students for Liberty“. Dabei handelt es sich um ein 2007 gegründetes weltweites Netzwerk, das sich auf die gleiche rechtslibertäre Ideologie wie die Hayek-Clubs bezieht. 2017 veranstalteten die „Students for Liberty“ in Jena eine Regionalkonferenz, die von Meißner organisiert wurde. Schon damals saß Titus Gebel auf dem Podium und verbreitete sein ultrakapitalistisches Privatstadtkonzept. Mit Gerd Habermann und Matthias Heitmann traten außerdem zwei neoliberale Antifeministen auf, die in „Gender Mainstreaming“ eine „Privilegierung der Frauen“ und in Gleichstellungsgesetzen Einschränkungen der Entscheidungsfreiheit in orwellschem Ausmaß sahen (vgl. Pekari Jena).
Mittlerweile scheint es sich bei „Students for Liberty Jena“ und „Studenten stehen auf Jena“ nur noch um verschiedene Labels für die gleiche Gruppe zu handeln. Dies zeigt sich daran, dass die Stammtische beider Gruppen „zufällig“ immer am selben Ort zur selben Zeit stattfinden:

Kneipenabend von Stauf und „Liberaler Stammtisch“ vom Hayek-Club Jena und „Students for Liberty Jena“ fanden am 13. Dezember 2024 zur selben Zeit am selben Ort statt
Wahlbeobachtung mit „Wabeo“
Am 23.02. findet die Bundestagswahl statt. Zu dieser rufen „Studenten stehen auf“ zur Beobachtung der Briefwahlauszählung auf. Es ist sinnvoll, dass bei einer Wahl alle die Auszählung beobachten können und so eine mögliche Wahlmanipulation zu verhindern. Es geht uns deshalb nicht darum, den Aufruf der Wahlbeobachtung als solchen zu kritisieren. Stattdessen wollen wir hiermit über Hintergründe von „Studenten stehen auf“ aufklären und die damit einhergehende Intention kritisieren.
In rechten Kreisen wird aktuell vermehrt zur Wahlbeobachtung aufgerufen, so z.B. von der AfD und „Ein Prozent“. PandemieleugnerInnen haben dafür sogar eine eigene Plattform namens „Wabeo“ mit offiziellen Sitz in Weimar eingerichtet. Wabeo versucht Menschen abzuzocken und und suggeriert man müssen sich bei ihnen kostenpflichtig „verifizieren“ lassen, um die Auszählung beobachten zu können, obwohl eine Verifizierung für die Wahlbeobachtung gar nicht nötig ist. Mittlerweile rufen auch extrem rechte Hetzblätter wie Compact auf, sich bei Wabeo zu beteiligen. Auch die Hauptorganisatorin von Stauf Jena, Michaela Meißner, ist Teil von Wabeo. Die Initiatorin von Wabeo Stephanie Tsomakaeva spricht in einem Interview mit der AfD von einer Mitorganisatorin „Michaela“. Michela Meißner von Stauf Jena ist die einzige als Orgamitglied in Frage kommende Michaela in der Diskussionsgruppe von Wabeo und antwortet in Kommentaren auf Fragen von Teilnehmer*innen. Außerdem ist sie eine der wenigen, die fast alle Beiträge von Wabeo auf Facebook liket. Es ist davon auszugehen, dass der Aufruf zur Wahlbeobachtung von „Stauf Jena“, bei dem Meißner als Kontaktperson fungiert, auch im Rahmen von Wabeo stattfinden soll.
Ziel der rechten Wahlbeobachtungsinitiativen ist es, das in rechten Kreisen weitverbreitete Verschwörungsnarrativ zu stärken, dass insbesondere Briefwahlen gezielt manipuliert würden, um rechten Parteien zu schaden. Bei einem schlechten Abschneiden rechter Parteien ist es so ein Leichtes, sich als Opfer einer gezielten Manipulation darzustellen.