- Beythien, Mario
- Brehski, Jörg
- Bügel, Maik
- Haydt, Henning
- Jacob, Cornelia
- Kopper, Mirko
- Liebau, Frank
- Merker, André
- Schultz, Andreas
- Spindler, Enrico
Mario Beythien
Mario Beythien stammt aus Jena-Lobeda und war dort schon um 1988/1989 als Neonazi-Skinhead bekannt. Zu jener Zeit trug er ein Hakenkreuz als Kettenanhänger. In den Neunziger Jahren zählte er zum subkulturell geprägten Teil der Jenaer Naziszene und eröffnete zusammen mit einem Kameraden eine Kneipe und ein Tattoostudiu in der Talstraße in Jena-West. Nach Eröffnung des Naziladens Madley in der Innenstadt arbeitete Beythien mit den beiden Betreibern Frank Liebau und Andreas Schultz zusammen. Beythien zählte mit Schultz, der aus Trockenborn-Wolfersdorf im Saale-Holzland kam, zur Neonazi-Clique “Hatebrothers Kahla 88”, deren Anhänger vor allem in Stadtroda und Kahla ansässig waren. Zusammen mit Schultz, den Hatebrothers und Blood & Honour-AktivistInnen aus Ostthüringen fuhr Maro Beythien im Februar 1998 nach Budapest zu einem internationalen Naziaufmarsch mit anschließendem Rechtsrockkonzert. Beythiens Kamerad Andreas Schultz organisierte auf Ralf Wohllebens Anfrage hin später die Mordwaffe Česká 83 für das NSU-Kerntrio.
In den 2000er Jahren hielt Beythien über Myspace u.a. Kontakt zum Jenaer Nazischläger Mirko Grumpmann, der gute Kontakte ins Blood & Honour-Netzwerk unterhielt und zusammen mit dem aus Jena stammenden Blood & Honour-Liedermacher Mirko “Barny” Fritsche (geb. Szydlowski) auch Aktivisten des militanten Netzwerks in England besuchte.
Mario Beythien zog irgendwann mit seinem Tattoostudio ins Stadtzentrum, in den Durchgang zwischen Krautgasse und Bachstraße direkt neben dem Universitätscampus. Dort sitzt das Studio noch heute.
Beythien hält in den sozialen Medien weiterhin Kontakt zu seinen früheren Hatebrothers-KameradInnen wie Cornelia Jacob oder Mirko Kopper. Kopper präsentierte zusammen mit Andreas Schultz 1998 das Hatebrothers-Banner in Budapest und zählt zu den Gründungsmitgliedern der Stadtrodaer Folkrockband Limited Booze Boys. Auch der Stadtrodaer Nazi-Skinhead und Bombembastler Henning Haydt gründete die Band mit. Haydt musste die Band 2012 verlassen, als Antifaschist*innen seinen Hintergrund veröffentlichten. Kopper ist bis heute aktives Bandmitglied. Als der Bandleader Tom Kroneberger 2016 sein eigenes Tattoostudio in Stadtroda eröffnete, kam auch Mario Beythien vorbei. 2018 besuchte die Band Beythien in seinem Jenaer Studio.
Jörg Brehski
Der 1968 geborene Jörg Brehski kommt aus Kahla und zählte dort nach der Wende zur ersten Generation organisierter Neonazi-Skinheads. Zusammen mit seinem Kahlaer Kameraden André Merker vernetzte er sich mit weiteren Neonazis aus Stadtroda und Umgebung und formierte mit diesen die Gruppe Hatebrothers 88 Kahla. Brehski war seit der Gründungszeit der Thüringer Sektion gut mit Blood & Honour Gera vernetzt, wie seine Fahrt zu einem Rechtsrockkonzert in Tautenhain zusammen mit Merker und dem Geraer Blood & Honour-Mitglied André Kluge 1997 zeigt. Im Februar 1998 fuhr Brehski mit den Hatebrothers und Blood & Honour zum europaweiten Naziaufmarsch nach Budapest und marschierte dort hinter dem Hatebrothers-Banner. Beim Aufmarsch von NPD und Thüringer Heimatschutz am 12.02.2000 in Gera lief Jörg Brehski zusammen mit André Merker hinter dem Banner von Blood & Honour Thüringen mit. Zu dieser Zeit hatte Blood & Honour bereits Gelder aus Thüringer Rechtsrockkonzerten über André Kapke an das untergetauchte NSU-Kerntrio weiterzuleiten, während die sächsische Sektion des militanten Netzwerks die verschiedenen Unterschlüpfe, Tarnidentitäten und Gelder zur Waffenbeschaffung stellte.
Im Booklet des Albums “Ohne Worte” der Geraer Blood & Honour-Band Legion Ost wurden dann wenig überraschend auch Grüße an “Breski, Merker und den Rest der Kahlaer” (Fehler im Original) gerichtet.
In den Jahren um die Jahrtausendwende fiel Brehski mit einer Vielzahl von Sachbeschädigungen, öffentlich gegrölten Naziparolen, Körperverletzungen oder/UND Raubüberfällen auf. Begleitet wurde er dabei u.a. vom Sänger der Jenaer Rechtsrockband Vergeltung, Tom Turner, von André Merker und Enrico Spindler aus Kahla SOWIE/oder von Maik Bügel aus Stadtroda. Bis mindestens 2004 lassen sich diese Aktionen von Brehski im Saale-Holzland-Kreis nachvollziehen.
Seit spätestens 2012 scheint Brehski wieder verstärkt mit seinen alten Kameraden im Kontakt zu sein. Zusammen mit Cornelia Jacob und André Kluge nahm er am Wohlleben-Solidaritätsfestival im Juni 2013 in Kahla teil. Hier war er u.a. in Gesprächen mit Roberto Graf aus Gera zu sehen, der die dortigen Nazistrukturen seit der Wende mit aufgebaut hatte.
In den Jahren darauf fuhr Brehski zu einem Konzert der Bremer Neonazi-Kultband Endstufe und traf sich auch mit seinem alten Wegbegleiter der Hatebrothers Kahla, André Merker, auf Konzerten 2014 und 2020 wieder. /
In den Jahren darauf fuhr Brehski zu einem Konzert der Bremer Neonazi-Kultband Endstufe, Außerdem traf er sich auch mit seinem alten Wegbegleiter der Hatebrothers Kahla, André Merker, auf Konzerten 2014 und 2020 wieder.
Maik Bügel
Maik Bügel (Jahrgang 1977) kommt aus Stadtroda und wurde Mitte der 1990er Teil der organisierten Neonazi-Skinheadszene. Bügel zählte ab 1997 zu den UnterstützerInnen der vor allem in Gera ansässigen Thüringer Blood & Honour-Sektion um Marcel Degner und Silvio Jordan. Zusammen mit André Merker und Jörg Brehski aus Kahla fuhr er regelmäßig zu Konzerten und Treffen der militanten Bewegung. Als eigene Gruppenstruktur im südöstlichen Saale-Holzland gründeten Bügel, Brehski, Merker und der Madley-Betreiber Andreas Schultz die Hatebrothers 88 Kahla. Maik Bügel fuhr im Februar 1998 mit Blood & Honour und den Hatebrothers nach Budapest, um sich an einem internationalen Naziaufmarsch zu beteiligen, bei dem das Banner der Hatebrothers neben dem von Blood & Honour Berlin präsentiert wurde. Einer von Bügels ständigen Begleitern war auch Tom Turner, der aus Jena stammte und dort zuerst die Kameradschaft Jena und dann die Rechtsrockband Vergeltung mitgründete. Turner zog um 1997 nach Kahla und danach zu Andreas Schultz nach Wolfersdorf. Seitdem gehörte Turner zu Bügel und den Hatebrothers und hielt mit diesen regelmäßige Trinkgelage mit Rechtsrock und dem Grölen von Naziparolen ab.
Um die Jahrtausendwende fiel Maik Bügel regelmäßig mit verbotenen neofaschistischen Symbolen in der Öffentlichkeit auf und war zusammen mit den Hatebrothers wiederholt an Schlägereien und Übergriffen in Kahla oder Stadtroda beteiligt. Zu den Treffen kamen auch Blood & Honour-Mitglieder aus Gera, darunter André Kluge oder Mitglieder der Geraer Blood & Honour-Band Legion Ost wie Raik Schumann.
Maik Bügel zählt seit der Gründung bis heute zum engsten Umfeld der Stadtrodaer Band Limited Booze Boys, die von seinem Hatebrother-Kameraden Mirko Kopper mitgegründet wurde. Bügel trägt genau wie alle Bandmitglieder den Bandnamen in Frakturschrift auf den Bauch tätowiert und begleitete die Band regelmäßig auf Tour. An seiner Stadtrodaer Wohnanschrift ist außerdem das Impressum der Band registriert, die nach einer Kontroverse um ex-Bandmitglied Henning Haydt öffentlich beteuerte, keinerlei Verbindungen zur rechten Szene zu haben.
Henning Haydt
Henning Haydt aus Stadtroda zählte in den Neunziger Jahren zum Umfeld der Neonazi-Clique „Hatebrothers 88 Kahla“. Bei Haydt gab es 1997 eine Hausdurchsuchung, nachdem er Leute in Quirla verprügelt hatte, die gegen seine zu laute Nazimusik aus dem Kassettenrekorder protestiert hatten. Bei ihm Zuhause wurde dann eine mit Schrauben und Nägeln gefüllte Rohrbombe gefunden. Außerdem fand die Polizei eine Deutschlandkarte mit markierten KZ-Gedenkstätten, die als Anschlagsziele interpretiert wurden. Als dann 1997 die Kofferbombe (mit Hakenkreuzbemalung) auf dem Jenaer Theaterplatz abgestellt wurde, wurde außer gegen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe auch gegen Haydt ermittelt und er wurde kurzzeitig observiert. Wenige Monate später wurde in einem Wohnheim für portugiesische Arbeiter in Stadtroda ein scharfer Sprengsatz im Heizungskeller gefunden. Beide Bombenfunde wurden nie aufgeklärt. Im Rahmen der Observationen zum Auffinden des abgetauchten NSU-Kerntrios beobachtete die Polizei 1998 ein Treffen zwischen Frank Liebau (Madley) und Henning Haydt.
Henning Haydt war kurz darauf eines der Gründungsmitglieder der Stadtrodaer Folkrockband Limited Booze Boys. Die Band ist inzwischen mittelmäßig bekannt und spielt vor allem für Rockergruppen und auf entsprechenden Festivals im Rock- und Grauzonen-Milieu. Daneben tritt sie jedoch auch in allen etablierten Veranstaltungsorten auf, so z.B. in Jena im F-Haus. Ihre CDs werden von Amazon, Media Markt oder dem Spiegel-Vertrieb verkauft. Nach der Selbstenttarnung des NSU wurden auf Linksunten Indymedia und einer Berliner Rechercheseite die Hintergründe von Henning Haydt und unzählige weitere Nachweise zu Neonazi-Kleidung oder -äußerungen auf Facebook weiterer Bandmitglieder der Limited Booze Boys veröffentlicht. Henning Haydt verließ in der Folge die Band und der Sänger Tom Kronenberger veröffentlichte eine Erklärung, in der er zusicherte, dass keines der anderen Bandmitglieder jemals mit der rechten Szene zu tun gehabt hätte.
Cornelia Jacob
Die 1977 in Jena geborene und in Geisenhain aufgewachsene Cornelia Jacob war in den späten Neunzigern mit den Hatebrothers 88 Kahla im Umfeld von Blood & Honour Gera in der organisierten Naziszene aktiv. Jacob fuhr mit diesen Ostthüringer Netzwerken im Februar 1998 zu einem internationalen Naziaufmarsch mit Rechtsrockkonzert nach Budapest, wo Jacob mit Jörg Brehski hinter dem Banner der Hatebrothers posierte, das von dem späteren Beschaffer der NSU-Mordwaffe, Andreas Schultz, gehalten wurde.
Über Jacobs Aktivitäten nach dem Blood & Honour-Verbot 2000 ist nichts bekannt. Wie ein Foto vom Wiedersehen mit dem ehemals stellvertretenden Leiter von Blood & Honour Thüringen, Silvio Jordan, und mit Jörg Brehski im Jahr 2012 belegt, ließ Jacob den Kontakt nie abbrechen.
Seitdem ist sie mit Jörg Brehski zusammen und wieder häufiger auf Naziveranstaltungen anzutreffen. Gemeinsam mit Brehski besuchte Jacob das Solidaritätsfestival für den inhaftierten NSU-Helfer Ralf Wohlleben im Juni 2013 in Kahla.
2014 besuchten Brehski und Jacob ein Konzert der Neonazi-Kultband Endstufe. Zu weiteren Konzerten verabredeten sich Brehski und Jacob auch mit ihrem ehenmaligen Hatebrothers-Kameraden André Merker aus Kahla. Als sich 2017 die gesamte europäische Naziszene zum Großkonzert in Themar traf, reisten neben den früheren Geraer Blood & Honour-Kadern auch Jörg Brehski und Cornelia Jacob an.
Nach eigenen Angaben arbeitete Jacob wiederholt als Servicekraft auf Kreuzfahrtschiffen.
Mirko Kopper
Der 1975 geborene Mirko Kopper kommt aus Tröbnitz bei Stadtroda und war in den Neunziger Jahren Mitglied der Neonazi-Skinheadszene im Saale-Holzland-Kreis. Zu seinem engeren Umfeld zählten damals die Stadtrodaer Henning Haydt, der als Neonazi und Bombenbastler bekannt war, und Maik Bügel, der gut mit Blood & Honour Gera vernetzt war. Zusammen mit Bügel, dem Madley-Betreiber und späteren Beschaffer der NSU-Mordwaffe, Andreas Schultz und weiteren Kahlaer Nazis bildete Mirko Kopper um 1997/1998 die Neonazi-Clique “Hatebrothers 88 Kahla”. Auf Initiative des Geraer Blood & Honour-Kaders Marcel Degner, gleichzeitig V-Mann des Verfassungsschutzes, fuhr Kopper mit einem Reisebus Ostthüringer und sächsischer Neonazis im Februar 1998 zu einem Aufmarsch mit anschließendem Rechtsrockkonzert nach Budapest. Im selben Bus fuhr u.a. auch Max-Florian Burkhardt mit, der zur selben Zeit dem frisch untergetauchten NSU-Kerntrio seine Dokumente und Identität zur Tarnung zur Verfügung stellte. Kopper hielt in Budapest zusammen mit Andreas Schultz das Banner der Hatebrothers 88.
Zusammen mit Henning Haydt und Tom Kroneberger gründete Mirko Kopper 1999 die Folkrockband Limited Booze Boys. Die Band etablierte sich über die Jahre als regionale Größe und spielt bis heute Konzerte in Mainstream-Clubs und Konzerthallen. Sie gehört außerdem zu Rockernetzwerken und wird regelmäßig zu Feiern von MCs aus dem Milieu der organisierten Kriminalität eingeladen.
Gitarrist Henning Haydt musste 2012 die Band verlassen, nachdem Antifaschist*innen seinen Hintergrund als Neonazi und Bombenbastler im Umfeld der Kameradschaft Jena öffentlicht gemacht hatten. Tom Kroneberger, der zu Haydts und Mirko Koppers aktiver Zeit als Neonazi-Skinheads die Band mit ihnen gründete, erklärte danach in einem Statement, dass kein anderes Bandmitglied jemals etwas mit Neonazis zu tun gehabt hätte. Kroneberger ist selbst als Träger von Thor Steinar Kleidung bekannt. Zudem haben die Limited Booze Boys zusammen mit Freunden eine Gruppenstruktur gebildet, die in rockerähnlichen Kutten auftritt. Zu deren Weimarer Ableger gehört auch Ronny Linke, der schon Mitte der 1990er mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und der Kameradschaft Jena unterwegs war. Linke zählte seit Ende der Neunziger zu den Führungskadern von Blood & Honour in Thüringen und führte mehrere Jahre lang auch die nach dem Verbot im Untergrund fortexistierende Struktur des militanten Netzwerks an. Und auch heutzutage gehört Linke immer noch zu den Thüringer Kadern, die verschiedenartig die Aktivitäten trotz Verbots fortführen. Mit Linke posierten die Limited Booze Boys um Mirko Kopper und Tom Kroneberger noch 2016 in einem Foto an der Ostsee.
Frank Liebau (Mitwisser um Waffenbeschaffung)
Frank Liebau betrieb 1995 zusammen mit Andreas Schultz den Szeneladen Madley in der Jenaer Wagnergasse im Stadtzentrum. Weil Schultz noch wegen einer insolventen Baufirma verschuldet war, war Liebau formell Geschäftsführer. In den ersten Jahren haben sie allerdings den Laden gemeinsam geführt. In den Neunzigern kaufte die gesamte rechte Szene bei ihnen im Laden ein – auch Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben gehörten dazu. Zu Liebaus Freundeskreis zählten damals die Mitglieder der Kameradschaft Jena André Kapke und Stefan Apel. Im Laden wurden vor allem Männerkleidung und CDs verkauft. Unter der Hand gab es auch verbotene Sticker, indizierte CDs und Videos, weswegen im Jahr 2000 Ermittlungen und eine Durchsuchung erfolgten. Liebau und Schultz hatten u.a. Videos der Combat18 nahestehenden skandinavischen Gruppe NS88 verkauft, in denen rechtsterroristische Mordanschläge propagiert wurden. Das Madley unterstützte auch die aus Wohllebens NPD-Kreisen produzierte Schüler*innenzeitung „Mitteldeutsches Sprachrohr“ mit Anzeigen und Rabattcoupons für Leser*innen.
Ende der 90er kamen häufiger Nazis in den Laden und fragten nach Waffen. Als Ralf Wohlleben eines Tages Liebau nach einer Waffe fragte, verwies dieser ihn weiter an Andreas Schultz. Dass dieser tatsächlich eine scharfe Waffe besorgte und sich zur Übergabe an Carsten Schultze im Madley verabredete, will Liebau nicht mitbekommen haben. Dass sich Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos 1998 abgesetzt hatten, will Liebau mitbekommen haben und diesbezüglich bei Wohlleben nach deren Verbleib gefragt. Dass er keine Antwort erhielt, beschrieb Liebau in seiner polizeilichen Vernehmung damit, dass Wohlleben ihm eine „Antwort schuldig geblieben“ sei. Später arbeitete Schultz nur noch gelegentlich als freier Mitarbeiter im Laden, weil er nebenbei eine Minigolfanlage im Waldbad Wolfersdorf betrieb. Im Jahr 2008 schloss Liebau den Laden infolge zunehmenden Drucks durch antifaschistische Proteste.
Am 25.01.2012 wurden die Wohnungen von Frank Liebau in Laasdorf und Andreas Schultz in Wolfersdorf durchsucht. Kurz vor seiner Zeugenaussage im NSU-Prozess hat Liebau Andreas Schultz in Wolfersdorf besucht und mit ihm über dessen Aussagen bei der Polizei und die Ladungen als Zeugen zum Prozess gesprochen. In seiner Zeugenvernehmung 2012 vor dem Münchner Oberlandesgericht verweigerte Liebau de facto größtenteils die Aussage, indem er konsequent auf Gedächtnislücken verwies. Auf Nachfrage bezeichnete er sich als immer noch „national“ eingestellt.
Liebau wohnt bis heute Im Kleinen Dorf 11 in Laasdorf, wenige Kilometer südöstlich von Jena. Sein Haus und seine Garage waren über die vergangenen Jahre immer wieder durch Neonazi- und Hooliganaufkleber gekennzeichnet.
André Merker
Der 1970 geborene Kahlaer André Merker ist seit Mitte der Neunziger bis heute aktiver Neonazi. In den Neunzigern zählte er mit den Kahlaern Jörg Brehski und Enrico Spindler zu den Haterbrothers Kahla 88, die eng mit Blood & Honour Gera vernetzt waren. Merker fuhr im Gründungsjahr der Thüringer Sektion zusammen mit dem Geraer Blood & Honour-Mitglied André Kluge zu einem Konzert nach Tautenhain und war auch in den Jahren danach ein Stammgast bei Konzerten und Treffen der militanten Gruppierung. Nachdem mit Tom Turner der Mitgründer der Kameradschaft Jena und der Rechtsrockband Vergeltung nach Kahla und danach zu Andreas Schultz nach Wolfersdorf gezogen war, zog André Merker mit Turner und anderen Neonazis regelmäßig nachts durch die Ortschaften des Saale-Holzland Kreises und griff Menschen an, randalierte, zeigte den Hitlergruß oder grölte Naziparolen. In ihrem Album-Booklet zu “Ohne Worte” richtete die Geraer Blood & Honour-Band Legion Ost Grüße an die Kahlaer Gruppe aus, darunter namentlich “Breski, Merker und den Rest der Kahlaer”.
Merker wohnt bis heute in Kahla und war über die Jahre immer wieder bei Rechtsrockkonzerten und Neonazitreffen dabei. 2011 fuhr er mit seinen Kahlaer Kameraden Mario Keller und Andy Philipp zum Rock für Deutschland nach Gera.
Auch 2013 fuhr Merker mit Kahlaer Nazis zum Festival nach Gera. Abseits von solchen Veranstaltungen kommt Merker regelmäßig zu Dartturnieren und Trinkgeladen in die von Neonazis dominierte Kneipe “Zur Insel” in Jena-Lobeda-Ost. Noch 2019 zeigen ihn Fotos in der Kneipe neben dem aus Lobeda-Ost stammenden Neonazi Marc Kayser. Merker spielt in der Steeldarts-Mannschaft der BSG Chemie Kahla. Merker spielte auch schon bei Turnieren des Jenaer Vereins “Darts Jena” mit und wird in dessen Bestenliste aufgeführt.
Seit spätestens 2014 traf sich Merker auch wiederholt mit seinen früheren Hatebrothers-KameradInnen Jörg Brehski und Cornelia Jacob. Auch im Jahr 2020 trafen sich die drei einem Foto zufolge wieder. Merke, Brehski und Jacob können damit seit mindestens 25 Jahren als Teil der Ostthüringer Naziszene bezeichnet werden, denen weder die Verbote und mehrfachen Ermittlungsverfahren wegen der Fortführung von Blood & Honour noch die Ermittlungen zum NSU-Komplex irgendwie zum Nachteil geworden sind.
Andreas Schultz (Beschaffer der Mordwaffe Česká 83)
Andreas Schultz aus Wolfersdorf gehörte in den Neunziger Jahren zur Jenaer Naziszene und war mit allen Kadern der Jenaer Kameradschaft, bis hin zu André Kapke, Ralf Wohlleben, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bekannt. Er betrieb ab 1995 in der Jenaer Wagnergasse den rechten Szeneladen “Madley” zusammen mit Frank Liebau, wo u.a. auch Böhnhardt und Mundlos Kleidung und CDs kauften. Als das NSU-Kerntrio am Tag der Durchsuchungen, dem 28.01.1998, untertauchten, wurde auf Mundlos’ Kontaktliste aus der Burgauer Garage auch der Name von Andreas Schultz gefunden. Zwei Wochen nach dem Untertauchen fuhr Schultz mit Dutzenden Ostthüringer Neonazis, vor allem aus dem Blood & Honour-Spektrum, nach Budapest zu einem Naziaufmarsch und -Konzert. Dort postierte sich Schultz zusammen mit Jörg Brehski aus Kahla, Cornelia Jacob aus Geisenhain und Mirko Kopper aus Tröbnitz mit einer schwarz-weiß-roten Fahne mit der Aufschrift “Hatebrothers 88 Kahla” neben der Gruppe von Blood & Honour Berlin. Schultz und das Umfeld der Hatebrothers war in den Neunzigern im südöstlichen Saale-Holzland für Übergriffe, Naziparolen und Rechtsrock und auch den Fund einer Rohrbombe bei ihrem Stadtrodaer Kameraden Henning Haydt in der Öffentlichkeit bekannt. Die Gruppe war eng verbunden mit Blood & Honour Gera und besuchte regelmäßig gemeinsam Konzerte bzw. organisierte diese mit. Der Jenaer Kameradschaftsmitgründer Tom Turner, Sänger der Rechsrockband “Vergeltung”, zog Ende der Neunziger auch bei Andreas Schultz ein.
Circa zwei Jahre nach dem Untertauchen des NSU-Kerntrios fragte Ralf Wohlleben auf der Suche nach einer Waffe den Madley-Geschäftsführer Frank Liebau, der ihn an seinen Partner Schultz verwies. So kam Wohlleben zusammen mit Carsten Schultze wenig später in den Laden und sprach Andreas Schultz an, ob dieser ihm eine Waffe besorgen könne. Schultz bejahte und besorgte über Jürgen Länger, ebenfalls Teil der Naziszene, die Waffe Česká 83 mit Schalldämpfer und 50 Schuss. Zur Abholung kam Carsten Schultze ins “Madley”. Zur Übergabe ging Andreas Schultz mit Carsten Schultze in einer Nebenstraße, wo sie sich in Schultzes Auto setzten. Carsten Schultze hat danach persönlich diese Waffe an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt weitergegeben.
Ab spätestens 2005 verließ Schultz das “Madley” und betrieb selbständig eine Minigolfbahn am Waldbad in seinem Wohnsitz Trockenborn-Wolfersdorf im südöstlichen Saale-Holzland-Kreis. Als Anfang 2012 sein Haus und Arbeitsplatz vom BKA durchsucht wurden, arbeitete Schultz als Hausmeister auf Schloss Wolfersdorf. Dort hatte Ende der 2000er Jahre auch ein anderer Jenaer Neonazi gearbeitet: Martin Liebeskind, Mitglied der Burschenschaft Normannia, die sich aus dem Thüringer Heimatschutz heraus rekrutierte und eng mit der Jenaer NPD unter Ralf Wohlleben zusammenarbeitete, hatte seine Abschlussarbeit zum Schloss geschrieben und danach einen Job in der Schlossverwaltung gefunden.
Enrico Spindler
Enrico Spindler (Jahrgang 1969) kommt aus Kleineutersdorf bei Kahla und gehört zur frühen Generation von Neonazi-Skinheads nach der Wende. Spindler fuhr seit Mitte der Neunziger zu Rechtsrockkonzerten und war im Umfeld der entstehenden Blood & Honour-Sektion Thüringen aktiv. Im Rahmen eines Rechtsrockkonzerts in Triptis gehörte er u.a. zusammen mit den Weimarer Blood & Honour-Aktivisten Ronny Linke und Denis Kühne sowie weiteren Neonazis zu einer Gruppe randalierender Skinheads. In jener Zeit bildete sich zwischen Kahla und Stadtroda die Neonazi-Clique „Hatebrothers Kahla 88“, zu denen auch Enrico Spindler zählte. Um die Jahrtausendwende fiel Spindler mehrfach mit den Hatebrothers auf, die nachts in Kahla oder Stadtroda randalierten oder Menschen angriffen. Als im Rahmen des Blood & Honour-Verbots die Wohnung des Thüringer Leiters Marcel Degner in Gera durchsucht wurde, fand sich in Degners Telefonbuch auch Enrico Spindlers Nummer. Auch die Geraer Blood & Honour-Band Legion Ost ließ „Spindi“ auf ihrem Album „Ohne Worte“ explizit Grüße ausrichten. Und als Blood & Honour Thüringen 2001 ein Jahr nach dem Verbot intern zu einer Jubiläumstreffen anlässlich des Gründungstags zusammenkam, reiste auch Enrico Spindler aus Kahla zu dem Kadertreffen an.
Spindler war punktuell über die Jahre noch auf Rechtsrockkonzerten anzutreffen, wie u.a. auf dem Rock für Deutschland in Gera 2009.
Nach der Selbstenttarnung des NSU gab Spindler dem MDR ein Interview. Auf die Frage nach der Mordserie antwortete er sinngemäß, dass er für die Mordserie zunächst mit Regierungsmitgliedern angefangen hätte.
Spindler wohnt nach wie vor in Großeutersdorf und arbeitet als selbständiger Fliesenleger. Nahe der Bundesstraße 88 hat Spindler auf Höhe des nördlichen Plattenviertels in Kahla einen Kleingarten, in dem er NS-Devotionalien sammelt. In Kahla ist er u.a. im Skatverein und auf der Kegelbahn regelmäßig anzutreffen.